
"Günther, drück' einmal auf die Maus bitte." Johannes Gessner, einer der drei Vorsitzenden des Passionsspielvereins, gibt kurz nach 18 Uhr das Startzeichen. Es geht digital zu auf der Freilichtbühne rund um eine Großleinwand. Bei der Online-Verleihung des "Deutschen Amateur-Theaterpreises 2020" herrschen strenge Coronabestimmungen. Der Verein hat für seine Gala lange am Hygienekonzept gefeilt. Es gibt Meldekärtchen, Einbahnstraßenregelung, Desinfektion, Mundschutz und viel Abstand zwischen den etwa 120 Zuschauern.
Marketingchef Norbert Mergenthal übernimmt mit den Vorstandskollegen Johannes Gessner und Sabine Nöth die Anmoderation und hat ein wenig Lampenfieber: Um 18.30 Uhr will sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zuschalten. Beim "Amarena"-Preis geht es schließlich um den Oscar des "Bundes der Deutschen Amateurtheater" (BDAT), der in fünf Kategorien vergeben wird. "Theater ist Leben!" nennt sich die Sparte, in der Sömmersdorf teilgenommen hat als einer von 167 Mitbewerbern, bei immerhin 3500 deutschen Laienbühnen. Bis Donnerstag durfte das Publikum seinen Sieger küren, per Online-Voting.
Wie vermeidet man körperliche Nähe und schafft dabei nicht nur große Emotionen, sondern den Glamour eines renommierten Preisträgerfestivals? Neben viel Organisationserfahrung war das Improvisationstalent der passionierten Theaterleute aus Sömmersdorf gefragt. Technikchef Johannes Gessner will noch schnell eine Laola üben, da begrüßt auch schon Amarena-Moderatorin Katharina Vötter auf der Leinwand. Ministerin Giffey bedankt sich für "Engagement, Leidenschaft, Kreativität" beim Grußwort mit doppelter Tonspur. Ein Livestream nach Berlin hat eben auch beim "Amarena" seine Tücken. Die Internet-Technik wird nachjustiert.

Bei der Vorstellung der Preisträger und deren "Videokonferenz" läuft alles glatt mit erfrischend unernsten Laudatoren und flotten Dankvideos. "Frachtwerk" aus Mainz hat in der Kategorie Schauspiel gewonnen. Für die Senioren trat das Altentanztheater "Zartbitter" aus Ludwigsburg an. In der Kategorie Kinder- und Jugendheater räumte die Geschwister-Scholl-Schule aus dem württembergischen Weingarten ab. Die sympathischen jungen Rollstuhlfahrer beweisen, dass man kein "großes Drama" machen muss, um Menschen zu bewegen. Für den "Ländlichen Raum" siegte "Spiellust Michelstadt".
BDAT-Bildungsreferent Dominik Eichhorn präsentiert dann die Gewinner des Publikum-Votings: "Ausgezeichnet wird ein Verein, der weit über das übliche Engagement beim Amateurtheater hinausgeht und der das Leben seiner Mitwirkenden nachhaltig prägt." Hier sei ehrenamtlich ein ganzes Dorf dabei, mit großer Strahlkraft. Gemeint ist Sömmersdorf, das sich mit der Passionsaufführung 2018 sowie der Don-Camillo-Inszenierung von 2016 beworben hatte. Applaus brandet hoch und eine Laola-Welle. Im Video feiert das ganze Dorf, vom Baby bis zu Seniorschauspielerin, mit Pferdegespann, Bengalo-Feuer oder temperamentvoll zerschmissener Bowle-Schüssel. "Ja, subber, wir haben gewonnen" freut sich ein rüstiger Rentner.
Am Donnerstag war das Ergebnis der Vereinsspitze schon bekanntgegeben worden, die aber "dichtgehalten" hat. Die anderen Finalisten, aus Aurich und Sankt Leon-Rot, hätten die 2000 Euro Preisgeld und die Ehre genauso verdient, stellt Mergenthal fest und verspricht Freikarten für Sömmersdorf.
Robert König feiert als Ehrenvorsitzender mit
"Heute ist ein schöner Tag", freut sich Bürgermeisterin Simone Seufert, die zusammen mit Vorgänger Arthur Arnold und Kreisrätin Gabriele Jakob die Riege der Lokalpolitik anführt. Der Preis spiegele die Wertschätzung eines "kulturellen Leuchtturms" wieder. Regisseur Hermann J. Vief darf sich zusammen mit Kollegin Marion Beyer freuen, die per Video zugeschalten wird. Robert König feiert als Ehrenvorsitzender, Marcel Martschoke als Filmexperte, in München. Beim Bewerbungsvideo wurde sichtlich nichts dem Zufall überlassen.
Die Heimatkapelle spielt Evergreens wie den "Böhmischen Traum". Dann geht die Schalte zu einem hocherfreuten Innenstaatssekretär Gerhard Eck, dessen Ehefrau Lissy Werbung für die Abstimmung gemacht hatte. Der politische Förderer könnte demnächst hoch zu Ross in Sömmersdorf einreiten, schließlich steht für Sommer 2021 "Robin Hood" auf dem Programm, der im Trailer schwungvoll beworben wird. Angesichts vieler Corona-Unwägbarkeiten sind im Herbst statt einem Kartenvorverkauf Reservierungen vorgesehen. "Ein Hoch auf das, was vor uns liegt." Die Vereinsverantwortlichen sammeln die Helfer auf der Bühne, feiern Teamgeist und den Sensations-Erfolg mit der WM-Hymne. Als Überraschung gibt es nach fast vier Stunden Feier noch einen Kracher, in Form eines Feuerwerks.