Das Wetter der letzten Tage war meist herrlich, der Blick in Schweinfurt auf den Main war wundervoll, doch etwa hat irgendwie gefehlt: Ruderboote. Natürlich nicht ganz, vereinzelt wurden durchaus welche gesichtet, aber irgendetwas scheint nicht zu stimmen. Anders als bei anderen Wassersportarten, bleibt es bei den Ruderern auch nach den Lockerungen der vergangenen Wochen überraschend ruhig. Ein Besuch beim Schweinfurter Ruder-Club Franken sorgt vor Aufklärung. "Wir durften schnell wieder was machen, aber seither bewegt sich gar nichts mehr", versucht Egid Schlessing, der Sportvorsitzende des Vereins, die Lage vorsichtig zu umschreiben.
Die Sache mit dem Mindestabstand im Boot
Schon ab Mitte April durfte durch eine Sondergenehmigung des Ordnungsamtes beim 138 Jahre alten "Dino" des Schweinfurter Sports, wieder langsam der Betrieb aufgenommen werden. Rund 15 Leistungssportler, unter anderem die beiden Kaderathleten Lorenz Grimm und Julian Waller, konnten Fahrten im Ruder-Einer unter strengen Auflagen, durchführen. Die Grundbedingungen sind dabei identisch zu allen Freizeitsportarten, die seit dem Mai wieder langsam Fahrt aufnehmen: Vereinsräumlichkeiten bleiben geschlossen, Kabinen und Duschen ebenso. Doch dann wird es schon spezifischer. Während die Fußballer etwa in Kleingruppen bis zu fünf Personen, unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,50 Meter, trainieren können, stößt man beim Rudern in Sachen Mindestabstand sozusagen naturgemäß an seine Grenzen.
Im Bootshaus des RCF in den Wehranlagen holt Horst Masuch, der unter anderem als Jugendtrainer im Verein tätig ist, ein Maßband heraus. Und siehe da: Der Sitzabstand eine Ruderbootes liegt bei etwa 1,40 Meter. Somit ist der bedingt durch die Pandemie derzeit vorgeschriebene Mindestabstand nicht einzuhalten. Den Ruderern fehlen zehn entscheidende Zentimeter. "Ruder-Einer fährt im Amateurbereich eigentlich niemand. Mannschaftsboote sind bei uns das Übliche. Gerade die Älteren im Club fahren alle keinen Einer mehr.", klärt Schlessing auf: "Mannschaftsboote, das ist die Rudergemeinschaft, das wovon der Sport und die Vereine leben".
Intensives Ausatmen und dann auch noch ein Steuermann gegenüber
Erschwerend hinzu kommt noch, dass beim Vierer und Achter teilweise auch noch ein Steuermann entgegengesetzt zu den Ruderern sitzt. Ein Anblick, den sich ein Virologe vermutlich nicht einmal vorstellen möchte. Überhaupt stellt das intensive Ausatmen beim Rudersport eine gewisse Gefahrenquelle da. Zudem sitzen die Ruderer, anders als etwa die Kanuten, entgegen der Fahrtrichtung, was dazu führen kann, dass der Atem des Vordermanns direkt im Gesicht des Hintermanns landet.
Den potenziellen Risiken gegenüber stehen verantwortungsvolle Sportler, die jedoch großteils weiterhin nicht aufs Wasser dürfen. Nur ganz wenige junge Ruderer des RCF sind aktuell im Einer unterwegs. Für den Zweier gibt es derzeit zumindest ein kleines Schlupfloch. Zwei Personen aus dem gleichen Haushalt dürfen gemeinsam rudern. Aber von dieser Ausnahmeregelung profitieren im Club laut Schlessing gerade mal zehn Paare, die als "Familien-Zweier" losziehen können. Die Anzahl der Personen im Ruder-Club, die derzeit aufs Wasser gehen können, benennt Schlessing auf maximal 25 Personen von insgesamt knapp 200 Ruderern.
Schlechte Zeiten für das soziale Miteinander im Verein
Er selbst konnte kürzlich gemeinsam mit seiner Frau im Zweier endlich mal wieder aufs Wasser. "Es war ein Traum", sagt er. Aber zufrieden ist der RCF-Sportvorsitzende mit der ganzen Entwicklung natürlich nicht. Die meisten Ruderer sitzen weiterhin auf dem Trockenen, an Wettkämpfe ist ohnehin nicht zu denken und auch die Vereinsgaststätte hat nach wie vor geschlossen. "Der Großteil des Vereins ist noch außen vor und wir können den wichtigsten Vereinszweck, das soziale Miteinander, derzeit nicht ausleben", bedauert Schlessing. Eine wirkliche Besserung ist erstmal nicht in Sicht. Dafür fehlen den Ruderern unter anderem einfach ein paar entscheidende Zentimeter.