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Schweinfurt
Autor aus Schweinfurt: "Putin ist nicht Russlands Zar, sondern der große Schiedsrichter"
Ein Jahr lang hat Journalist Roland Bathon für sein Buch über den russischen Präsidenten recherchiert. Wen er damit erreichen will - und was der 51-Jährige zu einem drohenden Krieg mit der Ukraine sagt.
Der große Schiedsrichter: So nennt der  Schweinfurter Roland Bathon den russischen Präsidenten Wladimir Putin in seinem Buch 'Putin ist nicht der Zar von Russland'. Das Foto entstand während einer  Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Foto: Thibault Camus, dpa | Der große Schiedsrichter: So nennt der  Schweinfurter Roland Bathon den russischen Präsidenten Wladimir Putin in seinem Buch "Putin ist nicht der Zar von Russland".
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:02 Uhr

Der Schweinfurter Roland Bathon (51) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Russland, der Heimat seiner Frau. Er hat über Wodka geschrieben, Reiseführer verfasst - Bathon beschäftigt sich aber auch als freiberuflicher Journalist mit Politik. Er findet, es kommen zu wenige russische Stimmen zu Wort, wenn es um russische Politik geht. Oder um Wladimir Putin, mit dessen Rolle sich Bathon in seinem neuen Buch beschäftigt.

Frage: Wenn Sie Russland mit drei Begriffen beschreiben müssten, was würde Ihnen da spontan einfallen?

Roland Bathon: Wunderschöne Landschaften und Städte, gastfreundliche Menschen und eine verkrustete Verwaltung.

Und wie würden Sie Wladimir Putin charakterisieren?

Bathon: Eine starke Führungspersönlichkeit, sehr konservativ. Inzwischen im Alter sogar reaktionär, rückwärts gewandt. Und er ist beliebt bei der Mehrheit der Bevölkerung, vor allem bei Älteren. Junge und urbane Russen sind kaum Putin-Anhänger - sie sind genervt von der Stagnation unter ihm. Putin ist sehr intelligent. Er hat sich immerhin 20 Jahre lang an der Macht gehalten. Er ist ein Pragmatiker.

Der Schweinfurter Roland Bathon beschäftigt sich seit Jahren mit Russland. Vor kurzem ist sein Buch 'Putin ist nicht Russlands Zar' erschienen.
Foto: Susanne Wiedemann | Der Schweinfurter Roland Bathon beschäftigt sich seit Jahren mit Russland. Vor kurzem ist sein Buch "Putin ist nicht Russlands Zar" erschienen.
"Putin ist nicht Russlands Zar" ist der Titel Ihres Buches. Was ist er denn Ihren Recherchen nach?

Bathon: Der große Schiedsrichter, Ausgleicher, Therapeut. Putin sorgt dafür, dass keine Gruppe, kein Teil der Verwaltung zu stark, zu unabhängig wird. Er setzt darauf, dass sich konkurrierende Gruppen - zum Beispiel die Geheimdienste und Staatskonzerne - nebeneinander bewegen. So gewinnt keine die Oberhand. In Russland bestünde kaum die Gefahr, dass das Militär die Macht an sich reißt. Die Militärs haben alles, was sie brauchen. Eines ist Putin übrigens auch nicht: Ein Populist.

Also gilt für Putin das alte Motto: Teile und herrsche

Bathon: Genau. Im Westen spricht man gerne vom "System Putin". Ich sehen ihn eher als Ergebnis des Systems, nicht als sein Erschaffer.

Stichwort Erschaffer: Sie zitieren den russischen Kreml-Kenner Michail Sygar mit den Worten "das Zarenimage von Putin haben vor allem Medien und Politiker im Westen geschaffen". Nicht Putin selbst. Warum?

Bathon: Vielleicht ist es einfacher, wenn man Putin als Dreh-und Angelpunkt sieht. So findet eine Personifikation des gesamten Regierungssystems statt. Man muss nicht differenzieren. Dabei übersieht man aber, dass die Regierungspolitik nicht von einer Einzelperson, sondern von einer politischen Kaste gesteuert wird - dem russischen Establishment. Das ist auf die Bewahrung der Verhältnisse bis zum Stillstand angelegt. Areg Galystan, der Amerikaexperte des russischen Rates für Auswärtige Politik, hält die westliche Darstellung von Putin als Personifikation Russlands und der russischen Politik für eine ernste Krise des dortigen strategischen Denkens. So vereinfacht werden Probleme mit der Demokratie in Russland mit Putins Person erklärt, anstatt die Ursachen tiefer zu erforschen.

