Mit Mund-Nasen-Schutz und Sonnenbrille betritt der Angeklagte in Begleitung seines Verteidigers den Gerichtssaal Nummer 16 im Schweinfurter Justizgebäude. Derart vermummt wollen weder der Amtsrichter noch der Staatsanwalt den 39-Jährigen für die Dauer der Verhandlung akzeptieren. "Die Schutzmaske können Sie tragen", sagt der Vorsitzende, "das ist Ihr gutes Recht." Aber die Sonnenbrille müsse er abnehmen: "Hier scheint keine Sonne."
Als der Richter den Angeklagten nach seinem Beruf fragt, kommt die sonderbare Antwort: "Ich distanziere mich von jedwedem Beruf." "Ungelernt", bemerkt der Vorsitzende dann fürs Protokoll – womit er nicht ganz richtig liegen sollte.
Der 39-Jährige verfüge sogar über zwei Studienabschlüsse, erklärt später seine Ex-Lebensgefährtin (38) als Zeugin. Um mehrere Verstöße des Angeklagten gegen ihre Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz geht es in diesem Verfahren. Im Jahr 2017 hatten sie und der 39-Jährige sich getrennt, weil er nach Aussage der 38-jährigen promovierten Dozentin extreme psychische Veränderungen entwickelt und nichts dagegen unternommen habe. Seitdem soll er etliche Male gegen ihren Willen Kontakt zu ihr und die gemeinsame Tochter aufgenommen haben.
Kontaktverbot und Abstand halten
Der Ex-Partner habe mehrfach E-Mails an sie, ihre Arbeitsadresse und ihre Eltern geschrieben. Ferner habe er oft stundenlang vor ihrer Wohnung in der Gemeinde im Landkreis Schweinfurt geparkt. Sie habe ihn mehrfach aufgefordert, dies zu unterlassen, auch bei Terminen am Familiengericht – jedoch vergeblich. Also habe sie im Herbst 2023 einen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt, der ihm jegliche Kontaktaufnahme sowie eine Annäherung unter 100 Meter untersagte.
Dagegen aber soll der Angeklagte verstoßen haben. Fünf E-Mails habe er ihr trotzdem geschrieben und Ende August letzten Jahres rund eine Stunde vor ihrer Wohnadresse geparkt: fünf Verstöße also. Gegen den entsprechenden Strafbefehl hatte der 39-Jährige Einspruch eingelegt. Dazu kommt eine weitere Anklage des Amtsgerichts Frankfurt am Main, nachdem der 39-Jährige im April erneut nahe ihrer Wohnung geparkt habe, als sie sich dort aufhielt.
Die Verteidigung legt Wert darauf, dass das Auto vor einem Nachbarhaus gestanden habe, worauf der Staatsanwalt betont, dass auf keinen Fall der 100-Meter-Abstand eingehalten worden sei. Mittlerweile hat die Frau auch eine Unterkunft in Frankfurt, um sich den Nachstellungen des Ex-Partners zu entziehen.
"Keinerlei Krankheitseinsicht"
Die Geschädigte sagt, zur Trennung sei es gekommen, weil ihr Ex-Partner und Vater der gemeinsamen Tochter nach seiner massiven psychischen Veränderung keinerlei Krankheitseinsicht gezeigt und nichts dagegen unternommen habe. Das Kind habe den Vater nicht mehr verstanden, nur "dass mit ihm etwas nicht stimmt". Nur einen Arztbericht gibt es von einem freiwilligen Klinikaufenthalt des Angeklagten. Darin ist von einer bipolaren Persönlichkeitsstörung mit psychotischen Episoden die Rede.
Für den Amtsrichter ist dies der Punkt, eine psychiatrische Untersuchung des Angeklagten durch einen neutralen Sachverständigen anzuregen, um Feststellungen zur Zurechnungsfähigkeit des 39-Jährigen bezüglich der Anklagepunkte treffen zu können. Doch auch aus einem anderen Grund: "Es ist kein guter Umstand, dass die eigene Tochter Angst vor dem Vater hat."
Ein Gutachten wird beauftragt und der Prozess ausgesetzt. Dann wird erneut verhandelt – "wohl nicht vor dem Frühjahr", sagt der Richter.