Die diesjährige Silvesternacht wird zu einer ungewohnt ruhigen werden. Die derzeitigen Lockdown-Maßnahmen bleiben auch zu Silvester bestehen. "Das Abbrennen von Feuerwerk ist kein triftiger Grund, um die Wohnung zu verlassen", heißt es seitens der Pressestelle der Stadt Schweinfurt hinsichtlich des Ausgangsverbots ab 21 Uhr. "Insofern wird das erstmals geltende Feuerwerksverbot in Teilen der Innenstadt in 2020 keine Relevanz haben", heißt es weiter.
Die Vorkehrungen der Schweinfurter Straßenreinigung werden trotzdem wie jedes Jahr hochgefahren. Acht Mitarbeiter sowie ein Fahrer der großen Kehrmaschine werden dabei im Einsatz sein. Das entspricht der Anzahl der Vorjahre. Die Arbeitsdauer richtet sich nach dem Arbeitsanfall. Ein früherer Feierabend als die Jahre zuvor scheint den Straßenreinigern fast garantiert.
Zwar darf auf Privatgrund "geböllert" werden, allerdings ist der Verkauf von Feuerwerken dieses Jahr verboten. Alexander Vollmann von der Gerolzhöfer Firma Pyrotechnix fühlt sich durch die Maßnahmen, gelinde gesagt, etwas verschaukelt. "Ich frage mich, wo das Infektionsrisiko sein soll, wenn eine Familie aus ihrem Garten heraus eine Packung Raketen in den Himmel schießt", meint er: "Der Sinn dahinter erschließt sich mir nicht." Die größten Gefahrenherde werden seiner Meinung nach ohnehin bestehen bleiben: "Die Idioten, die in Großstädten Straßenschlachten machen, lassen sich von dem Verbot auch nicht abbringen. Die kaufen ihren Kram sowieso in Polen."
"Der Abbau kurzfristiger Spitzenbelastungen wie beim Silvesterfeuerwerk hängt wesentlich von der vorherrschenden Windgeschwindigkeit und der damit verbundenen Verdünnung ab",
Vollmann hat wirtschaftlich gesehen ein Horror-Jahr hinter sich. Ohnehin fiel sein Geschäft das Jahr über, mit Feuerwerken für Hochzeiten, Volksfesten und Events, der Corona-Pandemie zum Opfer. Seine ganze Hoffnung lag daher auf den Silvesterverkauf, der üblicherweise den Großteil seines Umsatzes ausmacht. Im November noch, meint er, "signalisierte die Regierung, dass Silvester überhaupt kein Problem sei". "Es sah gut aus", blickt Vollmann zurück. Anfang Dezember konnte er rund das fünffache an Vorbestellungen im Vergleich zu den Vorjahren vermelden und bestellte daher noch einmal Ware nach. Die bereits vorhandenen Waren im Wert von mehreren hunderttausend Euro musste er bereits Anfang des Jahres vorfinanzieren. Auf der gesamten Ware wird er erstmal unfreiwillig sitzen bleiben. "Das Silvestergeschäft wurde uns jetzt hinterrücks genommen", befindet er. Seine Firma wird am Ende des Jahres Umsatzeinbußen von 98,3 Prozent verzeichnen.
Stadträtin Ulrike Schneider von der Initiative Zukunft begrüßt dagegen die Situation "außerordentlich". Schon in der Vergangenheit trat sie für ein Verbot ein. "Wenn die Corona-Pandemie – so schrecklich sie ist – wirklich dazu veranlasst, dass nicht geböllert wird, löst sie für künftige Jahreswechsel vielleicht eine positive Entwicklung aus." Schneider weist vor allem auf die hohe Umweltbelastung in den zurückliegenden Silvesternächten hin.
Die Feinstaubbelastung am Schweinfurter Obertor – dort steht eine Messstation des Lufthygienischen Landesüberwachungssystems Bayern (LÜB) – war in der Silvesternacht 2019 übrigens mit Abstand die höchste in ganz Bayern. 991 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sind in der Zeit von 0 bis 1 Uhr ermittelt worden. In der übernächsten Stunde, zwischen 2 und 3 Uhr, war dieser Wert aber schon wieder auf 31 Mikrogramm gesunken. "Der Abbau kurzfristiger Spitzenbelastungen wie beim Silvesterfeuerwerk hängt wesentlich von der vorherrschenden Windgeschwindigkeit und der damit verbundenen Verdünnung ab", berichteten wir damals.
Laut Umweltbundesamt entstehen jährlich an Silvester rund 4200 Tonnen Feinstaub. "Das ist unvernünftig ohne Ende", kritisiert Stadträtin Schneider. Sie fände es wichtiger "die vielen Millionen die dabei verpulvert werden, stattdessen lieber nachhaltig zu investieren." Sie hofft, dass Gesellschaft und Politik dieses Jahr sehen, dass es auch ohne Feuerwerke geht. "Der Mensch hat nicht das Recht, einfach zum Vergnügen der Umwelt zu schaden", sagt sie: "Die Zeiten sind vorbei. Wir leben sowieso schon auf Kosten der nächsten Generation und der Umwelt."
Eine ähnliche Sicht der Dinge hat auch Edo Günther von der Kreisgruppe Schweinfurt des Bund Naturschutz: "Wenn man die Gelegenheit nutzt, um Erfahrung zu sammeln und daraus Konsequenzen zieht, wäre es sehr positiv." Wenn nicht, wäre alles nur ein "kleines Strohfeuer", auch wenn durch Corona Klimaziele erreicht werden könnten. Viel schlimmer als ein Verzicht auf Feuerwerk seien doch gerade sowieso die fehlenden sozialen Kontakte, meint Günther: "Aber das geht halt gerade nicht anders."
Sehr gut mit der diesjährigen Situation zu Silvester leben können auch die Verantwortlichen des Schweinfurter Wildparks. "Für das Empfinden der Tiere ist es sicherlich gut, wenn etwas weniger Knallerei stattfindet", sagt Wildparkleiter Thomas Leier. In den letzten Jahren wurde der Wildpark an Silvester zum Schutz von Elch, Luchs und Co. immer ab 16 Uhr geschlossen. Corona-bedingt ist der Park derzeit ohnehin geschlossen.
Aufatmen können auch viele Haustierbesitzer, deren Hunde oder Katzen durch den Lärmpegel alljährlich zum Jahreswechsel große Ängste durchlaufen. Johannes Saal vom Schwebheimer Tierheim möchte dabei aber auch auf die Wildtiere und landwirtschaftliche Tiere hinweisen, die unter den Feuerwerken in Panik geraten können – oft mit dramatischen Folgen. Sein Appell an die Bürger: "Auch wenn jemand noch Feuerwerkskörper zuhause hat, bitte ich ihn darauf zu verzichten." Haltern von Haustieren empfiehlt er, ihre Hunde gut zu betreuen und ihnen einen ruhigen Platz zurecht zu machen. Katzenbesitzer sollten ihre Vierbeiner in der Silvesternacht im Haus lassen, auch wenn es draußen dieses Jahr vermutlich weniger laut zugehen wird.
Mit einem ruhigen Silvester rechnet auch Ordnungsreferent Jan von Lackum: "Dem Großteil der Bevölkerung ist bewusst, wie wichtig Selbstdisziplin und Beachtung der Ausgangs- und Besuchsregeln gerade jetzt sind, um die Dauer der Einschränkungen so kurz wie möglich zu halten."