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Gerolzhofen
VSR-Gewässerschutz: Abwasser ist nicht an Nitratwerten schuld
Der VSR-Gewässerschutz hat eigene Belege dafür vorgelegt, dass die hohen Nitratwerte in Brunnenwasser aus der Region nicht durch defekte Kanalrohre verursacht sein kann.
Der VSR-Gewässerschutzsieht weiterhin die Landwirtschaft als Hauptverursacher von hohen Nitratwerten im Brunnenwasser  in der Region an. 
Foto: Frank Rumpenhorst | Der VSR-Gewässerschutzsieht weiterhin die Landwirtschaft als Hauptverursacher von hohen Nitratwerten im Brunnenwasser  in der Region an. 
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:43 Uhr

Um gegen Belastungen in Gewässern anzugehen, testet der VSR die Qualität von Grundwasser in ganz Deutschland. Bei dem VSR-Gewässerschutz handelt es sich um eine Privatinitiative, die nach eigenen Angaben im Jahr 1980 "als Zusammenschluss verschiedener Bürgerinitiativen im Rheineinzugsgebiet" entstand, sich "für den Schutz des Grund- und Oberflächenwassers vor Verunreinigungen" einsetzt und um die Jahrtausendwende damit begann, ihre Tätigkeit auf das gesamte deutsche Nord- und Ostseeeinzugsgebiet auszuweiten. Die Abkürzung "VSR" blieb dabei noch als Hinweis auf den Ursprung der Umweltschutzorganisation bestehen, sie steht für "Verein zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse".

Wie bereits Anfang August berichtet, war der Verein auch in Gerolzhofen mit seinem Laborwagen auf dem Marktplatz zu Gast und untersuchte nach eigenen Angaben damals die Wasserproben von "88 interessierten Bürgern", die laut einer Pressemitteilung des Vereins aus privaten Brunnen aus dem Raum Haßfurt, Knetzgau, Gerolzhofen, Volkach und Wiesentheid stammen.

Grenzwert überschritten

Die Nitratkonzentration jeder vierten Wasserprobe "überschreitet den Grenzwert der deutschen Trinkwasserverordnung von 50 Milligramm pro Liter", teilte der VSR-Gewässerschutz im Sommer mit. Die Tester fanden bei ihren Untersuchungen 190 Milligramm Nitrat pro Liter in einem privat genutzten Brunnen in Oberschwappach. Weitere mit Nitraten stark verschmutzte Brunnen stellten die Umweltschützer demnach in Gernach mit 92, in Mönchstockheim mit 111, in Frankenwinheim mit 139, in Schallfeld mit 78, in Volkach mit 79 und in Prichsenstadt mit 83 Milligramm Nitrat pro Liter fest.

Weil in den untersuchten Proben von Brunnenwasser keine Darmbakterien gefunden wurden, scheiden laut VSR defekte Abwasserkanäle als Verursacher der Nitratbelastung aus. 
Foto: Siegfried Farkas | Weil in den untersuchten Proben von Brunnenwasser keine Darmbakterien gefunden wurden, scheiden laut VSR defekte Abwasserkanäle als Verursacher der Nitratbelastung aus. 

Das Wasserwirtschaftsamt (WWA) Bad Kissingen steht der Test-Aktion des VSR allerdings skeptisch gegenüber. So ist es laut Andreas Kirchner, am WWA zuständig für den Landkreis Schweinfurt, problematisch, wenn Wasserproben ohne das nötige Fachwissen und ohne entsprechende Vorkehrungen einfach so aus Brunnen entnommen werden.

Tests mit strengen Kriterien

Es müsste beispielsweise darauf geachtet werden, dass nur zugeflossenes Grundwasser beprobt wird und nicht etwa Oberflächenwasser, bei dem nicht auszuschließen ist, dass eine Oberflächenkontaminierung stattgefunden hat. Deswegen gebe es zertifizierte Labore, die die Probennahme und Tests nach strengen Kriterien ausführen und alles genau dokumentieren. Die Tests aus dem mobilen Labor wie des VSR-Gewässerschutzes würden diese Standards nicht erfüllen. "Wir sehen das sehr kritisch und erkennen das auch nicht an", betont Kirchner.

Der VSR sieht die intensive Landwirtschaft als Hauptverursacher der Nitratbelastung an. In einer aktuellen Pressemitteilung des Vereins heißt es nun: "Der VSR-Gewässerschutz wurde in den letzten Wochen scharf von den Landwirtschaftsverbänden für die Aussage kritisiert, dass die Agrarindustrie die Hauptursache der Nitratbelastung ist." Seitens der Landwirtschaft sei behauptet worden, dass unter anderem auch defekte Abfluss- und Kanalrohre für die Überschreitung der Grenzwerte im Grundwasser verantwortlich seien.

