
Wer den geschotterten Hof des ehemaligen Forstanwesens betritt, staunt: über das stattliche Haus mit grünen Fensterläden und Halbwalmdach, über die großen alten Bäume, über die sandsteinerne Scheune mit dem Geweih über der Tür.
Mit ungeheurer Eigenleistung haben Nicole und Bastian Kuhn den ehemaligen Schandfleck im Wernecker Ortskern in ein Schmuckstück verwandelt. Es will andere Bauwillige ermuntern, sich an eine Haussanierung zu wagen, immer mit Rücksicht auf den Bestand.
Vanille-gelb leuchtet das Wohnhaus entgegen, strahlt Behaglichkeit und Harmonie aus, aber auch die Robustheit seines Alters von mindestens 200 Jahren. Einst diente es als Wohnsitz des örtlichen Revierförsters, ab 1806 auch als Amtssitz. Was die beiden früheren Amtsstuben in der Scheune beweisen.
Noch früher, vor etwa 300 Jahren, befand sich an dieser Stelle eine Ziegelhütte, die die Backsteine für das fürstbischöfliche Sommerschloss lieferte. Einige Steine tauchten auch beim Entkernen des Hauses auf. Wo es möglich war, setzten die neuen Hausbesitzer, die 2018 das leerstehende und völlig zugewucherte Anwesen kauften, diese Steine wieder in Szene.
Arbeit der Vorfahren wertschätzen
"Ich wollte nie ein neues Haus", bekennt Nicole Kuhn. "Für mich hat das keine Seele." Die Entscheidung für ein altes Anwesen begründet sie so: "Ich wollte die Arbeit der Vorfahren wertschätzen, die mit wenigen Mitteln gebaut haben. Das Haus hat 200 Jahre gehalten, das hält jetzt nochmal so lang." Ihr Credo lautet: "Wertschätzen statt wegschieben".

Das wiederholt die Wernecker Gemeinderätin auch bei Vorträgen in Zusammenarbeit mit der Allianz Oberes Werntal. Sie will andere begeistern, alte Häuser im Ortskern zu erhalten. Denn Innenentwicklung sei dringend nötig, ergänzt ihr Mann: "Wir können doch nicht immer weiter draußen die Flächen zubauen!"
Allerdings, so schränkt Bastian Kuhn ein, brauche man bei so einem Sanierungsprojekt "schon ein bisschen Know How und die Hilfe von Familie und Freunden, ohne die geht es nicht". Was bei ihnen hervorragend funktionierte. Und natürlich sei Durchhaltevermögen gefragt. "Wir sind seit fünf Jahren jeden Samstag hier am Arbeiten."
Von oben nach unten durchgearbeitet
Die hohe Eigenleistung wird neben der Arbeit im eigenen Dienstleistungsunternehmen für Landschaftspflege und Winterdienst erledigt. Dafür war das Forsthaus-Anwesen ideal, bietet es auf der 2500 Quadratmeter großen Fläche zwischen Meininger Straße und Schönbornstraße auch eine Scheune zum Unterstellen der Maschinen.

