Superlative soll man als Journalist sparsam verwenden, zu schnell sind sie abgenutzt, zu oft unpassend. Nun, für die vier Mal ausverkaufte, von über 3000 Zuschauern gesehene Turnfestgala der Dancefloor Destruction Crew (DDC) aus Schweinfurt im Rahmen des Landesturnfestes gibt es nur ein Wort: brillant. Zu Recht mit stehend dargebrachten Ovationen minutenlang von den Besuchern gefeiert, anrührend, emotional, im Gedächtnis haften bleibend und eine Symbiose zwischen Turnsport und Tanzsport, die einzigartig war.
Ein Geheimnis, die Breakdancer der DDC zu verstehen, die sich mit Crossover-Produktionen wie "Fuck you Wagner" oder "Breakin' Mozart" einen Namen gemacht haben und seit einigen Jahren international für Furore sorgen, ist, sich einfach auf ihren radikal eigenen Blick einzulassen, der keine Angst vor Konventionen kennt, keine Angst so genannte Tabus zu brechen.
Es ist nicht so, dass man sich vor der Größe der Aufgabe, eine Turnfestgala zu choreographieren, hätte fürchten müssen. Man hätte aber mit einer konservativen Aneinanderreihung der Programmpunkte schlicht an den Besuchern vorbei gearbeitet, die nämlich in weiten Teilen das junge Publikum zwischen zehn und 25 Jahren waren, das alle in der Kunstwelt und seit neuestem ja auch der Politikwelt so verzweifelt anzusprechen versuchen.
Der DDC gelingt das mit einer Leichtigkeit, über die man immer wieder nur staunen kann. Die DDC-Regisseure Marcel Geißler, Felice Aguilar und Alexander Pollner haben natürlich auch der eigenen Mannschaft mit mehreren Stücken Platz eingeräumt, darunter ein Ausschnitt der so erfolgreichen Lederhosen-Show oder die nahe der Perfektion als Duett tanzenden Alexander Pollner und Felice Aguilar. Sie sind aber nicht der Versuchung erlegen, eine DDC-Show gespickt mit ein paar Gästen zu machen. Und genau das sorgte am Ende für wahrlich aufsehenerregende eineinhalb Stunden, in denen die Vielfalt und Grazie des Turnens augenfällig wurde.
Von der ersten Sekunde die Besucher gefesselt
Kaum hatte die Show mit einer wie von der DDC gewohnt perfekten Video-Sequenz begonnen und zeigte die KNS München ihre Flash Mob-Choreographie zu Steffi Lists Turnfest-Song, klatschten schon alle Besucher mit und waren gefangen von den Bildern der Show, die keine Sekunde Langeweile aufkommen ließen.
Die Abfolge der insgesamt 20 Darbietungen war wohl durchdacht, rasante Nummern wechselten mit ruhigen ab, große Gruppen kontrastierten mit Soli, musikalisch gut abgestimmt und bei einigen Stücken auch gesanglich beachtlich begleitet vom Schweinfurter Sänger Christopher Tate.
Der Höhepunkte gab es reichlich: Nathalie Wecker, Tochter des Turn-Olympiasiegers Andreas Wecker, zeigte bei ihrer Handstand-Equilibristik-Nummer, dass ihr Talent in die Wiege gelegt ist, als sie einhändige Handstände auf einem kleinen Podest in zwei Metern Höhe aussehen ließ als wäre es das einfachste der Welt.
Von Rollstuhl-Tanz bis Rhönrad-Akrobatik
Kaum hatte man seine Gedanken zu Weckers Show geordnet, kamen auch schon die Rollstuhl-Tänzer des USC München auf die Bühne. Genau diesen Kontrast zu wagen, zeichnete die Turnfestgala aus. Die Tänzerinnen – die so genannten "Fußis" – waren in leuchtend gelbe Ballkleider gehüllt, die Partner im Rollstuhl ("Rollis" genannt) schwarz gewandet. Das seit 40 Jahren bestehende Ensemble wurde bereits Europameister und zeigte unter anderem zu Whitney Houstons "I wanna dance with somebody" wie anmutig Rollstuhltanz sein kann.
Barren, Trampolin, Rhönrad, Aerobik-Tanz, Ballett mit Modern Dance, Keulen- und Ballübung oder Rope Skipping - all diese Nummern zeigten, dass Turnen längst nichts mehr von seinem verstaubten Image, das ihm anhaftet, hat, sondern eine moderne, junge, vor allem bei Mädchen und jungen Frauen beliebte Sportart ist, die bei den gezeigten Stücken auch hohen künstlerischen Anspruch erfüllte.
Am Ende versammelten sich alle Künstler noch einmal auf der Bühne zum wohlverdienten Schlussapplaus. Es waren gut 100, auch das zeigt wie beachtlich die Leistung der DDC-Regisseure war, aus diesen so heterogenen Gruppen mit großer Vielfalt und Bandbreite ein stimmiges Ganzes entwickelt zu haben, an das man sich noch lange erinnern wird.
Viele Bilder und Videos vom 32. Bayerischen Landesturnfest in Schweinfurt finden Sie unter www.mainpost.de/schweinfurt, darunter auch den Liveticker von der Veranstaltung über vier Tage zum Nachlesen.