
"Zum Gedächtnis unserer Helden – Ehre Ihrem Andenken" – so lautet eine typische Inschrift auf einem Kriegerdenkmal, so wie in Oberlauringen. "Den im Weltkrieg 1914-1918 gefallenen Söhnen" lautet eine Inschrift auf dem Hofheimer Kriegerdenkmal. "Zur Erinnerung an den glorreichen Feldzug 1870/71" prangt in Brendlorenzen an der großen Gedenkstätte mitten im Ort. "Gott war mit uns – Ihm sei die Ehr" steht noch als Ergänzung mit dabei.
Zu viel Ehre, zu wenig kritische Reflexion, findet Kulturanthropologin und Historikern Dagmar Stonus, die derzeit in Oberlauringen mit der Neugestaltung des Umfeldes um das Friedrich-Rückert-Poetikum beschäftigt ist. Nur wenige Meter daneben steht eben jenes Kriegerdenkmal, das den Heldentod glorifiziert. Sie verfolgt eine Neubewertung des Denkmals und begreift dies als Chance für einen gemeinsamen Meinungsbildungsprozess im Kontext der aktuellen Neugestaltungspläne am Plan.

Nicht nur in Oberlauringen, auch an vielen anderen Orten werden solche Diskussionen zur Zeit geführt. Jüngst etwa auch zum Geroldshäuser Kriegerdenkmal, auf dem der Name des KZ-Arztes von Ausschwitz, Eduard Wirths, in einer Reihe mit den gefallenen Soldaten eingemeißelt ist. Tatsächlich war er aber kein Opfer des grausamen Krieges, sondern ein Täter, der sich nach Kriegsende seiner Verantwortung durch Suizid entzog.
Solche Umstände würden eine gerechte Bewertung des ehrenden Andenkens schwer machen, zumal argumentiert werden kann, dass "auch Soldaten zu Tätern wurden", so Stonus. Man müsste deshalb im Grunde die Biografie jedes einzelnen Soldaten hinterfragen, seine Beweggründe und Haltung erforschen, was jedoch aufgrund der Vielzahl der Beteiligten und der zumeist ungenügenden Quellenlage nicht mehr oder nicht aussagekräftig genug möglich sei.
Eine Interpretation des Kriegstodes
Bei der Bewertung eines Kriegerdenkmals sei es auch nötig, seine zeitgebundene Bedeutung zu kennen und kritisch zu hinterfragen. Ein Kriegerdenkmal diene schließlich, so Stonus, der nachträglichen Kommentierung und Interpretation des Kriegstodes. Es stelle daher eine Stellungnahme der Denkmalstifter dar, die die Erinnerung an den Soldatentod mit einer Sinnzuschreibung verbinden wollten. Konkrete Hinweise auf diese Sinngebung könnten die Inschriften liefern, die als Botschaft an die Überlebenden zu verstehen seien.

Auch die verwendeten Bildmotive lieferten klare Hinweise auf den ursprünglichen Deutungsansatz des Soldatentodes. In Oberlauringen vermittele das Bildmotiv des gefallenen Soldaten, dem ein Engel den Siegerkranz und die Friedenspalme reiche, ein verharmlosendes, sentimentales Bild des Krieges, das in einem extremen Gegensatz zur martialischen Brutalität des Ersten Weltkriegs und der dort erstmals eingesetzten modernen Kriegswaffen stünde. Denn die Materialschlachten hätten bis dahin unvorstellbare Opferzahlen gefordert, viele Gefallene konnten seinerzeit nicht mehr gefunden, identifiziert und beigesetzt werden.
Daraus folge auch eine weitere Bedeutungszuweisung des Kriegerdenkmals, das den Hinterbliebenen Trost spenden konnte, indem es als eine Art Grabsteinersatz gedient habe und einen konkreten Ort für die Trauer der Angehörigen und der Gesellschaft als Kollektiv geboten hätte.
Ein historisch reflektierender Umgang mit der Geschichte
"Ein zeitgemäßer und historisch reflektierender Umgang mit der Geschichte wird durch diese Zeichenhaftigkeit der Kriegerdenkmäler der heutigen Gesellschaft erschwert", meint Dagmar Stonus. Ideologisch vorbelastete Interpretationsvorgaben mögen aus ihrer Zeit heraus erklärbar sein, müssen jedoch heute auch verstanden und damit richtig ausgedeutet werden. Sonst bestünde die Gefahr, sie wieder ideologisch zu instrumentalisieren, wie im letzten Jahr in Oberlauringen geschehen, als eine Abordnung der rechtsextremistischen Gruppierung "Der III.Weg" vor dem Denkmal posierte und Fotos über soziale Medien postete. Es sei nicht heldenhaft für verblendete Ideologien zu töten und in den Tod zu gehen, "Helden retten Leben und vernichten keines", so die Kulturanthropologin.

