Im Moment geben sich die großen deutschen Charakterschauspieler in der Schweinfurter Ersatzspielstätte Theater Gemeindehaus mehr oder minder die Klinke in die Hand. Waren es vor einem Monat noch Rufus Beck und Tatort-Kommissar Peter Kremer mit der mitreißenden Komödie "Zwei Männer, ganz nackt", folgt jetzt Friedrich von Thun, der aus Film und Fernsehen in Deutschland und weit über die Grenzen hinaus schon lange einem Millionenpublikum bekannt ist.
Das "Erbe der Guldenburgs" oder "Schindlers Liste" sind nur zwei gewichtige Markenzeichen seiner Karriere, der sympathische, immer höfliche, ältere Herr, nur einer seiner vielfältigen Rollencharaktere. Es gibt auch andere Seiten. Zurzeit ist Friedrich von Thun ebenfalls bundesweit in fast allen Kinos mit der Komödie "Alter Weißer Mann" an der Seite von Jan Josef Liefers zu sehen. In der herrlich schrägen Geschichte spielt er dessen Vater, als skurrilen Kauz, der mit dem Aufeinanderprallen zweier Generationen und dem Gendern der deutschen Sprache so seine eigenen Probleme hat.
Jetzt führt den mittlerweile 82-jährigen Charakter-Mime zum ersten Mal auch der Weg in das Theater der Stadt Schweinfurt; zuvor gab es vor einigen Jahren Gastspiele zu Weihnachten in Bad Kissingen und Würzburg. Ein guter Anlass, um mit dem Schauspieler einmal über die wichtigen Dinge seines Lebens zu reden.
Geborener Optimist
Fast zwei Jahre seiner Kindheit verbrachte der 1942 geborene Darsteller mit seiner Mutter und drei Geschwistern in einem tschechischen Gefangenenlager. Schon damals trat bei ihm eine angeborene Charaktereigenschaft zu Tage, die auch sein ganzes Leben bestimmen sollte: Optimismus. "Wissen Sie, ich kehre immer wieder zum Optimismus zurück. Aber das ist nichts, was man sich erarbeitet, das ist angeboren. Es gibt das berühmte Beispiel vom halb vollen oder halb leeren Glas, das ja bekanntlich das exakt gleiche Bild abgibt – ich sehe die positive Seite", so der Vater zweier erwachsener Kinder (Max von Thun, ebenfalls ein populärer Schauspieler und Gioia von Thun).
Das ist allerdings für ihn kein Grund, die derzeitige Welt durch eine rosarote Brille zu sehen: "Ich finde dennoch, dass sich die Welt mit den ganzen Kriegen in einem sehr traurigen Zustand befindet. Und warum die Hälfte der Amerikaner einen verurteilen Vorbestraften wählt, erschließt sich mir auch nicht", so der in München lebende Schauspieler. Persönlich freut er sich sehr auf sein erstes Gastspiel als Premiere in der Schweinfurter Ersatzspielstätte Gemeindehaus.
Auf dem Programmzettel des Abends steht einer der romantischsten und bewegendsten Monologe der Theatergeschichte "Novecento – die Geschichte vom Ozeanpianisten" von Allessandro Baricco. Friedrich von Thun erzählt die Geschichte des Kreuzfahrtpianisten Novecento, der im Jahr 1900, ausgesetzt als Säugling, auf dem Klavier eines Kreuzfahrtschiffes gefunden wird. Von der Mannschaft liebevoll aufgenommen fährt er mit ihr durch die Welt und entwickelt sich auf diesen Reisen zu einem genialen Jazz-Pianisten, der allerdings niemals die kleine Welt seines Schiffes verlässt.
Der beliebte Film- und TV-Schauspieler hat dabei seinen Monolog mit Live-Musik aus den 1930er-Jahren kombiniert und zusammen mit dem Max Neissendorfer Trio (Klavier, Kontrabass, Schlagzeug) auf die Bühne gestellt. Seine Text-Passagen werden mit populären Melodien von Cole Porter und George Gershwin verbunden, sodass die gepflegte Bar-Gemütlichkeit eines vergangenen Jahrhunderts entsteht.
Gastspiel an zwei Abenden im Theater Gemeindehaus
"Wir versuchen, mit der Musik aus dieser Zeit die Atmosphäre von damals wiederzubeleben und Text und Worte in der Musik weiter klingen zu lassen", so der 82-jährige Charakter-Darsteller. "Wer Swing nicht mag, dem wird die Vorstellung bereits alleine durch das gesprochene Wort gefallen. Wem das gesprochene Wort alleine zu wenig ist, der bekommt seinen Anteil am Vergnügen mit den Swing-Interpretationen."
An zwei Abenden ist von Thun im Theater Gemeindehaus zu erleben, in fränkischen und bundesweiten Kinos wohl noch einige Zeit länger. Angesprochen darauf, was er in Franken mehr schätzt, einen Schoppen Silvaner oder ein fränkisches Bier, kommt die Antwort pfeilschnell: "Einen Silvaner – gutes Bier haben wir in München genug." Bleibt zu hoffen, dass Oberfranken diese Botschaft nicht liest.
Information: Vorstellungen im Theater der Stadt Schweinfurt Gemeindehaus am Dienstag, 19. November, und Mittwoch, 20. November, um 19.30 Uhr. Restkarten unter Telefon (097 21) 514955 oder an der Abendkasse.