Schulstress, die nahezu ständige Datenflut aus dem Internet und viele Hobbys lassen meist keine Zeit zum Durchschnaufen. Deshalb nutzen Simone Kolb, mobile Reitlehrerin und Übungsleiterin für Freizeitreiter (VFD), und Christina Drost, Heilpraktikerin und Yogalehrerin aus Gerolzhofen, die Sommerferien, um mit Kindern das Durchatmen und Innehalten zu üben. Sie bieten im Zuge des Ferienprogramms "Waldbaden für Kinder" an.
Ein Stöckchen in den Waldboden drücken und die Ameisen beobachten, wie sie emsig daran auf- und ablaufen, barfuß den feuchtkalten Moosboden fühlen oder einfach nur Baumrinden sammeln, das sind typische Kindheitserinnerung. Doch für viele Kinder ist das heutige Leben vollgepackt – und es scheint irgendwie immer mehr zu werden.
Allein der ausgewählte Ort ist schon Balsam für die Seele. Ein schmaler Asphaltweg führt zum Wasserbunker in Michelau im Steigerwald, der Blick schweift über grüne Hügel und Weinberge zur einen und in die Schweinfurter Tiefebene zur anderen Seite. "Hier oben zu stehen und die Aussicht zu genießen, setzt schon Glückshormone frei", sagt Simone Kolb strahlend, während sie ihre beiden Ponys Aprikoos, eine Estonian Native Stute, und den kleinen, weißen Trigger, einen Welsh-Wallach, in die Koppel führt. Noch sind die beiden nicht dran.
Nach und nach erklimmen neun Mädchen in bequemer Freizeitkleidung den Entspannungshügel. Ein kühles Plätzchen wird gesucht, die Handtücher werden ausgebreitet und die Schuhe abgestreift. Nach einem kurzen Kennenlernspiel erklärt Christina Drost, was Yoga ist. "Ich habe schon Yoga mit meiner Mutti gemacht", rufen Magdalena und Noemie in die Runde. Die Mädchen im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren kichern.
Lange still sitzen macht den Kopf frei, Yoga dient der Entspannung
Yoga dient der Entspannung, lange still sitzen macht den Kopf frei. Die Kinder ertasten zuerst gegenseitig die Wirbelsäule. "Wir stellen uns dabei vor, dass der Kopf an einem goldenen Faden immer weiter nach oben gezogen wird." Hochkonzentriert wird den Anweisungen gefolgt. Weiter geht es in den Vierfüßlerstand, ausharren, einmal das rechte, einmal das linke Bein nach oben heben. "So lernt ihr den eigenen Körper besser zu spüren, eine gute Muskulatur ist auch wichtig beim Reiten. Das werdet ihr später merken, wenn ihr auf den Ponys sitzt", erklärt Simone Kolb.
Katzenbuckel, auf und ab, wieder auf die Beine setzen und jetzt die Füße kräftig rubbeln. Puh, eine jüngere Kandidatin rollt sich erst einmal zur Seite, kurzes Ausruhen im kühlen Gras. Zum Schluss noch der berühmte Yoga-Baum, auf einem Bein stehen, das andere am Oberschenkel anlegen und halten. Doch der ein oder andere Baum fällt um, während es aus dem Kassettenrekorder weiterklingt: "Fest verwurzelt in der Erde, wie ein Baum im Gleichgewicht, spüre ich meine Mitte."
Wildblüten zur Mittagspause – eine ganz eigene Erfahrung
Nach soviel konzentrierter Muskelarbeit ist eine Pause fällig, aber auch diese ist gespickt mit Informationen. Zur erfrischenden Wassermelone gibt es Gurken mit Kräuterbeilage, wie Kapuzinerkresse, Johanniskraut, Kürbis-, Malven- und Schnittlauchblüte. "Von wegen das schmeckt nicht bitter", verziehen einige das Gesicht. Aber die selbstgemachte Zitronenlimonade spült alles wieder weg.
Aber jetzt soll es endlich losgehen, das ersehnte Reiten auf den Ponys durch den Wald. Doch was ist denn Waldbaden genau, will Simone Kolb noch wissen? "Na, da baden wir mit den Pferden in einem Wasserloch", meint Helena freudig. Das trifft es nicht ganz. Das Waldbaden (Fachbegriff Shinrin yoku) kommt aus Japan und hat positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit, man versucht alle fünf Sinne zu öffnen. In der Waldluft befinden sich sogenannte Terpene, Pflanzenstoffe, die die Bäume in die Luft abgeben, fast wie bei einer Aromatherapie.
Und so geht es nach dem Pferdestriegeln los zum Waldweg Binsenroth. Zu hören sind das Klappern der Hufe, das Summen der Mücken, die Grillen. Marienkäfer an Brennesseln werden beobachtet, umgekippte Bäume, die ein X ergeben, gesehen. Beim Pflücken der Brennesselsamen ist Zurückhaltung angesagt, doch einige Mutige probieren die kleinen Körnchen, die etwas nussig schmecken. Trotz Riechen und Probieren werden die Blätter der Knoblauchsrauke nicht gleich erkannt.
"Wir essen nur, was wir genau kennen und reißen nicht an einer Stelle alles ab. Wir sind achtsam", erklärt Heilpraktikerin Christina Drost. Barfüßig geht es weiter in das Waldesinnere, wer sich traut bekommt die Augen verbunden und ertastet einen Baumstamm, den er dann später wiedererkennen muss. Gar nicht so einfach.
Und ohne es zu merken, sind zweieinhalb Stunden verflogen. "Wir werden das Waldbaden weiter anbieten und wollen möglichst viele für das Naturerlebnis Wald sensibilisieren", betont Simone Kolb, bevor sich die kleinen Naturexperten von ihren Ponys ausgiebig verabschieden.