Die konstruktive Neubewertung dieses Kriegerdenkmals in unmittelbarer Nachbarschaft des Friedrich-Rückert-Poetikums sei deshalb ein wichtiges Ergebnis der öffentlichen Auseinandersetzung damit und daher anzustreben. Zum kritischen Umgang mit der Geschichte gehöre auch, die Spielräume für freies, individuelles Verhalten in Kriegs- und Krisensituationen zu hinterfragen.
"Blinden Gehorsam einer Befehlskette ehrend anzuerkennen, zielt völlig an der heutigen Vorstellung vorbei, gegen jegliche Art von Krieg zu mahnen und für Frieden und Freiheit einzutreten", so Dagmar Stonus weiter. Die beabsichtigte Wirkung müsse heutzutage sein, Wachsamkeit gegen die Gefahr zu üben, sich von falschen "Ver-Führern" bannen zu lassen und Zerstörungen mitzutragen.
Kriegerdenkmäler haben weiter ihre Berechtigung
Kriegerdenkmäler haben vor diesem Hintergrund deshalb weiter ihre Berechtigung. "Gerade die Namen der auf den Tafeln eingemeißelten Gefallenen sind ein Bindeglied über Generationen hinweg." Sie zeigen, dass das ausgestreute Gift verbrecherischer Regime bis in kleinste Ortschaften seine zerstörerische Wirkung zeigt.
Wie also umgehen mit dem Gedenken an die "Verführten", ohne sie zu glorifizieren und gleichzeitig auf die Problematik der möglichen Täterschaften hinzuweisen? "Erläuternde Hinweistafeln sind sicher ein probates Mittel", meint die Historikerin, schränkt aber auch ein, dass diese allein nicht ausreichen, sondern von einer aktiven Aufklärungs- und Informationsarbeit begleitet werden sollten.
Am besten erreiche man die Gesellschaft, indem man sie einbinde, in die Diskussion über die Bedeutung des Kriegerdenkmals früher und seinen Umgang heute damit. Manche Städte sind deshalb dazu übergegangen, den alten Kriegerdenkmälern neue Mahn- und Friedensmäler gegenüberzustellen. Dagmar Stonus verweist in diesem Zusammenhang auf der in Hamburg bereits vor vielen Jahren geführten Diskussion zum Umgang mit den im städtischen Gebiet reichlich vorhandenen Kriegerdenkmälern.

In einem intensiven Austausch mit der Hamburger Bürgerschaft war man dort zu dem Ergebnis gekommen, dass dem in den Kriegerdenkmälern drastisch propagierten Pathos des Heldentums mit Gegenaussagen geantwortet werden müsse. So wurde das "31er-Denkmal" 1994 schließlich so umgestaltet, dass es, wie es Maike Mewes in einer Publikation zum Hamburger Projekt ausführt, "nie wieder als Ermutigung für militaristisches und nationalistisches Denken und Handeln in Anspruch genommen werden kann".
Das unbetitelte Gegendenkmal des Altonaer Künstlers Rainer Tiedje besteht aus drei großen Acryltafeln in Metallrahmen, welche den drei Keramikkriegern des "31er-Denkmals" jeweils auf Augenhöhe gegenüberstehen. Jede Tafel zeigt eine in Schwarz gemalte, sich schmerzverzerrt windende Figur des Leids. Damit erhielten die Krieger in ihrer überhöhten Männlichkeit und idealtypischen muskulösen Körperform ein Gegenstück.

Es gibt keine allseits verbindliche Empfehlung
Eine eindeutige und allseits verbindliche Empfehlung zum weiteren Umgang mit Kriegerdenkmälern könne man nicht geben, so Dagmar Stonus. Jedes Kriegerdenkmal bedürfe einer Einzelbetrachtung. Die Ergebnisse müssten im Dialog mit den Bürgern vor Ort dann in eine allseits getragene Handlungsweise münden: Dabei kann es sich um eine Versetzung des Denkmals handeln, um seine Ergänzung durch eine Informationstafel oder um ein Forschungsprojekt zu den Einzelschicksalen der benannten Soldaten. Hier sind viele Wege möglich, auch um aus einem Kriegerdenkmal einen Lernort zu machen und ihn in die Friedenspädagogik einzubinden.
Nicht zu handeln aber hieße, sich der Aufgabe nicht zu stellen. Eine gefährliche Haltung, wie man auch in Oberlauringen gesehen habe. In unmittelbarer Nachbarschaft zu "Friedrich Rückert, der als weltoffenes Sprachengenie politischen Ideologien gegenüber als Skeptiker auftrat", habe das Kriegerdenkmal noch eine weitere Facette, die bei der zu führenden Diskussion zu seinem Verbleib oder seiner Versetzung an den Oberlauringer Friedhof, wo es in die Erinnerungskultur würdig eingebunden werden kann, eine Rolle spielen könnte.
Die Interpretation von Kriegerdenkmälern steht immer auch in einem zeitlichen Zusammenhang und spiegelt den Diskurs der jeweiligen Zeit wider. Hier müssen sich die Oberlauringer einer wichtigen Aufgabe stellen, die auch an die nachfolgende Generation gewandt Zeichen setzen und Botschaften senden kann – und das nicht nur in Oberlauringen.
Erläuterungen





