Die SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen lässt kein gutes Haar an Ministerpräsident Markus Söder und fordert in der politischen Debatte eine Rückkehr zu den Sachthemen. Mit welchen Themen die SPD die bayerischen Wähler für sich gewinnen will und wie sie über eine Koalition mit der CSU denkt, erklärt die 50-Jährige im Interview.
Frage: Sahra Wagenknecht gründet eine linke Sammlungsbewegung namens „Aufstehen“. Braucht linke Politik in Deutschland eine solche Reanimationsmaßnahme? Und warum kommt so etwas nicht von der SPD?
Natascha Kohnen: Wer in Deutschland etwas bewegen will, dem bieten demokratische Parteien viele Möglichkeiten. Eine solche „Bewegung“ ist das letzte, was wir brauchen. Zumal nicht klar ist, was sie eigentlich genau will. Es geht da wohl vor allem um die eigenen Interessen von Frau Wagenknecht von der Linkspartei.
Festzuhalten bleibt aber, dass linke Politik in Deutschland aktuell keine Mehrheit hat – schon gar nicht in Bayern.
Kohnen: Die SPD hat in den vergangenen Jahren einige Dinge nicht klar genug formuliert. Das tun wir gerade. Da geht es um die Fragen, wie wir uns ein soziales Europa vorstellen, den Welthandel, den Klimaschutz. Da brauchen wir eine echte Kontur. In Bayern haben wir den Fehler gemacht, dass wir mit einem großen Bauchladen an Themen herumgelaufen sind. Da haben sich die Leute gefragt, für was die SPD wirklich steht. Nun haben wir unsere Schwerpunktthemen stark zugespitzt: bezahlbares Wohnen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Veränderungen in der Arbeitswelt.
Diese Themen hat die SPD in der Vergangenheit auch besetzt, stellte in allen Großen Koalitionen den Arbeits- und Sozialminister. War das, was dabei rauskam aber dann nicht links genug?
Kohnen: Ich halte nichts von Links-Rechts-Debatten. Die SPD muss die Fragen beantworten, die den Menschen täglich begegnen.
Trotzdem verliert die SPD in Umfragen dramatisch. Werden die Themen nicht laut genug vorgetragen?
Kohnen: Lautstärke ist kein Qualitätsmerkmal in der Politik. Im Gegenteil: Die Herren Söder und Seehofer sind ja gerade sehr laut beim Thema Asyl. Sie spalten die Gesellschaft mit hetzerischer Sprache. Und leider sind dabei viele wichtige Themen in den Hintergrund gerückt. Mir geht es um einen sehr sachlichen und ernsthaften Stil in der Politik. Wir gehen an die Themen ran, die jeden berühren: In Umfragen zeigt sich nämlich, dass ein Thema die Menschen viel mehr beschäftigt: Mieten und Wohnen.
Wie sieht hier Ihre Lösung aus?
Kohnen: Wir sagen seit Jahren, dass sich der Freistaat beim sozialen Wohnungsbau beteiligen muss. Bisher haben die Kommunen gebaut und in den letzten vier Jahren hat der Bund auch mitgemacht: Die SPD hat im Bund die Mittel verdreifacht – der bayerische Finanzminister hat die Mittel halbiert. Die CSU argumentierte, das sei nicht Aufgabe des Landes. Das war ein Kapitalfehler, der zweite war der Verkauf der GBW-Wohnungen. Die 33 000 Wohnungen hätten der Grundstock für die staatliche Wohnbaugesellschaft sein können, jetzt muss man bei Null anfangen. Söder kündigt seit Februar sehr zaghaft für die nächsten sieben Jahre 10 000 Wohnungen an. Das sind 0,6 Wohnungen pro Kommune pro Jahr. Das ist ein Witz.
In ländlichen Gebieten gibt es Leerstände.
Kohnen: Das liegt aber daran, dass die ländlichen Räume nicht gefördert wurden. Die Internetanbindung ist mangelhaft. Wir brauchen Glasfaser so wie es die Schweden machen, wo jedes Haus einen Glasfaseranschluss hat. Das zieht Unternehmen an. Und wir müssen den öffentlichen Nahverkehr verbessern. Man braucht stündlich einen Bus in die Dörfer. Ja das kostet, aber das lässt sich darstellen. Genauso wie das mittelfristige Ziel eines kostenlosen ÖPNV.
Aus der Opposition heraus lässt sich das relativ schwierig realisieren. Zuletzt sagten Sie aber, Sie wollten sich „gar nicht vorstellen, mit Herrn Söder zu koalieren“. Außerdem meinten Sie, er unterscheide sich in seiner Sprache kaum von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland. Und beim Thema GBW-Verkauf warfen Sie ihm vor, er führe die Menschen hinters Licht. Wäre Schwarz-Rot in Bayern für Sie nur ohne einen Ministerpräsident Söder denkbar?
Kohnen: Ich will nicht, dass wir anfangen Koalitionsfarbenspielchen zu spielen. Denn als nächstes kämen die Personalfragen und dann würden wir bis zum Wahltag gar nicht mehr über Inhalte reden.
Potenzielle SPD-Wähler dürfte es schon interessieren, ob Sie Söder jetzt kritisieren und im Oktober doch mit ihm regieren würden.
Kohnen: Dass ich mir eine Koalition mit Herrn Söder nicht vorstellen will, ist schon eine sehr klare Aussage darüber, was ich von Herrn Söder halte.
Wie sehr belastet es die Bayern-SPD, dass die SPD im Bund mit der Union wieder koaliert hat?
Kohnen: Die Sozialdemokratie ist in einer schwierigen Phase, das trifft auch die anderen Landesverbände. Da müssen wir gemeinsam raus. Es ist aber gut, wenn man in Berlin regiert und gestalten kann. Und wenn wir nicht Regierungsverantwortung gezeigt hätten, hätte es Neuwahlen gegeben. Das hätte uns in Deutschland nicht gut getan. In Berlin sitzen wir mit der CSU in einem Boot und müssen ihr jetzt klar machen, wie man anständig regiert.
Sie fordern vor allem einen besseren politischen Stil in Deutschland – meinen Sie damit vor allem die CSU?
Kohnen: Ja, die CSU ist außer Rand und Band geraten. Söder und Seehofer haben einen Korken aus der Flasche gezogen und da ist ein Geist herausgekommen, den sie nicht mehr einfangen können. Ich glaube, die Anstandsfrage kann eine ganz wahlentscheidende werden – gerade bei den vielen unentschlossenen Wählern. Wir brauchen wieder mehr Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit. Politiker haben eine Vorbildfunktion. Es muss ein moralisches Verantwortungsgefühl in der Politik geben und das ist den beiden Herren flöten gegangen.
Im übrigen waren es doch vor allem die Medien, die Seehofer weg haben wollten und Söder als Heiland geradezu herbeigeschrieben haben.
P.S.: hätte beim Freischalten eigentlich auffallen können ?!?!
Dass die SPD diese in jüngster Vergangenheit aus den Augen verloren hat ist tragisch, macht sie aber alles andere als obsolet.