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Schweinfurt
Sohn als Zeuge in Schweinfurter Missbrauchsprozess: "Der Angeklagte ist nicht mehr mein Vater"
Ein 56-Jähriger soll sich 36 Mal an seiner minderjährigen Tochter vergangen haben. Die Ex-Schwägerin nimmt kein Blatt vor den Mund.
Das Landgericht und Amtsgericht Schweinfurt
Foto: Anand Anders | Das Landgericht und Amtsgericht Schweinfurt
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 02.04.2025 02:38 Uhr

Fünfter Verhandlungstag. Der Behelfsgerichtssaal in der Theresienstraße von der Größe eines Wohnzimmers ist erneut gut gefüllt, als ein Polizeibeamter vor dem Schweinfurter Schöffengericht erläutert, wie der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs des Angeklagten an seiner Tochter amtsbekannt wurde: Er stand in einem Brief seiner Ex-Schwägerin an ihren im Gefängnis einsitzenden Sohn. Der wurde gelesen und gleich an den Staatsanwalt weitergereicht, der Ermittlungen aufnahm.

Das Ergebnis: Im Zeitraum 2008 bis 2011 soll sich der Vater immer wieder nachts zu seiner minderjährigen Tochter ins Bett gelegt und sie sexuell missbraucht zu haben, ohne in sie einzudringen. Zur Tatzeit sei das Kind elf bis 14 Jahre alt gewesen. Die Übergriffe sollen erst geendet haben, als die Mutter eines Nachts Geräusche aus dem Zimmer des Mädchens wahrgenommen und ihren Mann in flagranti ertappt habe, heißt es in der Anklageschrift. Das Mädchen habe sich lange nicht getraut, ihren Vater anzuzeigen, weil in ihrer Kultur jeder Ungehorsam gegen die Eltern aus religiösen Gründen verboten sei. Erst 2017 sei sie mithilfe einer befreundeten Mitschülerin in ein Frauenhaus geflüchtet.

"Da muss etwas Extremes passiert sein"

Erst als die junge Frau zuhause schon ausgezogen war und keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern hatte, erfuhr dies die 51-jährige Ex-Schwägerin des Angeklagten und dachte, da müsse "etwas Extremes" passiert sein. "Ist dir dein Vater an die Wäsche gegangen?", habe sie gefragt – und sofort habe das Mädchen geweint. Immer wenn sie ihren Vater in der Stadt zufällig im Auto gesehen habe, sei sie panisch geworden.

"Ein Mensch auf der Flucht, der sich nirgends zu Hause und sicher fühlt", sagt sie über die heute 28-Jährige, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt. Ihre Familie erfülle "alle Klischees", die über Menschen ihres Kulturkreises existierten: "Dass Mädchen zu Hause zu bleiben haben und nichts dürfen, dass Jungs die Paschas sind und alles dürfen, und die Mutter wurde wie ein Dienstmädchen behandelt." Dem Opfer würden Vorwürfe gemacht, weil ihr Vater im Gefängnis sei.

Der 29-Jährige Bruder des mutmaßlichen Missbrauchsopfers hätte ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht. Doch er geht in den Zeugenstand und belastet seinen Vater schwer. Von der Mutter habe er von den Jahre zurückliegenden Übergriffen nachts im Schlafzimmer seiner Schwester erfahren. Mehrfach habe er seinen Vater darauf angesprochen und "nie eine Antwort auf meine Frage bekommen". Weder habe er die Vorwürfe abgestritten, noch eingeräumt. Mutter und Tochter seien die Schlechten gewesen und alles nur eine Verschwörung gegen ihn. Manipulativ sei das gewesen, mit ihm in der Opferrolle. Zu nichts hätten die Gespräche geführt, "außer am Ende zu Drohungen und Ausrastern".

Drohungen des Vaters ernst genommen

Auch mit Mord habe der Angeklagte gedroht. "Ich fange mit dem Kleinsten an und höre bei dem Ältesten auf", habe er ihm am Telefon gesagt. Dabei habe er Mutter, Tochter und Onkel erwähnt. Die Drohungen seines Vaters habe er ernst genommen, sagt der 29-Jährige – und auf eine Frage des Schöffen: "Ich sehe den Angeklagten nicht mehr als meinen Vater an." Ob er nie erwogen habe, dass sein Vater unschuldig sein könnte, fragt einer der Verteidiger. "Nie", so der Sohn. "Seine Reaktionen auf meine Fragen haben mir gezeigt, dass die Vorwürfe wahr sind."

Was der Angeklagte dann mit seiner ersten kryptischen Erklärung in diesem Verfahren meint, versteht die Staatsanwältin nicht. Der Prozess wird am 3. April um 8 Uhr fortgesetzt.

 
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