Es sind Momente wie dieser, in denen der Marktsteinacher Stefan Antel ganz sicher weiß, dass er alles richtig gemacht hat. November, stockdunkle Nacht, irgendwo ganz weit draußen auf dem Atlantischen Ozean. Plötzlich leuchtet das Wasser rund um Antels Boot „Soulmate at Sea“ grün. Und vor dem Katamaran, den Antel und seine mexikanische Frau Leech für ihre vierjährige Weltumsegelung nutzen, tummeln sich die Delfine. Sie springen aus dem Wasser, gleiten elegant durch die Fluten und begleiten das Schiff eine Weile. Wenn das Wasser spritzt, leuchtet die Gischt in Regenbogenfarben. Dann hört das Fluoreszieren der Algen einfach wieder auf. Die Dunkelheit der See übernimmt. Die Delfine schwimmen davon. Aber irgendwie fühlen sich Stefan und Leech geborgen.
Blauer Himmel und strahlender Sonnenschein
„Bis jetzt haben wir keine Sekunde bereut“, erzählt Antel. Als er das am Telefon sagt, ist es gerade morgens in der Karibik. Der Katamaran segelt Richtung San Juan, der Hauptstadt von Puerto Rico. Der Himmel: strahlend blau. Die Sonne: scheint. Das Wetter: super. Man muss schon an sich halten, um nicht neidisch zu sein.
Schon Anfang Dezember war die Atlantiküberquerung geschafft, 6100 Kilometer nur Wasser, von den Kapverdischen Inseln aus ins karibische St. Lucia, zwischen Martinique und Barbados gelegen. Im Juni begann die große Reise von Stefan und Leech Antel im französischen La Rochelle. Seither segelten sie erst über Gibraltar ins Mittelmeer, fuhren entlang der spanischen und französischen Küste, waren auf Mallorca, Menorca, Ibiza, bevor es im Herbst wieder Richtung Atlantik ging und dann im November gemeinsam mit 72 anderen Booten zur Atlantiküberquerung.
Eine Geschichte aus den 1980er-Jahren erklärt den Ursprung des Abenteuers am besten. Damals sitzt Antel mit einem Freund am Ellertshäuser See in der Abendsonne. Sie machen gerade den Segelschein, schauen versonnen aufs Wasser und sind sich einig: Weltumsegelung, das wär's. Sein Freund, erzählt der heute 47 Jahre alte erfolgreiche Geschäftsmann, hat jetzt Familie, ist gebunden. Doch Antel lebt seinen Traum. „Ich hatte viel Glück in meinem Leben, habe viele Jahre für meinen Traum gelebt und kann ihn mir erfüllen.“
Zwölf Jahre in Mexiko
Antel arbeitete zwölf Jahre in Mexiko, war Geschäftsführer einer aus Göppingen stammenden Firma für Umformtechnik. Ihm war es zu verdanken, dass in Mexiko die vorher unbekannte duale Berufsausbildung wie in Deutschland etabliert wurde. Man brauchte Werkzeugmacher in der Firma, es gab sie nicht. Also baute Antel mit Hilfe der mexikanischen Behörden ein Berufsschulzentrum auf, in dem vor fünf Jahren 25 Auszubildende als Werkzeugmacher und Maschinenschlosser begannen. Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Antel hat das Kapitel Industrie geschlossen und ein Neues in seiner Lebensgeschichte aufgeschlagen. Der Firma geht es gut, „sie sind ausgebucht auf Jahre“, so dass er guten Gewissens seinen Job kündigte, um seinen Traum mit seiner aus Acapulco stammenden Frau zu leben. „Ich wollte schon immer mehr als ein normales Leben, die Welt sehen.“
Immer was zu tun
Genau das tut er. Und ist überrascht von sich selbst. „Viele Freunde haben gesagt, das schaffst du gar nicht, das hälst du nicht aus ohne Arbeit. Doch, tue ich. Der Stress ist der selbe wie im Büro, man hat ja dauernd was zu tun auf dem Boot. Aber ganz ehrlich: Bis jetzt war kein Segeltag schlechter als ein Tag im Büro.“ Natürlich war nicht alles sofort Friede, Freude, Eierkuchen. Eine kleine Weile hat es schon gebraucht, bis sich die Antels mit ihrem Leben auf dem Boot angefreundet hatten.
