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Schweinfurt
Warum die 6. Triennale in Schweinfurt nur Werke von Frauen zeigt und trotzdem keine Schau der "Frauenkunst" sein will
Neun Künstlerinnen zwischen 31 und 83 Jahren sollten vom 28. Juni bis 15. September zeigen, welch zentrale Rolle Frauen in der fränkischen Kunstszene spielen.
Die Künstlerinnen der 6. Triennale für zeitgenössische Kunst in der Kunsthalle Schweinfurt (von links): Stefanie Pöllot, Heidrun Schimmel, Ursula Jüngst, Birgit Ramsauer, Stefanie Brehm, Julia Tiefenbach, Fatma Güdü, Lisa Wölfel und Barbara Nägle.
Foto: Sergej Chernoisikow | Die Künstlerinnen der 6. Triennale für zeitgenössische Kunst in der Kunsthalle Schweinfurt (von links): Stefanie Pöllot, Heidrun Schimmel, Ursula Jüngst, Birgit Ramsauer, Stefanie Brehm, Julia Tiefenbach, Fatma Güdü, ...
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 23.05.2024 02:50 Uhr

Schweinfurt hat nicht nur den Dichter Friedrich Rückert (1788-1866) hervorgebracht, sondern auch die hochbegabte Malerin Margarethe Geiger (1789-1809). Ihn kennen Lyrikliebhaber auf der ganzen Welt, sie nur ein paar Insider. Denn Margarethe Geiger hatte einen unkorrigierbaren Fehler: Sie trug keine Hosen, wie sie selbst einmal sagte. Sprich: Sie war eine Frau.

Erst 1919 bekamen Frauen in Deutschland Zugang zu den Kunstakademien. Natürlich gab es schon zuvor immer auch Künstlerinnen, die sich gezwungenermaßen auf anderem Wege ausbildeten - Margarethe Geiger etwa bei ihrem Vater, dem Porträtmaler Conrad Geiger -, aber erst der Akademiebesuch öffnete und öffnet bis heute den Zugang zu Stipendien, Preisen und Ausstellungen.

Vorbereitungen für die 6. Triennale: Co-Kuratorin Julia Weimar mit einem Modell der Großen Halle der Schweinfurter Kunsthalle.
Foto: Mathias Wiedemann | Vorbereitungen für die 6. Triennale: Co-Kuratorin Julia Weimar mit einem Modell der Großen Halle der Schweinfurter Kunsthalle.

Heute gibt es, gemessen an den Ausbildungszahlen, mehr Künstlerinnen als Künstler, und doch sind erstere auf dem Kunstmarkt immer noch unterrepräsentiert. Laut einer Statistik der Künstlersozialkasse verdienen sie zudem ein gutes Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen.

Es geht nicht um die Frage, ob die Kunst von Frauen irgendwie anders ist als die von Männern

Die 6. Triennale für zeitgenössische Kunst in Franken, zu sehen vom 28. Juni bis 15. September in der Kunsthalle Schweinfurt, zeigt diesmal ausschließlich Arbeiten von Frauen, versteht sich dennoch nicht als Fördermaßnahme für weibliche Kunst. Sie verzichtet bewusst auf einen Titel wie "Feminale" und stellt auch nicht die Frage, ob die Kunst von Frauen irgendwie anders ist als die von Männern.

"Die Künstlerinnen und Werke, die wir ausgewählt haben, sprechen in ihrer Qualität für sich", sagt Julia Weimar, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kunsthalle. Sie kuratiert zusammen mit der Bamberger Kunsthistorikerin und Kunstvereinsvorsitzenden Barbara Kahle die Triennale.  

Eigens für die Triennale in Schweinfurt entsteht eine der großformatigen Arbeiten der in Schweinfurt geborenen Künstlerin Lisa Wölfel, hier zu sehen bei der Arbeit im Kesselhaus Bamberg.
Foto: Lisa Wölfel | Eigens für die Triennale in Schweinfurt entsteht eine der großformatigen Arbeiten der in Schweinfurt geborenen Künstlerin Lisa Wölfel, hier zu sehen bei der Arbeit im Kesselhaus Bamberg.

