Die finanzielle Situation der Stadt Gerolzhofen ist alles andere als rosig. Deshalb hatte die Stadt beim Freistaat Bayern um finanzielle Unterstützung in Form einer so genannten Stabilisierungshilfe gebeten. Doch der Antrag wurde - wie ausführlich berichtet - Ende 2021 abgelehnt. Über die Gründe, warum Gerolzhofen hinten runterfiel, gab es zunächst keine Informationen. Die Stadt habe zwar alle Voraussetzungen erfüllt, hatte Kämmerer René Borchardt noch Anfang Dezember 2021 in der Stadtratssitzung beteuert. "Warum wir aber abgelehnt wurden, wissen wir nicht." Doch jetzt gibt es Klarheit.
Zur Vorgeschichte: Angesichts einer Schuldenlast von um die acht Millionen Euro liegt die Pro-Kopf-Verschuldung der Stadt Gerolzhofen sehr deutlich über dem bayerischen Landesdurchschnitt. Alle anderen vergleichbaren Kommunen, als da wären Volkach, Haßfurt, Kitzingen, Ochsenfurt, Ebern, Neustadt/Aisch, Uffenheim, Bad Windsheim, Hammelburg, Höchstadt/Aisch, Bad Königshofen und Karlstadt, haben weniger Schulden. Hauptursache für den hohen Schuldenstand in Gerolzhofen ist das Geomaris. Ohne die Sonderbelastung durch das Schwimmbad würde die Pro-Kopf-Verschuldung der Stadt ziemlich genau um den bayerischen Landesdurchschnitt pendeln.
Funktion als Mittelzentrum
Gerolzhofen als Mittelzentrum hält mehrere kommunale Einrichtungen vor, die auch von Bürgerinnen und Bürgern der Region genutzt werden. Dazu zählt auch das Geomaris. Die umliegenden Gemeinden haben aber die Bitte, sich angemessen am alljährlich auflaufenden Betriebsdefizit des Bades zu beteiligen, dankend abgelehnt.
Der Stadtrat war sich bereits 2020 einig, den Freistaat um finanzielle Unterstützung in Form einer Stabilisierungshilfe zu bitten. Denn trotz des hohen Schuldenstands muss die Stadt weitere Millioneninvestitionen bewältigen, zum Beispiel in das Kanalnetz und in die Kläranlage. Diese Investitionen kann Gerolzhofen wegen gesetzlicher Vorschriften nicht auf die lange Bank schieben, sondern muss sie anpacken.
Was bedeutet nun der Begriff Stabilisierungshilfe? Das Ganze ist in Artikel 11 des Bayerischen Finanzausgleichsgesetzes geregelt. Stabilisierungshilfen sollen Kommunen, die als strukturschwach gelten beziehungsweise von der negativen demografischen Entwicklung besonders getroffen sind und sich unverschuldet in einer finanziellen Schieflage befinden, als "Hilfe zur Selbsthilfe" dienen. Allerdings: "Die Einhaltung eines stringenten Konsolidierungskurses einschließlich der Erstellung eines Haushaltskonsolidierungskonzepts ist in diesem Zusammenhang unerlässlich", betont das Bayerische Finanzministerium auf seiner Homepage.
Überraschende Antwort aus München
Die Ablehnung der Stabilisierungshilfe für die Stadt - offenbar noch dazu ohne Begründung - hat einen politisch interessierten Bürger aus Gerolzhofen so verärgert, dass er sich schriftlich an das Bayerische Finanzministerium in München wandte und nach den konkreten Gründen für die Ablehnung fragte. Entgegen seiner Erwartung erhielt der Gerolzhöfer tatsächlich eine Antwort. Ministerialrat Markus Putz schreibt in seiner Mail, Voraussetzung zur Gewährung von Stabilisierungshilfen sei die "kumulative Erfüllung" von drei Kriterien: Vorliegen einer strukturellen Härte, Vorliegen einer finanziellen Härte und das Vorhandensein eines nachhaltigen Konsolidierungswillens. Man habe Gerolzhofen keine Stabilisierungshilfe gewähren können - "mangels Erfüllung der Voraussetzungen". Die Regierung von Unterfranken habe die Ablehnungsgründe dann der Stadt per Bescheid übermittelt.
