27 Tonnen auf der einen, das Gleiche als Gegengewicht auf der anderen Seite: Eine relativ unscheinbare Hydraulikpumpe hat vor kurzem in Sankt Anton rund 60 Tonnen Gewicht bewegt – und das über eine Strecke von 18,3 Meter. Dorthin, wo in Zukunft der neue Kirchenraum beginnen wird. An dieser Stelle steht das riesige Portalfenster von St. Anton nun, immer noch auf dem Schlitten, mit dem es Millimeter weise an seinen neuen Platz verschoben worden ist. Ein „fast geräuschloser“ Drahtseilakt, der alle Beteiligten fasziniert – ob Vertreter der Pfarrgemeinde, des Architektenbüros Brückner & Brückner aus Würzburg oder der Baufirma Schmück aus Bad Kissingen.
Wie verschiebt man ein Kirchenfenster?
Dem eigentlichen Verschieben des 6,10 Meter breiten und 12,2 Meter hohen Fensters ging eine intensive Vorbereitung voraus. Wie verschiebt man ein Kirchenfenster. Mit dem Kran? Unmöglich, kein Ausleger, der soweit in den Raum ragen würde, könnte diese Last noch bewegen. Die Lösung: Hydraulik. Selbst Brücken werden mit diesem Verfahren bewegt.
Das eigentliche Metier der Firma Eberspächer GmbH aus Kirchheim/Teck-Nabern, die man für den Spezialfall angeheuert hatte. Und auch für sie war es eine Premiere. Für die Schiene, auf die der Schlitten mit dem Fenster auf der einen und dem Gegengewicht aus Wasserfässern und Stahl auf der anderen Seite laufen sollte, wurde ein eigenes Fundament gegossen. Auf die Eisenschinen legten die Spezialisten Teflon-Platten, damit das tonnenschwere Gewicht ohne Reibung darüber gleiten konnte – Millimeter für Millimeter, mit 0,00244 km/h.
Das Fenster selbst war zuvor aus der Wand gefräst, in ein Korsett aus Holzplatten verpackt und auf den Träger gesetzt worden, der es bis jetzt genau auf der Höhe hält, auf der es bleiben wird. Um das Fenster herum wird nun eine neue Wand hochgezogen, erklärt Bauleiter Thomas Hack von Brückner & Brückner. Hier wird der Eingang für die neue, alte Kirche sein.
Wenn es auf jeden Millimeter ankommt
Am 13. September setzte die Hydraulikpumpe den Schlitten in Bewegung. 7,5 Stunden später war das Fenster an Ort und Stelle. Eine fast reibungslose Aktion, bei der nur einmal korrigiert werden musste. Um wenige Millimeter. Mehr wäre auch fatal gewesen. Schließlich gab es kein Zurück. Der Schlitten konnte nur vorwärts bewegt werden.
„So was macht man nur einmal im Leben“, bringt es Kurt Schmück, Geschäftsführer der Baufirma Schmück, auf den Punkt. Eine Aufgabe, vor der man auch einen „Heidenrespekt“ hatte und das „einer der spannendsten, technischen Momente in unserer Bürogeschichte war“, sagt Architekt Christian Brückner. Für ihn, die Baufirma und ihre Arbeiter – aktuell sind 20 auf der Baustelle – ist das ganze Projekt ohnehin etwas Besonderes. Einen Kirchenraum neu zu gestalten, die Aufgabe hat man nicht alle Tage. „Die Menschen sollen ihre Kirche wiedererkennen“, sagt Brückner. Auch deshalb sei der Erhalt des Portalfensters so wichtig gewesen.
Tradition trifft Moderne
Schließlich will man die Tradition, die Geschichte der Kirche fortführen, das betont auch Diakon Joachim Werb. Den Geist von St. Anton erhalten und modernisieren. Mit dem Verschieben des Fensters ist der Rückbau abgeschlossen. Nun kann der Um- und Aufbau beginnen. Aus St. Anton wird „st. anton“. Ein Ort der Begegnung – ein Zentrum, das Kirche, Pfarrgemeinde, Kindergarten, Einrichtungen der Caritas wie Beratungsstellen oder auch Gruppen der Julius-Döpfner-Schule sowie einem Bürgercafé Raum geben wird.
Es ist ein Meilenstein in dem 17 Millionen Euro schweren Mammutprojekt, das St. Anton von Grund auf verändern und doch den Geist der Kirche erhalten soll. Im Februar haben die Arbeiten begonnen. Es wurde entkernt, ausgebaut, eingepackt. Die Kirchen zog aus und um, ganze zweimal schon, wie Diakon Werb erzählt. Eine Riesenleistung von Ehrenamtlichen. 40, 50 Menschen packten jeweils mit an. Heute feiert die Kirchengemeinde Gottesdienste in Maria Hilf. Zum 1. Advent will man wieder umgezogen sein, dann zurück in St. Anton. Erst einmal auf Zeit.
Ein Denkmal der Nachkriegsarchitektur
Um 700 auf dann rund 200 Plätze wird der Kirchenraum verkleinert sein, um eben die 18,3 Meter, um die das große Portalfenster verschoben worden ist. Eines von vier Fenstern, die der Schweinfurter Künstler Gustl Kirchner gestaltet hat. Dieses Betonfenster sollte erhalten bleiben. Die Vier-Fenster-Gestaltung des Kirchenraums, die das Kreuz symbolisiere, war dem bischöflichen Bauamt wichtig, erklärt Kirchenpfleger Ottmar Prell.
Moderner und barriefrei
Von außen wird St. Anton, das junge Denkmal der Nachkriegsarchitektur kaum verändert. An die Stelle des alten Portalfenster kommt ein neues, transparentes. Hier wird der neue Eingang für das Zentrum sein. Aus dem ehemaligen Kirchenraum wird ein großes, Licht durchflutetes Foyer, von dem aus der Besucher barrierefrei zu verschiedenen Einrichtungen gelangt. Auch zu der Kirche, die auf den normalen Bedarf ausgelegt worden ist. Kleinere Räume, bessere Nutzung, ein heizbarer Kirchenraum statt einer riesigen, kalten und weitgehend leeren Fläche.
Das Konzept der Modernisierung begeistert die Verantwortlichen. Und die Menschen der Kirchengemeinde? Manche sind immer noch skeptisch, das ist Diakon Werb bewusst. Und doch zeigt das Engagement vieler den Mut und den Willen zu einem Neuanfang Dann in st. anton.
Wie geht es weiter in St. Anton
Aktuell laufen im vorderen Teil der Pfarrkirche, die zum Foyer des neuen Zentrums wird, die Vorbereitungen für den neuen Boden. Dieser wird – ebenso wie im Kirchenraum – erhöht, damit der komplette Bereich barrierefrei ist. Nicht nur hier, in allen Teilen wird gearbeitet, insgesamt im Grunde in fünf Gebäuden.
2019 soll die Förderschule der Caritas in den ehemaligen Pfarrsaal einziehen.
Im Frühjahr 2020 will man das Zentrum sowie die beiden Gebäudeflügel fertigstellen.
Bis Ende 2021 sollen auch der Ausbau und die Neugestaltung des Kirchenraums abgeschlossen sein.
Die Kirchengemeinde wird am 1. Advent 2018 den ersten Gottesdienst wieder im Kirchenraum von St. Anton feiern. Ein Provisorium.
Anfang 2020 folgt der Umzug für die Gottesdienste in den neuen Pfarrsaal, der bis dahin fertig sein soll. Eine Übergangslösung, die nach den Plänen Ende 2021 mit dem Umzug in die neue Kirche endet.