Am 10. Dezember 1948 wurde in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Seit 1950 wird der 10. Dezember deshalb als "Tag der Menschenrechte" gefeiert. Amnesty International (ai) nimmt diesen Tag jedes Jahr zum Anlass, die Menschenrechtssituation weltweit kritisch zu betrachten und mit lokalen Aktionen auf die Brennpunkte aufmerksam zu machen.
Auch die Schweinfurter ai-Gruppe hatte Aktionen zum Internationalen Menschenrechtstag an diesem Donnerstag geplant, sie fallen zum Teil aber der Corona-Pandemie zum Opfer. So kann die vorgesehene Filmvorführung zum Thema Menschenrechte im KuK nicht stattfinden, weil Kinos während des zweiten Lockdowns wieder schließen mussten. ai-Sprecher Ulrich Philipp hofft nun, dass wenigstens der Aktionsstand am Samstag, 12. Dezember, in der Innenstadt aufgebaut werden kann. Von 11 bis 13 Uhr wollen die Aktiven an der Ecke Spitalstraße/Lange Zehntstraße ihren "Fall" präsentieren.
Seit März kümmert sich die Schweinfurter ai-Gruppe um Esmail Abdi. Der Mathematiklehrer und Vorsitzende der Lehrergewerkschaft im Iran verbüßt wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten, dazu gehörten friedliche Demonstrationen von Lehrkräften gegen ihre schlechte Bezahlung und den niedrigen Bildungsetat, seit November 2016 eine sechsjährige Haftstrafe. Die ai-Gruppe will mit einer Petition an das Oberste Gericht in Teheran appellieren, den jungen Mann sofort und bedingungslos frei zu lassen. Dafür werden Unterschriften gesammelt.
"Wir arbeiten solange an einem Fall, bis die Leute entlassen sind", sagt ai-Sprecher Ulrich Philipp. Manchmal dauert das sieben bis acht Jahre. "Man muss dicke Bretter bohren." Doch der Einsatz lohnt sich. Zuletzt erreichten die Schweinfurter Aktiven, dass die in Bahrain inhaftierten Jugendlichen Jehad Sadeq Aziz Salman und Ebrahim Ahmed Radi al-Moqdad nach acht Jahren Gefängnis vorzeitig freigelassen wurden. Die beiden jungen Männer waren 2013 als 15-Jährige zu zehn Jahren Haft wegen der Teilnahme an einer Demonstration verurteilt worden.
Oder der Fall von Ales Bialiatski: Der weißrussische Menschenrechtsaktivist war 2011 in Minsk zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Schweinfurter ai-Gruppe übernahm seinen Fall 2012, zwei Jahre später wurde er freigelassen und vor einigen Tagen erhielt er den Right Livelihood Award, weithin als Alternativer Nobelpreis bekannt. Der Preis wurde 1980 ins Leben gerufen, um "mutige Menschen bei der Lösung globaler Probleme zu ehren und zu unterstützen". Bei der Verleihung in Stockholm sagte der 58-Jährige, der bereits sein halbes Leben für Demokratie und Freiheit in Belarus kämpft: "Der Grad der Repression ist aktuell extrem hoch, so etwas haben wir noch nie gesehen. Wir erleben gerade wirklich ein gesellschaftliches Desaster."
Bundesregierung beklagt weltweite Verschlechterung der Menschenrechtslage
Auch die Bundesregierung beklagt eine weltweite Verschlechterung der Menschenrechtslage. "Wo wir auch hinschauen, gibt es Rückschritte", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) vergangene Woche nach der Verabschiedung des Menschenrechtsberichts der Bundesregierung im Kabinett. Die Corona-Pandemie habe vieles noch schlimmer gemacht. "Repressive Regime missbrauchen sie als Deckmantel, um Menschrechtsverteidigerinnen und -verteidiger zu bedrängen und freie Medien zum Schweigen zu bringen", so Maas.
Das Thema des diesjährigen Menschenrechtstages befasst sich deshalb auch mit der Covid-19-Pandemie und richtet den Schwerpunkt auf die Notwendigkeit, den Wiederaufbau zu verbessern. Jedes Jahr steht ein anderes Thema im Mittelpunkt des Internationalen Tages der Menschenrechte. Es geht beispielsweise um religiöse oder politische Verfolgung, Benachteiligung von Frauen, Kinderarbeit oder die Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe.
Hundertausende Menschen machen jedes Jahr beim Briefmarathon mit
Seit der Gründung von Amnesty International im Jahr 1961 wurden die Menschenrechte von Politikern und Staatsführern zwar mehr und mehr akzeptiert, aber es gibt trotzdem noch in vielen Ländern dieser Welt Menschenrechtsverletzungen. Ulrich Philipp verweist zum Beispiel auf die anhaltende Unterdrückung der Minderheit der Uiguren durch China. Insgesamt sollen etwa eine Million Menschen gegen ihren Willen in Internierungslagern festgehalten werden.
"Der Einsatz für die Menschenrechte ist heute mehr denn je nötig", meint Ulrich Philipp. Die kleine Schweinfurter Gruppe – der harte Kern sind zehn Aktive – organisiert deshalb regelmäßig Infostände und Mahnwachen, sammelt Petitionsunterschriften oder ruft zur Beteiligung am Amnesty-Briefmarathon auf. Hunderttausende Menschen machen hier jedes Jahr mit, schreiben Briefe für Menschen in Not. 2018 wurden laut ai weltweit 5,9 Millionen Briefe verschickt. Zum einen an Regierungen mit der Aufforderung, Unrecht zu beenden, zum anderen an bedrohte Menschen, um ihnen Solidarität zu zeigen. Gerade Letzteres sei ganz wichtig, so Ulrich Philipp. "Sie sollen wissen, dass sie nicht alleine sind, dass wir uns kümmern." 20 bis 40 Prozent dieser Briefe würden ihre Adressaten erreichen.
In Würzburg bietet Amnesty International auch eine Asylberatung an
Beim aktuellen Fall von Esmail Abdi ist das Briefeschreiben schwierig, weil es keine direkte Postverbindung in den Iran gibt. Die Schweinfurter ai-Gruppe schickt deshalb Petitionen an den UN-Menschenrechtsrat nach Genf.
Mit Amnesty International in Schweinfurt gibt es im Bezirk Würzburg insgesamt acht ai-Gruppen, die gegen die Verletzung von Menschenrechten ankämpfen. In Würzburg bietet Amnesty International zudem eine Asylberatung an. Sie ist kostenlos und unabhängig und steht allen Menschen offen, die sich im laufenden Asylverfahren befinden.
Wichtig für Amnesty International sind auch die Unterstützer im Hintergrund, die ideell und finanziell die Aktivitäten der Gruppen fördern. "In Schweinfurt läuft das großartig", verweist Ulrich Philipp auf die große Zahl an Spendern und Förderern. Das motiviere, weiter für die Menschenrechte zu kämpfen.