Es gehe vielmehr darum, unter dem Motto "Aufgefächert!" das riesige Spektrum zu zeigen, das Künstlerinnen in ganz Franken abdecken, so Weimar. "Die Besucherinnen und Besucher sollen sagen: Was machen die denn für coole Kunst?" Neun Künstlerinnen zwischen 31 und 83 Jahren haben es in die Ausstellung geschafft, die ja gleichzeitig ein Wettbewerb ist: Stefanie Brehm (geboren 1980 in Bamberg), Fatma Güdü (1983, Nürnberg), Ursula Jüngst (1965, Miltenberg), Barbara Sophie Nägle (1969, Würzburg), Stefanie Pöllot (1964, Nürnberg), Birgit Ramsauer (1962, Nürnberg), Heidrun Schimmel (1941, Bamberg), Julia Tiefenbach (1992, Hof), Lisa Wölfel (1988, Schweinfurt).

Gezeigt werde nahezu alle Kunstformen, von figürlicher und abstrakter Malerei über Fotografie bis hin zu Videokunst, Installation und Performance. Bespielt wird wie immer die Große Halle, wobei die vielen unterschiedlichen Formate jeweils eigene Räume bekommen werden. "Die Ausstellung funktioniert nur, wenn alle in einer Art Pingpong-Spiel zusammenarbeiten und nicht um die vermeintlich besten Plätze streiten", sagt Julia Weimar. "Aber das haben wir gemeinsam mit den Künstlerinnen sehr kooperativ gelöst."

Die Fotografien der Schweinfurter Künstlerin Barbara Sophie Nägle deuten vermeintlich Alltägliches durch den Blick fürs Detail neu aus. Das Bild 'Staubauto' entstand nach den Anschlägen von 9/11 in New York.
Foto: Barbara Sophie Nägle | Die Fotografien der Schweinfurter Künstlerin Barbara Sophie Nägle deuten vermeintlich Alltägliches durch den Blick fürs Detail neu aus. Das Bild "Staubauto" entstand nach den Anschlägen von 9/11 in New York.

So gilt es, die filigranen Stoffarbeiten von Heidrun Schimmel, der mit 83 Jahren ältesten Teilnehmerin, oder die zarte Malerei von Fatma Güdü ebenso zur Geltung zu bringen, wie die eigens für die Triennale geschaffene großformatige Arbeit von Lisa Wölfel, die sich von der Decke in den Raum hinab schieben wird. Ein roter Faden wird aus der Halle zu einer Videoarbeit von Birgit Ramsauer ins Untergeschoss führen, wo die Raum- und Lichtverhältnisse geeigneter sind. In der Johanniskirche ist außerdem die Arbeit "Mariupol" von Ursula Jüngst zu sehen.

Das Begleitprogramm stellt sich den Fragen, die derzeit nicht nur in Schweinfurt diskutiert werden

Wenn auch die Werke der Ausstellung für sich sprechen sollen, so stellt sich das Begleitprogramm den Fragen, die derzeit nicht nur in Schweinfurt diskutiert werden. So seien nach wie vor die unbezahlte Care-Arbeit, das Muttersein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein großes Thema in der Kulturbranche, sagt Julia Weimar.

 Stefanie Pöllots Farbfotografie 'Stillleben mit Seifenblasen' spielt mit der Ästhetik der Alten Meister.
Foto: Stefanie Pöllot |  Stefanie Pöllots Farbfotografie "Stillleben mit Seifenblasen" spielt mit der Ästhetik der Alten Meister.

Am 18. Juli wird die Schauspielerin und Sängerin Laura Mann, die in Schweinfurt gerade als Janis Joplin auf der Bühne stand, mit ihrem Programm "Rebellinnen. Frauensache" gastieren, in dem kluge und unerschrockene Frauen wie Clara Schumann, Sophie Scholl, Aenne Burda, Beate Uhse oder Dunja Hayali zu Wort kommen. Dreimal können Besucherinnen und Besucher jeweils mit dreien der Künstlerinnen unter dem Titel "Auf ein Glas mit..." ins Gespräch kommen (11., 18., 25. Juli). 

Und zum Schluss rückt noch einmal Margarethe Geiger in den Fokus: Zur Finissage mit Preisverleihung am 11. September (15 Uhr) wollen Jury und Kuratorinnen mit dem Publikum über die Situation von Künstlerinnen damals und heute diskutieren.

Weitere Informationen zur 6. Triennale für zeitgenössische Kunst in Franken unter www.kunsthalle-schweinfurt.de

 
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