Als sie in La Rochelle mit ihrem mit allem seemännisch Notwendigen wie Satelliten-Navigation und noch einigen Annehmlichkeiten mehr ausgestatteten Katamaran, der so viel Wert ist wie ein schickes Einfamilienhaus, in See stachen, zeigte ihnen Mutter Natur was eine Harke ist. Bei Gewitter und Sturm ging es Richtung Biskaya. „Da rumpelt's schon mal in der Kiste“, erzählt Antel, doch zum Glück hatten sie zwei Trainer für die ersten beiden Wochen an Bord.
Gute Vorbereitung
Natürlich haben beide alle für das Abenteuer Weltumsegelung nötigen Segelscheine, alleine schon deswegen, weil das Boot unter deutscher Flagge fährt und eine solche Tour sonst gar nicht erlaubt wäre. Doch Eingewöhnungszeit brauchte man trotzdem. „Irgendwie ist man ja doch Landleben gewöhnt. Wenn man auf einem Boot etwas achtlos hinstellt, fällt es sofort runter. Jetzt ist das Boot unser Zuhause.“ Antel kann auch gar nicht sagen, wo es ihm bisher am besten gefallen hat, denn im Prinzip war jede Insel ein Erlebnis, „die Menschen überall nett“. Das bestätigen auch die bisherigen Mitfahrer. Der Katamaran hat drei Kabinen, bis zu vier Gäste können eine Weile mitsegeln. Die Route in den nächsten Wochen ist schon klar. Von Puerto Rico geht's über die Bahamas nach Miami. Gerade dieser Teil der Karibik dürfte Filmfans bekannt sein, wurde hier doch der Blockbuster „Fluch der Karibik“ mit Jonny Depp gedreht.
Von Miami geht es über Kuba zurück in die alte Heimat Mexiko, wo die Antels auf der Halbinsel Cancun lebten. Ob es schon Anfang Juni weiter geht zu den Cayman Inseln und Jamaica und der Durchquerung des Panama-Kanals, ist noch offen. Es könnte sein, dass die Hurrikan-Saison in der Karibik im Sommer eine Pause bis in den Herbst nötig macht.
Von Polynesien bis Afrika
Die weitere Route aber lässt Seefahrer-Herzen laut pochen: Nach der Durchquerung des Panama-Kanals segelt die „Soulmate at Sea“ zu den Galapagos-Inseln, danach ist man wochenlang auf See, bis man in Polynesien ankommt. Von dort soll es 2018 nach Neuseeland und Australien gehen. An der Ostküste entlang, vorbei am weltbekannten Great Barrier Reef, segelt man über Papua Neuguinea nach Indonesien, Malaysia, Vietnam und Thailand und im Golf von Bengalen nach Indien sowie über den Äquator nach Tansania. 2019 stehen Madagaskar, die Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung und die Rückkehr über den Südatlantik nach Brasilien an. Entlang der Küste geht es über Venezuela in die Karibik und zurück nach Mexiko.
Im Moment genießen Leech und Stefan Antel ihre Reise in vollen Zügen. Überlegungen, was sie ab 2020 machen, gibt es keine konkreten. Nur einen Traum: „Wir wollen frei sein, genießen und mal ein Hotel am Strand haben.“ Und Stefan Antel weiß ja, wie das mit seinen Träumen ausgeht. Sie werden wahr.
Daten & Fakten
ONLINE-TIPP
Viele Bilder aus den vergangenen Monaten unter www.mainpost.de/schweinfurt
Videos von der Atlantiküberquerung und dem Leben an Bord gibt es unter www.facebook.com/soulmateatsea