Russlandkritiker gegen Putinversteher: Eine Konstellation, die man gerade jetzt im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt in deutschen Medien und der hiesigen Politik oft findet. Haben Sie deshalb für Ihr Buch hauptsächlich russische Quellen und Analysen ausgewertet?

Bathon: Ja, russische Stimmen, der russische Blickwinkel sind bei uns selten zu hören, zu lesen oder zu sehen. Ich finde es wichtig, auch die Innenansicht zu kennen. Und nicht immer die gleichen Russland-Experten zu befragen.

Ihr Buch ist keine persönliche Analyse, eher eine Zusammenstellung verschiedener Stimmen und Blickwinkel. Wen wollen Sie damit ansprechen?

Bathon: "Putin ist nicht Russlands Zar" richtet sich an eine breite Leserschaft, an ganz normale Leute, die sich für Russland interessieren. Ich möchte ihnen die Möglichkeit bieten, sich ein eigenes Bild zu machen.

Mit der Ukraine-Krise ist ihr Buch ziemlich aktuell geworden. Gab's viele Reaktionen?

Bathon: Ja, sogar russische Medien haben sich gemeldet und um ein Besprechungsexemplar gebeten. Und auch deutsche Politikwissenschaftler wollen sich damit beschäftigen. Ich bin sehr gespannt auf deren Reaktionen. Ich bin kein Wissenschaftler, kein Analytiker - ich stelle Analysen und Ansichten zusammen.

Zum Schluss die Frage aller Fragen: Was meinen Sie - wird es Krieg geben zwischen Russland und der Ukraine?

Bathon: Ich bin kein Hellseher. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Russland sich der Gefahr aussetzt, den Westen als Abnehmer für Öl und Gas zu verlieren. Auf diesen Exporten basiert ein Großteil der russischen Wirtschaft. Würde man in die Ukraine einmarschieren, müsste Russland eine Art Besatzungsarmee installieren. Das wäre kaum zu finanzieren. Aber Kriege und Auseinandersetzungen sind schon aus Missverständnissen entstanden. Die können auf beiden Seiten passieren.

Roland Bathon und sein Buch

Roland Bathon lebt in Schweinfurt. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Russland, ist mit einer Russin verheiratet. Neben seiner Tätigkeit in einer Behörde ist er freiberuflich als Journalist aktiv. Er arbeitete unter anderem im Auftrag des Wochenmagazins "Der Freitag", dem "Neuen Deutschland", der "Moskauer Deutschen Zeitung ", von "Telepolis" und "Ostexperte.de" sowie neben Julia Dudnik redaktionell beim Politmagazin "Russland. direct".
"Putin ist nicht Russlands Zar" ist in der Reihe Journalismus.ru beim BoD-Verlag unter der ISBN 978 783755 754183 erschienen. Das Buch ist im deutschsprachigen Buchhandel erhältlich und kostet 6,99 Euro. Es ist auch als E-Book verfügbar.
Quelle: journalismus .ru
 
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  • M. S.
    Leider fehlen Belege für die Behauptung, wir haben den Kommentar deshalb nicht freigeschaltet.
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  • M. B.
    Natürlich ist Putin nicht Russland und Russland nicht Putin. Putin ist jedoch ein Autokrat der keinen Skrupel hat die Ukraine anzugreifen mit zivilen Opfern und Millionen Flüchtlingen. Die Nato und die EU möchten keinen Krieg in Europa. Es muss doch daher möglich sein zu deeskalieren und den Konflikt diplomatisch zu lösen. Da müssen endlich Autokraten und Demokraten über ihren Schatten springen und aufeinander zu gehen. Auch ohne einen Beitritt der Ukraine zur Nato kann der Friede in Europa langfristig und dauerhaft gesichert werden.
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  • M. S.
    Putin ist also nicht Russlands Zar, sondern dessen Schiedsrichter. Meinetwegen. Besonders bahnbrechend ist die Erkenntnis ja nicht gerade. Putin wurde von unseren Medien eben dazu seit einigen Jahren dazu erklärt, und ständig so über ihn berichtet.

    Was mich viel mehr interessiert hätte ist, dass Herr Bathon mal den Standpunkt Russlands zur aktuellen Krise etwas erläuert, denn dieser wird in den meisten Medien gar nicht erläutert, oder man macht sich bestenfalls lustig darüber. Es gibt leider keine ausgewogene Berichterstattung in unserem Land zu dem Konflikt, und das ist daher hier eine ungenutzte Chance, dies ein wenig zu korrigieren.
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