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Schweinfurt
Überlebenskampf: Schweinfurter Reisebüros in der Corona-Krise
Die Reisebranche gehört zu den großen Verlierern der Corona-Krise. Auch in und um Schweinfurt kämpfen Reisebüros um ihre Existenzen. Was sie besonders hart trifft.
Reisebüros leiden besonders hart unter der Corona-Krise. So auch das 'Reisekult' in Schweinfurt (Bild).
Foto: Carina Spirk | Reisebüros leiden besonders hart unter der Corona-Krise. So auch das "Reisekult" in Schweinfurt (Bild).
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 16.11.2021 13:31 Uhr

Wer als Händler von der Corona-Krise betroffen ist, wird froh über alles sein, was er vor den Ladenschließungen noch verkauft hat. Anders geht es den Reisebüros, die die meisten gebuchten Reisen wieder stornieren müssen. Die Arbeit und der Umsatz vieler Monate sind damit auf einen Schlag zunichte gemacht. "Stellen Sie sich vor, Sie schreiben als Autor monatelang an einem Buch und wenn Sie es veröffentlichen, dann wird es einfach verbannt", sagt Carina Spirk und beschreibt damit ihre Gefühlslage. Die Inhaberin des Schweinfurter Reisebüros „Reisekult“ erklärt, warum selbstständig geführte Reisebüros gleich doppelt von der Pandemie getroffen werden.

Laut dem Bundesverband "Allianz Selbständiger Reiseunternehmen" hat die Corona-Krise deutschlandweit bereits zu über 1500 Insolvenzen geführt, fast 1900 Menschen wurden in der Branche entlassen. Seit Beginn Reiseeinschränkungen seien unzählige Reisebüros in Zahlungsschwierigkeiten geraten, so die Branchenvertretung. Auch das selbstständig geführte "Reisekult" aus Schweinfurt bekommt die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie knallhart zu spüren. "Der Reisemarkt ist weltweit zusammengebrochen", sagt Inhaberin Carina Spirk und begründet damit den aktuellen Ausfall aller eingeplanten Einnahmen. Derzeit könne man keinerlei Umsatz machen, Fixkosten fielen aber weiterhin an.

Warum Reisebüros doppelt betroffen sind

Laut Spirk sind Reisebüros gleich doppelt betroffen. Zum einen müssen die Läden schließen und können dadurch keine Einnahmen durch Neubuchungen erzielen. Zum anderen müssen sämtliche bereits gebuchten Reisen wieder storniert werden. Damit gehe auch der "Umsatz und die Arbeit der letzten Monate" verloren. Schließlich verkaufe man in der Branche ein Stück Zukunft und nicht etwa ein Brötchen oder eine Kugel Eis, betont Spirk. Das Problem: Reisebüros haben einen Vermittlerstatus zwischen Reiseanbietern und Kunden. Ein Anrecht auf die Vermittlerprovision entstehe erst, wenn der Kunde die Reise auch wirklich antritt, erklärt die 37-Jährige.

Dadurch seien Reisebüros die Hände gebunden. Zudem, beklagt Carina Spirk, bestehe keine Möglichkeit einer Rückversicherung. "Wünschenswert wäre eine Versicherungslösung oder ein Notfallfonds, der auch die direkten Verdienstausfälle der Reisebüros deckt", sagt Spirk. Diese große gesetzliche Lücke sei schon in anderen Krisen sichtbar geworden. Spirk hofft deshalb auf Nachbesserung seitens der Politik, damit auch ihre Branche gezielter unterstützt werden kann. Die staatlichen Hilfen deckten nicht einmal die Fixkosten für einen Monat, so Spirk.

Das absurde an der Situation: Trotz des Verdienstausfalls von 100 Prozent arbeiten Spirk und ihre Mitarbeitern mehr als zuvor. "Wir sind rund um die Uhr für unsere Kunden da. Kurzarbeit ist für uns nahezu unmöglich." Man stehe permanent in Kontakt mit den Kunden, beantworte Fragen und wickle Stornierungen ab. Um Kosten für Ladenmiete oder Gehälter zu decken, greift Spirk auf private Reserven zurück. Aufgeben ist für sie noch undenkbar. "Ich hoffe, dass die Kunden unsere aktuelle Mühe dahingehend honorieren, indem sie ihre nächste Reise wieder bei uns buchen." Auch deshalb wünscht sie sich eine baldige Entspannung und hofft, dass die Menschen im Herbst wieder in den Flieger steigen können. Bis dahin müsse man vermehrt auf den Deutschlandtourismus setzen.

Bergrheinfelder Reisebüro ist "sehr gebeutelt"

Ähnlich hart sind die Kollegen im Schweinfurter Landkreis betroffen. Wir sind schon sehr gebeutelt, bekommen keine Provisionen und arbeiten dennoch sehr viel", sagt Inhaberin Nina Völk-Nießner. Für sie gehe es schlicht darum, irgendwie durch die Krise zu kommen. Jedoch, gibt sie zu, könne man derzeit nur von Woche zu Woche planen.

Auch für Völk-Nießner "kommt es nicht in Frage, den Kopf in den Sand zu stecken." Gebannt beobachte sie die Entwicklung und hoffe darauf, dass die Grenzen baldmöglichst wieder geöffnet werden. Denn nicht nur die Lage im eigenen Land, auch die weltweite Situation sei gerade für ein Reisebüro, das Reisen in die Ferne verkaufe, von entscheidender Bedeutung. Solange das nicht möglich ist, will Völk-Nießner mit ihren Mitarbeitern trotzdem für ihre Kunden da sein.

Und eines ist der Inhaberin besonders wichtig: "Ich glaube, Reisen ist lebensnotwendig, das ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens.“ Wenn auch nicht in der akuten aktuellen Situation.

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