Kämpfen. Um jede Stimme. Bis zur letzten Sekunde. Das scheint das Motto der Bayern-SPD zu sein. Fast noch stärker als „Zeichen setzen“, der Slogan den Spitzenkandidatin Natascha Kohnen gewählt hat.
Am diesem Freitagabend trifft beim Endspurt mit Landeschefin Natascha Kohnen und Bundesvorsitzender Andrea Nahles in der ESKAGE-Halle beides zusammen: Kampfgeist und die Hoffnung, doch noch Zeichen setzen zu können. Gut 48 Stunden vor einer Landtagswahl, die laut Umfragen mit erheblichen Verlusten für die etablierten Parteien verbunden sein wird.
Rote Fahnen überall
Die Halle ist proppenvoll, rote Fahnen überall, Shirts „#zeichensetzen“ sieht man öfter. Wer hier sitzt und jubelt, glaubt an die Sozialdemokratie, ist ihr treu. Überzeugt werden, am Sonntag die SPD zu wählen, muss im Saal wohl niemand. Trotzdem sind die Frauen auf dem Podium (Kohnen, Nahles, die stellvertretende Landesvorsitzende Marietta Eder, ihre Kollegin Johanna Uekermann und Landtagskandidatin Kathi Petersen) mit Leidenschaft dabei, genau das zu tun: Gründe liefern, warum man die SPD wählen sollte.
Langen Atem haben
„Du bist unsere Spitze“, gibt Marietta Eder Kohnen mit auf den Weg zum Podium. Eder sieht Kohnen und die SPD als Garanten für ein offenes und tolerantes Bayern. Eine Vorlage, die die Spitzenkandidatin aufgreift. „Wenn man etwas ändern will, braucht man einen langen Atem. Bei der Wahl gehe es nicht um Stabilität oder Chaos, wie es die CSU formuliere. „Unsinn – Bayern bleibt erfolgreich“, sagt sie, auch wenn sich die Verhältnisse ändern würden. „Es geht um verdammt viel.“ Nämlich darum, ob sich die Menschen sicher fühlen an dem Platz, den sie in der Gesellschaft haben.
In einem SPD-Bayern habe jeder seinen sicheren Platz in der Gesellschaft. Zusammenhalt fordert sie, so wie später Nahles. Und natürlich lässt sie – wie Nahles – kein gutes Haar an der CSU. „Die CSU ist der Herd der Instabilität in unserem Land, in Bayern und im Bund.“ Dafür gibt es donnernden Applaus.
Kohnen und Nahles machen sich genüsslich lustig über die Weltraumpläne von Ministerpräsident Markus Söder. Wohnungen seien viel wichtiger, so Kohnen. Gebührenfreiheit für Kindergärten auch, so Nahles.
Plädoyer für gesetzliche Rente
Als Andrea Nahles auf die Bühne kommt, ist der Saal gut aufgewärmt. Sie steigt trotzdem nicht gleich in die Politik ein, sondern baut erst mal eine Brücke vom Saal der Faschingsgesellschaft ESKAGE zu ihrer rheinischen Heimat. Hat sie wohl nicht erwartet, in einer Faschingshochburg aufzutreten. Man hat sofort das Gefühl, sie ist in ihrem Element. Sie spricht gestenreich, bindet das Publikum ein. Es ist ihr anzuhören, dass sie viel und laut und emotional geredet hat in den letzen Tagen und Wochen. Fraktionsvorsitzende im Bundestag – das sei nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, sagt sie. Das liege an den Treffen mit gewissen Leuten. Alexander Dobrindt zum Beispiel. Das Publikum seufzt. Wie beim Namen Seehofer.
Nächstes Thema: Rente. Hier wird Nahles noch eine Spur emotionaler. „Wir Sozis geben Geld lieber für Rente aus als Verteidigung.“ Alle müssen in die Rentenversicherung einzahlen, auch die Selbstständigen, fordert sie unter Beifall. Und die gesetzliche Rentenversicherung müsse die wesentliche Säule bleiben.
Hilfe für gut integrierte Flüchtlinge
Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz sei auf das Nichtlockerlassen der SPD zurückzuführen. Dahinter stehe auch der Wille, Haltung zu zeigen, statt zu taktieren. Und Flüchtlingen zu helfen, die arbeiten, integriert sind, „alles richtig machen“.
Zur SPD gebe es bei der Wahl keine Alternative, sagt Nahles. „Wer die Grünen wählt, wacht am nächsten Morgen mit Markus Söder auf.“
Nach der Rede das Bad in der Menge
Nach der Rede muss Nahles das Bad in der Menge mit einem Pulk von Fotografen und Fans kurz unterbrechen. Ein Mann steht plötzlich da und geht sie lautstark an, weil er Hartz IV für ungerecht hält. Den gleichen Auftritt hat ein Kollege am Pressetisch vor kurzem bei einer CSU-Veranstaltung erlebt. Andere im Saal wohl auch. „Der schon wieder“, kommt es genervt aus der Schlange zum Getränke-Verkauf.
Landtagskandidatin Kathi Petersen löst die Spannung, indem sie aufs Podium geht und schildert, wie sich die SPD für Verbesserungen für Hartz-IV-Empfänger einsetzen will. Der Mann wird derweil nach draußen begleitet. Muss bei der CSU-Veranstaltung ähnlich gewesen sein, sagt der Kollege.