Erst nach der Stadtratssitzung
Auf Nachfrage der Main-Post bestätigt die Regierung von Unterfranken, dass Gerolzhofen die Gründe für die ablehnende Entscheidung des Finanzministeriums schriftlich bekommen hat - mit Bescheid vom 3. Dezember 2021, also erst nach der Dezember-Stadtratssitzung. Der Pressesprecher der Bezirksregierung, Johannes Hardenacke, konkretisiert zudem die Auskunft aus München: Gerolzhofen habe zwei von drei Voraussetzungen für die Stabilisierungshilfe nicht belegen können. Erstens sei das Kriterium der "strukturellen Härte" nicht erfüllt, so Hardenacke. "Darüber hinaus wurde auch kein Stadtratsbeschluss zu einem Haushaltskonsolidierungskonzept vorgelegt."
Reichte der Stadtratsbeschluss nicht aus?
Dass angeblich kein Stadtratsbeschluss mit einem Haushaltskonsolidierungskonzept vorgelegt worden sei, kann René Borchardt, Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft, nicht nachvollziehen. Der Stadtrat habe bereits am 3. Mai 2021 in nichtöffentlicher Sitzung einen "Zehn-Punkte-Plan" beschlossen, wie man den Haushalt in den Griff bekommen will. Aber offenbar habe dieser Beschluss in München nicht ausgereicht, so Borchardt.
Dass Gerolzhofen laut Bescheid zudem auch das Kriterium der "strukturellen Härte" nicht erfüllt, das hat den Kämmerer hingegen nicht überrascht. Er habe schon vor dem Einreichen des Antrags Kontakt mit München gehabt und bereits da sei darauf hingewiesen worden, dass die "strukturelle Härte" wohl der Knackpunkt werden könnte, so Borchardt.
Definition von struktureller Härte
Eine strukturelle Härte liegt nur dann vor, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
- eine geringe Steuerkraft der Gemeinde, die die vergangenen fünf Jahre mindestens um 20 Prozent unter dem Niveau vergleichbarer Kommunen liegt
- ein überdurchschnittlicher Einwohner-Rückgang von mindestens fünf Prozent in den zurückliegenden zehn Jahren
- eine geringe Einwohnerzahl im Verhältnis zur Fläche der Kommune
- eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche Leistungskraft, zum Beispiel hohe Arbeitslosenquote, Insolvenz großer Betriebe oder schlechte Verkehrsanbindung.
Alle diese vier Voraussetzungen - und da braucht man kein großer Experte zu sein - treffen auf die Stadt Gerolzhofen nicht zu. Ob der Stadtrat nun noch einmal einen Versuch starten wird, an Geld aus der Stabilisierungshilfe zu kommen, bleibt abzuwarten.
Eine Förderung des Geomaris aus Landesmitteln ist zu begrüßen, über welches Verwaltungskonstrukt auch immer. Nur gute Schwimmer sind sicher an und in den hiesigen Gewässern unterwegs, und Schwimmen lernt man nicht in der Badewanne.
Das ist die Ursache für das bis heute ungelöste finanzielle Dilemma der Stadt. Und jetzt für das eigene politische Versagen der damaligen Kandidaten (der heutige Bürgermeister und ein Stadtrat) die Nachbargemeinden zur Kasse bitten zu wollen, ist einfach nur lächerlich. Keine Gemeinde hat so eine Forderung an das "Mittelzentrum" gestellt. Die Pandemie ist auch nicht Schuld.
Der Verweis auf Ausgaben für Kanal und Kläranlage ist falsch. Diese Ausgaben werden zu 100% vom Bürger über Abgaben eingezogen, belasten den Haushalt der Stadt also nicht wirklich.