"Wir haben uns am Haus von oben nach unten durchgearbeitet", denkt Nicole Kuhn zurück. Zuerst kamen neue Biberschwanzziegel aufs Dach, weil die Nässe hier und da ins Innere drang. Um das Forsthaus herum wurde für neue Ver- und Entsorgungsleitungen aufgegraben und der Außenputz abgeklopft. Darunter kam ein Sammelsurium an Baumaterialien zum Vorschein: Sandsteine, Ziegelsteine, sogar Holz, außerdem schlechter Mörtel. Also konnte die Fassade nicht offen bleiben, sondern musste neu verputzt werden. Auch im Innern, wo häufig umgebaut worden war, konnte deswegen nur eine Wand erhalten werden.
Mit den Denkmalschützern machte das Paar nur positive Erfahrungen: "Die sind nicht mehr so streng wie sonst", weiß Nicole Kuhn. "Andernfalls macht's auch keiner mehr." In der Beratung und bei der Förderung erfuhren sie Hilfe, waren sich aber auch einig, dass beispielsweise das "riesige Fenster der 1970er-Jahre im Giebel die Symmetrie des Gebäudes kaputt macht". Stattdessen wurden die Fensteröffnungen angepasst, neue Holzfenster und Fensterläden eingebaut und etliche alte Sandsteingewänder erneuert.
Giebelwände mussten neu verankert werden
Weitere Überraschungen blieben nicht aus: So mussten die Giebelwände mit Eisen verankert werden, da sie sich nach außen wölbten. Oder die Hausecke am früheren Hang zur Meininger Straße hatte einen großen Riss. Sie musste mit Beton unterfangen werden, weil die Steine direkt auf der Erde standen.
Außen verbreitet das alte Haus heute wieder seinen besonderen Charme. Auch im Innern hat es dahin zurückgefunden. Eine schwere Eichenhaustür öffnet sich ins Erdgeschoss mit den Firmenräumen. Gleich an der neuen Holztreppe in den ersten Stock fällt die Ziegelwand auf, aus alten Steinen neu aufgemauert. Büro, Sozialraum, Schmutzschleuse, WC und die Technik der neuen Pelletsheizung sind auf dieser Ebene untergebracht. Die erhaltenen rostroten Steinfliesen auf dem Boden vermitteln Wärme und passen zu den alten Holztüren.
"Wir haben vieles über Bekannte gefunden oder über Ebay", verweist die Eigentümerin darauf, dass die Haustür nicht das Original ist, aber perfekt passt. "Wir hatten glücklicherweise Zeit beim Sanieren, wir haben günstig gewohnt." Manche Ideen seien geboren und wieder verworfen worden, sie hätten viel gefragt, seien auf Fachleute zugegangen. Was sie allen Bauwilligen empfiehlt.
Eine einzige Fachwerkwand konnte das Paar beim Aufgang in die Wohnung im Obergeschoss erhalten. Hier öffnet sich hinter dem verglasten Eingangsbereich ein großer offener Raum für Wohnen, Essen und Kochen, nur unterbrochen von den stützenden Holzbalken der einstigen Fachwerkwände.
Lehm verbessert das Raumklima
So wie früher, mit Lehm, wollte das Paar den Fußboden hier aufbauen. Dieser erwies sich als "richtig krumm, also zur Mitte hin geneigt", so der Hausherr, und bestand eigentlich nur aus Schutt. Daher trugen die Bauherren den Untergrund mühsam ab und brachten den Lehm neu ein. Dazu hatten sie von einem Abbruchhaus den Lehmputz abgeklopft, zerkleinert und neu mit Wasser angerührt. Heimische Douglasie-Bretter darauf sorgen jetzt für Wohnwärme. Der braune Lehm fand außerdem bei der Innenwand des Wohnzimmers zum Schlafzimmer hin Verwendung, "wegen des guten Raumklimas".

Über dem modernen Wohnzimmersofa fällt sofort ein besonderes, gerahmtes Bild auf: Zeitschriftenseiten der 1960er Jahre waren hier unter dem alten Putz zum Vorschein gekommen, erzählt Nicole Kuhn, einst als Isolierung direkt auf die Wand tapeziert und jetzt ein echter Hingucker mit hohem Spaßfaktor beim Lesen.
So wie hier gelingt die Kombination von Alt und Neu auch in der Küche, über deren modernen Möbeln die alte Ziegelwand erhalten wurde. Auch im großen Badezimmer nimmt die freistehende Wanne im Vintage-Stil Anklänge an früher. Die abgehängte Decke aus gehackten Holzbrettern ist ebenso ein Hingucker wie ein gußeisernes Lüftungsrohr in der Ecke, "das gehört halt zum Haus dazu".
Sanierungsarbeiten dauern noch an
Im Dachboden richtete das Paar ein Gästezimmer ein sowie Büro und Lagerraum. Isoliert wurde die Dachspitze mit Holzfaserdämmplatten, "wir wollten auf Kunststoff verzichten", so die Bauherrin.
Mit den Sanierungsarbeiten ist das Ehepaar noch nicht fertig, zeigt es beim Rundgang auf dem Gelände: Ein Carport entsteht hier noch, mit Photovoltaik und Solarthermie. "Auf unser denkmalgeschütztes Haus wollten wir keine Module setzen", so Nicole Kuhn. In der Scheune müssen die ehemaligen Amtsstuben hergerichtet und der Fachwerkgiebel saniert werden, das schmiedeeiserne, völlig verrostete Hoftor braucht eine Restaurierung und der Hofraum soll statt Schotter viel Grün erhalten.
"Der Weg ist das Ziel", unterstreicht das Paar, das jederzeit wieder die Mühen der Sanierung auf sich nehmen würde. Denn: "Wir wussten von Anfang an: Wir sind hier angekommen."