Aber Schule wird heute ja eh mit so substanzlosen Inhalten gefüllt, und mit sowenig Prüfungsauflagen belegt (vor allem in gewissen Bundesländern), da ist das Abschlusszeugnis (falls es das in ein paar Jahren überhaupt noch gibt, könnte ja jemanden diskriminieren) wie zuvor schon das Arbeitszeugnis, eh schon völlig wertlos geworden!
Man sollte das mit der Inhaltsbefreiung der Schule aber nicht übertreiben, sonst weiß die über-, über-, übernächste Generation von Schülern vielleicht noch nicht einmal warum sie Atmen sollte…
In Oberlauringen verloren 39 Mitbürger ihr Leben im 1. Weltkrieg und 68 Gefallene und Vermisste sind im 2. Weltkrieg zu beklagen. Sie bekleideten keine höheren militärische Ränge mit Befehlsbefugnis, sondern waren Bauern und Handwerker. Unter den Gefallenen des 1. Weltkrieges wird auch an 4 jüdische Mitbürger erinnert und auf den Gedenktafeln der Gefallenen des 2. Weltkrieges stehen auch die Namen Gefallener, deren Familien nach Flucht und Vertreibung in Oberlauringen eine neue Heimat gefunden haben.
Bei der Entscheidung über den Standort des Denkmals haben die Bürgerinnen und Bürger von Oberlauringen ein demokratisches Mitspracherecht.
andere wiederum sind eher dezent und wenn das so ist wie in Hamburg, dass mehr auf das Leid der Hinterbliebenen eingegangen wird, hat die ganze Diskussion schon ihre Berechtigung.
Ein Mahnmal gegen den Krieg ist halt was anderes wie der Respekt vor dem unbeugsamen Siegeswillen mit dem wir es - zumindest im Krieg 1870/71 "den Franzosen gezeigt haben!"
1. boten sie zu ihrer Zeit einen nicht zu unterschätzenden Trost für die Angehörigen. Denn ihren Sohn, Bruder, Vater etc. einen völlig sinnlosen Tod sterben zu sehen, ist unfassbar grausam. So manch einer hat sich aber vermutlich doch damit gestärkt, wenn man sich einreden konnte (und das auch öffentlich zelebriert wurde), der Gefallene starb für Volk und Vaterland.
2. sind die Kriegerdenkmale ein interessantes Stück (Sub-) Kulturgeschichte. Ich bin früher oft am Sinnberg und Umgebung (Bad Kissingen) durch den Wald gestreift und immer nachdenklich an den Kriegsgräbern von 1870/71 verweilt. Zum Beispiel fand ich es sehr bemerkenswert, dass die Offiziere damals alles Adlige waren, die "Gemeinen" jedoch niemals, usw.
Geschichtlich einfach spannend, vom Nachdenkfakrtor über die Sinnhaftigkeit solcher Auseinandersetzungen mal abgesehen.
Über die Ablehnung einer Kriegsglorifizierung müssen wir ja hoffentlich nicht mehr diskutieren.
Ja, ich bin gegen Kriege. Und Kriege sind immer schmutzig! Egal wer gewinnt! Aber jetzt sich hinzustellen und hochmütig darüber zu richten, was falsch und was richtig ist- nein, das steht uns nicht zu. Wir dürfen demütig sagen: Gott sei Dank es ist seit über 75 Jahren Frieden in Deutschland! Und ja: hätten wir damals in der gleichen Situation den Mut gehabt, Befehle - und seien sie noch so grausam- zu verweigern. Denn das hätte den eigenen Tod bedeutet.
Ja: wir wünschen uns heute einen anderen Umgang mit solchen Themen und es ist gut und wichtig, das Unrecht von damals anzusprechen, aber auch einzuordnen.
Das sollte uns aber nicht hochmütig machen a la „das wäre mir nie passiert“.
Trotzdem ein gelungener Artikel!