Zwei Wochen brauchte der Bauarbeiter, um mit dem schweren Bohrhammer das Loch für die funkelnagelneue Eingangstür zu dem ehemaligen Gefängnis im Samtturm durchzubrechen. "Der Mörtel war hat wie der vermauerte Kalkstein", sagt Architekt Werner Stretz über die Knochenarbeit. Eingerichtet war das Verlies vermutlich für hohe oder zumindest betuchte Herrschaften. Licht brachte in die vier Quadratmeter große runde Zelle in kleines Fenster in fünf Meter Höhe. Absoluter Luxus war der eingebaute Abtritt (Toilette/Abort).
Der höhste Punkt der Stadtbefestigung
Welche Funktion die im Gefängnis vorgefundene handgeschmiedete Eisenstange hat, ist ungeklärt. Diese reicht bis in den darunter liegenden Hohlraum, der an eine Brunnenstube erinnert, aber wohl keine solche war, denn genau hier ist die höchste Stelle der ehemaligen Stadtbefestigung, weshalb in dem bis zum Fels reichenden Schacht wohl kaum Grundwasser gefördert wurde. Vollends erkundet ist die Geschichte des vielfach erweiterten und umgebauten Samtturms nicht. Geklärt ist allerdings die Herkunft des Namens, der nichts mit Stoffen und nichts mit dem verbauten Sandstein zu tun hat, sondern aus dem Französischen kommt. Le Sommet heißt der Gipfel und steht für den höchsten Punkt der Stadtbefestigung.
Das Bild der Reichsstadt prägten einst etwa 40 Türme, darunter Tortürme, Treppentürme- und Kirchentürme, aber vor allem die Türme der auf einem hohen Wall errichteten Stadtmauer. Von der Stadtbefestigung steht nicht mehr viel. Eindrucksvoll präsentieren sich die Reste an der Ostseite der Altstadt (Oberer und Unterer Wall). Weitere Zeugen dieser Zeit sind an der Neuen Gasse mit den auf die Stadtmauer aufgesetzten Häusern und von der Neutorstraße und weiter durch den Theaterpark und an der Schultesstraße zu finden.
Der in zwei Jahren sanierte Samtturm ist nun eines der Schmuckstücke aus der Zeit von vor 1437 und bis zum Ende der Reichsfreiheit. Das einst auch Eckturm genante Gemäuer stellte nach Abschluss der Sanierug Oberbürgermeister Sebastian Remelé der Presse vor.
Der sanierte Samtturm wertet den Eingang zur Grünverbindung vom Obertor zum Main gewaltig auf und war der letzte Bauabschnitt für das grüne Band im Osten der Stadt. Vor der Sanierung des Gebäudes waren die angebauten Garagen und Aufgangsbauwerke aus Beton aus den 1960er-Jahren zu beseitigen. Neu erschlossen ist das Untergeschoss. In das tiefe Verlies führten früher nur eine kleine Falltüre und ein Seil. Bei 30 auf 30 Zentimeter durften die Gefangenen nicht allzu korpulent gewesen sein. Der Hinweis in einem Plan aus dem Jahr 1645, der eine Tür zum Gefängnis auswies, stellte sich während der Sanierung als nicht zutreffend heraus.
Ausstellung zur Stadtgeschichte
Im Eingang zum Gefängnis zeigt eine kleine Ausstellung Forschungsergebnisse und Grabungsfunde. Besucher können den Samtturm allerdings nur im Rahmen von Stadtführungen besichtigen. Eine andere Nutzung des Unter- und der zwei über die Außentreppe zu erreichenden Obergeschosse scheitert an den Platzverhältnissen.
Remelé dankte bei der Übergabe den Mitarbeitern der städtischen Sanierungsstelle und der Städtebauförderung. Letztere ist für einen großen Teil der Kosten von 760 000 Euro aufgekommen. "Es hat sich gelohnt. Wir haben jetzt einen einen weiteren und guten Eindruck von der Stadtbefestigung. Schweinfurt ist wieder ein bisschen schöner geworden", so der OB.
Erste Berichte über das "Eckthurmle" stammen von 1561. Damals ließ die Stadt den Befestigungsturm wieder errichten, nachdem Schweinfurt im Markgräflerkrieg 1554 schwer verwüstet worden war. Nur der Turmsockel und der Schacht hatten das Stadtverderben überstanden. Über die Jahrhunderte hatte der Turm mehrere und wechselnde Funktionen. Neben seiner Bedeutung als Verteidigungsanlage war er Teil des dezentralen Gefängnissystems der nachmittelalterlichen Reichsstadt.
Bausünden im 20. Jahrhundert
Nachdem Schweinfurt 1802 bayerisch geworden war, wurde der Turm 1805 versteigert. In den folgenden Jahrzehnten wechselten mehrfach die Besitzer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der gesamte Bereich neu geordnet, wobei historische Gebäude, die den Krieg überstanden hatten, abgebrochen wurden. Stehen blieben der Turm und ein Teil der Stadtmauer.
Beide wurden beim Bau des Gretel-Baumbach-Hauses der Arbeiterwohlfahrt in die Außenanlagen integriert. Allerdings wurden dabei auch Teile der Stadtmauer direkt am Turm abgebrochen und Betongaragen angebaut. Nach über fünf Jahrzehnten ist nun dieser Abschnitt der Stadtbefestigung wieder erlebbar gemacht.