Die Erneuerung der Kanalrohre in der Straße "Am Schießwasen" war im Sommer 2021 eine der großen Baustellen in Gerolzhofen. Dort gab's nicht nur viel Arbeit. Der Kanalbau sorgte aus Sicht der Stadt als Auftraggeberin sowie der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern auch für Ärger. Denn innerhalb weniger Wochen lief nach Regenfällen mehrmals kontaminiertes Abwasser aus dem halbfertigen Kanalstrang in die Baugrube. Zum Teil schwappte die schmutzige und stinkende Brühe auch in angrenzende Keller. Auch die Feuerwehr musste mehrmals anrücken.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat die für den Bau verantwortliche Fachfirma aus einem Nachbarlandkreis in diesem Fall nicht nur unprofessionell gearbeitet. Es steht der Vorwurf im Raum, dass Verantwortliche Absprachen und Vorgaben bewusst missachtet hätten. Damit hätten sie billigend oder gar vorsätzlich in Kauf genommen, dass kontaminiertes Abwasser den Erdboden verunreinigt. Bodenverunreinigung kann laut Strafgesetzbuch, Paragraf 324, mit einer Freiheits- oder Geldstrafe geahndet werden.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem für die Baustelle verantwortlichen Bauleiter der Firma sowie deren Geschäftsführer entsprechende Strafbefehle zugestellt. Gegen die ihnen zur Last gelegten Straftat legten die beiden Beschuldigten Einspruch ein. Deshalb kam es am Mittwoch am Amtsgericht Schweinfurt zur Hauptverhandlung.
Verteidiger weisen Tatvorwurf zurück
Diese drehte sich letztlich um eine grundlegende Frage: Ist es im Zuge der Baumaßnahme vor drei Jahren überhaupt zu der von der Staatsanwaltschaft erkannten Straftat gekommen? Die beiden Verteidiger, die die Beschuldigten vor Gericht vertraten, widersprachen dem. Zweifellos, so Rechtsanwalt Sebastian Bärmann, dürften Böden dem Bundesbodenschutzrecht zufolge nicht geschädigt werden. Doch dem Anwalt fehlt in diesem Fall aber die dem Tatvorwurf zugrundeliegende verwaltungsrechtliche Basis. Absprachen zwischen den Beteiligten allein würden diese nicht ersetzen.
Zudem sei nicht geklärt, inwieweit Abwasser, das auf der Baustelle aus dem Kanal austrat, den Boden an dieser Stelle überhaupt erkennbar verunreinigt hat. Denn der Boden könnte bereits zuvor durch Abwasser, das aus dem defekten Bestandskanal – der deshalb ausgetauscht werden musste – ausgetreten ist, verunreinigt worden sein. Wie lasse sich hier beweisen, wen welche Schuld trifft?
Um genau diese Frage zu klären, möchte die Richterin, die die Verhandlung leitet, über die vorliegenden Ermittlungsunterlagen der Fachbehörde, des Wasserwirtschaftsamtes, hinaus klären lassen, inwieweit ein Sachverständigen-Gutachten in der Sache weiterhilft. Bis dahin setzte sie die Verhandlung aus.
Klärwärter berichtet von Pannen-Baustelle
Unabhängig vom Fortgang des Strafprozesses hinterließ der vor Gericht als Zeuge gehörte Klärwärter der Stadt Gerolzhofen ein klares Bild, wie es seinerzeit um die Kanalbaustelle "Am Schießwasen" bestellt war. Im Rahmen seiner Rufbereitschaft sei er zwischen April und Juli 2021 mehrfach, quasi nach jedem Gewitterschauer, an die Baustelle gerufen worden. Jedes Mal stand Abwasser in der Baugrube, so der Zeuge.
Der Klärwärter bestätigte mit seinen Aussagen die von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Vorwürfe. Insbesondere habe der beschuldigte Bauleiter trotz getroffener Absprachen und entgegen eigener Zusagen die vereinbarten Verbesserungen nicht umgesetzt. Deswegen sei der im Bau befindliche Kanals immer wieder übergelaufen. Beispielsweise seien provisorisch verlegte Rohre nicht ausreichend mit Sandsäcken gesichert und Pumpen, die das Abwasser hätten fortführen sollen, nicht so eingesetzt worden, wie es nötig gewesen wäre.
Der Klärwärter hat auch Proben des Grundwassers, das an der Baugrube abgepumpt wurde, genommen. Diese Proben, die etwaige Verunreinigungen nachweisen sollten, erhielt auch das Wasserwirtschaftsamt zum Auswerten. Welche gerichtlich verwertbare Aussagekraft die Proben haben, bleibt abzuwarten.