Keine Darmbakterien gefunden

Diese Behauptung will der VSR nun widerlegen: Die Auswertungen der Messdaten für Gerolzhofen würden zeigen, dass sich die Überschreitungen der Grenzwerte des Grundwassers nicht auf defekte Abwasserrohre zurückführen lasse. "Brunnenwasser, das durch Abwasser belastet ist, enthält Escherichia coli", erklärt Susanne Bareiß-Gülzow, Vorsitzende im VSR-Gewässerschutz, in der aktuellen Mitteilung. "Das sind Darmbakterien, die immer im Abwasser festzustellen sind." Wenn die untersuchten Wasserproben keine Belastung durch diese Bakterien aufweisen würden, sei davon auszugehen, dass das Grundwasser nicht durch Abwasser belastet wird.

In allen Proben mit erhöhten Nitratwerten aus den Orten Oberschwappach, Gernach, Mönchstockheim, Frankenwinheim, Volkach und Prichsenstadt wurde keine Belastung mit E.coli festgestellt, so der VSR. Auch in den Ortschaften Wipfeld, Hirschfeld, Gernach, Alitzheim, Grafenrheinfeld und Geldersheim konnten keine E.coli-Bakterien nachgewiesen werden.

Der Verein sieht dies als Beweis an, dass die Ursache der Nitratbelastung in der Region nicht den defekten Abwasserrohren zuzuordnen ist.

Nitrat und Nitratwerte

Nitrat ist eine Verbindung aus Stickstoff (N) und Sauerstoff (O) und kommt natürlich im Boden vor. Nitrat ist ein wichtiger Pflanzendünger, aber der menschliche Organismus baut es in Nitrit um. Dieses reagiert zu Nitrosaminen, die in hohem Maße krebsauslösend sind. Besonders Säuglinge und Kleinkinder sind noch von einer anderen Wirkung betroffen. Nitrit blockiert den Sauerstofftransport der roten Blutkörperchen (Hämoglobin) und löst damit eine Unterversorgung von Lunge und Gehirn aus. Die EU in Brüssel empfiehlt als Grenzwert 25 mg/l, in den USA gelten 10 mg/l als Richtwert. Zum Vergleich: In Deutschland werden immer noch 50 mg/l toleriert.
Quelle: MP
 
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  • A. G.
    Teil 2.

    Wenn man die Haushaltsabwässer als Ursache ausschließen möchte, gibt es geeignetere Tests.

    Und zwar auf Süßstoffe und Koffein. Kostet fast nichts, wäre also ohne weiteres als Standard bei der Brunnenbeprobung mitzumachen. Es liefert zuverlässige Ergebnisse, weil Süßstoffe und Koffein nicht durch oben genannte Beimengungen "maskiert" werden. Außerdem lassen sie zielsicher den Schluss zu, dass es um Haushaltsabwässer gehen muss, da keine anderen Quellen wie etwa Düngung und Tierhaltung in Frage kommen.

    Zu zahlreichen umstrittenen (weil in Siedlungsnähe erhobenen) angeblich "allein landwirtschaftlich beeinflussten" Messstellen liegen Hinweise auf messbare Gehalte an Süßstoffen und Koffein vor.

    Ob das bei den am "Wassermobil" angelieferten Proben der Fall wäre, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen.

    Aber so manche offizielle Messstelle des EU Nitratmessnetzes könnte und sollte rausfallen.
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  • A. G.
    Als "Beleg" wurden fehlende Darmbakterien genannt.

    Was lässt sich daraus ableiten? Da nicht nur Menschen Bakterien im Darm haben, sondern ebenso die Tiere, deren Gülle auf die Äcker kommt, ist das Fehlen der Darmbakterien ebenso auch ein Beleg, dass es nicht an der Düngung durch Gülle liegen dürfte.

    Außerdem ist in so manchen Haushaltsabwässern die Konzentration an Waschmitteln, Spülmitteln, Reinigungsmitteln, Hygieneprodukten und neuerdings verstärkt Desinfektionsmitteln so hoch, dass die enthaltenen Bakterien möglicherweise dadurch abgetötet werden und im Petrischalentest nicht auffallen. Die Bakterien könnten also vorhanden, aber "maskiert" sein.

    Fortsetzung in Teil 2
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