Eine gute Nachricht in schlechten Zeiten: Der Sömmersdorfer Passionsspielverein hat es ins Finale um den Deutschen Amateur-Theaterpreis "amarena" geschafft. "Wir sind unter den letzten Drei", freut sich Vorstandsmitglied Norbert Mergenthal über diesen Erfolg. Erst im Februar, kurz vor Abgabeschluss, hatte der Verein sich beworben. Das erste Mal überhaupt und mit einem selbst erstellten Konzept, ohne Hilfe einer PR-Agentur. Die Jury hat es überzeugt. Unter 167 Bewerbungen wurde Sömmersdorf für die Endrunde ausgewählt.
Der Preisträger soll im Rahmen einer Gala im September in Friedrichshafen per Zuschauervoting ermittelt werden. Angesichts der Corona-Pandemie ist allerdings noch offen, ob die Veranstaltung wie geplant vor Publikum stattfinden kann. Sollte dies nicht möglich sein, erwägt der ausrichtende Bund Deutscher Amateurtheater e.V. (BDAT) ein Online-Streaming der von der Jury nominierten Inszenierungen und eine virtuelle Preisverleihung.
Den Sömmersdorfern wäre freilich eine Live-Gala viel lieber. Es wurden nämlich schon Pläne gemacht, einen großen Bus für die Schauspieler und Fans nach Friedrichshafen zu chartern. Dieses Vorhaben liegt jetzt erst einmal auf Eis.
167 Bewerbungen für den amarena-Preis
Alle zwei Jahre schreibt der Bund Deutscher Amateurtheater e.V. den bundesweiten dotierten amarena-Preis aus. 2020 war es das sechste Mal. "Es ist der DFB-Pokal für Laienbühnen", beschreibt Norbert Mergenthal die Bedeutung dieses Preises. Bewerben kann man sich in den Kategorien Schauspiel, Kinder-/Jugendtheater und Seniorentheater sowie in diesem Jahr erstmals in den Bereichen "Inszenierungen im ländlichen Raum" und "Theater ist Leben". Letzteres hat der Sömmersdorfer Passionsspielverein ausgewählt und sich mit der Passionsaufführung 2018 sowie der Don-Camillo-Inszenierung von 2016 beworben.
Von den bundesweit 3500 Laienbühnen haben 167 eine Bewerbung bei dem Wettbewerb 2020 eingereicht. Die Bandbreite der Inszenierungen erstreckt sich vom Objekt- oder Freilichttheater über Komödie bis hin zu zeitkritischen Eigenproduktionen. Ziel des Wettbewerbs sei es, die hohe Qualität und die vielfältige Schaffenskraft des Amateurtheaters der Öffentlichkeit vorzustellen und über die künstlerische Arbeit den gesellschaftlichen Diskurs anzuregen, heißt es auf der Homepage des BDAT.
"Gerade in der Kategorie Kinder- und/oder Jugendtheater spiegeln sich in diesem Jahr die Qualitäten von Amateurtheaterproduktionen", verweist BDAT-Bildungsreferent Dominik Eichhorn auf anspruchsvolle Inszenierungen wie beispielsweise den Freilicht-Tanz-Appell gegen die Verschmutzung unserer Meere, mit dem sich das junge Theaterensemble Tollhaus aus Siegburg beworben hat. "Thematisches trifft hier auf künstlerische Vielfalt!" Doch eines vereine alle Kategorien: "Engagement und Qualität stehen im Einklang miteinander."
Die Leidenschaft für die Passion verbindet die Menschen
In diesem Jahr werden erstmals auch Inszenierungen im ländlichen Raum ausgezeichnet und in der Kategorie "Theater ist Leben!" Vereine, die das Leben ihrer Mitglieder besonders verändern. Beim Sömmersdorfer Passionsspielverein trifft gerade letzte Kategorie zu: Die Leidenschaft für die Passion prägt und verbindet die Menschen in dem 700-Einwohner-Dorf schon seit fast 100 Jahren. In den 1920er-Jahren war bei den theaterbegeisterten Mitgliedern des Männergesangvereins die Idee aufgekommen, etwas Größeres zu spielen als lustige Volksstücke oder Zimmertheater. Und man entschied sich für etwas ganz Großes: die Passion Jesu.
Was 1933 begann, entwickelte sich zu einer großen "Passion". Alle fünf Jahre wird die Leidensgeschichte dieses Mannes aus Nazareth auf die Bühne gebracht. Mittlerweile unter professioneller Regie, mit moderner Technik und auf einer neu ausgebauten Freilichtbühne. Die Passion bestimmt während der monatelangen Proben und der neunwöchigen Spielzeit den Lebensrhythmus nicht nur der 420 Vereinsmitglieder, die auf der Bühne stehen oder im Hintergrund helfen, sondern des ganzen Dorfes. "Eine Geschichte, ein Dorf, eine Leidenschaft" lautet folglich der Slogan, den der kleine Ort im Landkreis Schweinfurt für seine Fränkischen Passionsspiele kreiert hat.
Gespielt wird inzwischen aber auch außerhalb des Passionsjahres. So gab es auf der Freilichtbühne mit ihren knapp 2000 Zuschauerplätzen 2011 und 2016 zwei "Don Camillo"-Komödien. Für 2021 ist eine Robin-Hood-Inszenierung geplant.
"Alle Verantwortlichen sind entweder in unsere Passionsgeschichte hineingeboren worden oder nach ihrem Zuzug hineingewachsen", sagt Mergenthal. In Sömmersdorf gilt demnach: "Theater ist Leben". Ob der Passionsspielverein mit seinem Konzept den amarena-Preis gewinnt, wird sich beim Preisträgerfestival vom 10. bis 13. September am Bodensee zeigen. Mitbewerber sind die Theatergruppe Includo aus Baden-Württemberg und der niedersächsische Theaterverein "Familie Gassenhauer".