
Natürlich ist Willy Denzer nahezu allen Druckern und Setzern aus der Region bekannt, weil sie irgendwie mal mit diesem Szene-Original zu tun hatten. Bis 1997 war er Chef der letzten Gochsheimer Druckerei und Setzerei. Im Jahr darauf baute Denzer in den Kirchgaden seiner Heimatgemeinde ein kleines Buchdruck- und Satzmuseum auf.
Ruhe kennt und gibt das Original der schwarzen Kunst trotz seiner mittlerweile 86 Jahre aber nicht. 2018 eröffnete er in seinem einstigen Druckereigebäude gleich neben dem Reichsdorf-Museum das "sammelsurium graphicum", in dem Druckgrafiken, Artikel über Druck und Satz, Linolschnitte, viele einst in seiner Druckerei hergestellte Plakate, alte Bucheinbände, alte Zeitungen und jede Menge Historisches aus der Buchdruckzeit ausgestellt sind.
Jetzt hat der Setzermeister nach monatelanger Kleinarbeit die "Zehn Gebote zur Gestaltung von Werbe-Drucken" veröffentlicht. 20 Seiten umfasst die Loseblatt-Sammlung, die erwerben kann, wer sich für die alten, aber eisernen Regeln der Druck- und Setzkunst interessiert. "Das war mir schon lange ein Herzensanliegen, weil furchterregend ist, welche Schnitzer bei der Gestaltung von Druckerzeugnissen gemacht werden", sagt Denzer.
Möglichst wenig Schriftsorten und Schriftgrößen verwenden
Für einen Vortrag hatte der Setzermeister die Gestaltungs-Regeln schon einmal grob zusammengefasst. Den letzten Anstoß, "das Ganze noch ein wenig auszubauen", gab ihm das Jubiläum "100 Jahre Bauhaus" im vergangenen Jahr. Bereits in den Weimarer Jahren wurde am Bauhaus vielseitig mit Schrift und typografischer Gestaltung experimentiert. Nach dem Wechsel nach Dessau wurde dort ab 1925 eine Werkstatt für Druck und Reklame eingerichtet. Handsatz, Druck und Gestaltung spielten eine dominante Rolle. "Das Bauhaus hat mir viele weitere Anhaltspunkte gegeben", sagt Denzer.
In auch dem Laien verständlicher Sprache verdeutlicht Denzer in den "Zehn Geboten", worauf es bei einem qualitätsvollen (Werbe-)Druck ankommt: Möglichst wenig Schriftsorten und -größen verwenden, denn "zu viel gleicht einem Jahrmarkt, in der Beschränkung zeigt sich der Meister", sagt der Meister.
Was ist ein "Schusterjunge"?
Anschaulich erklärt Denzer Begriffe wie etwa den "Schusterjungen" oder das "Hurenkind". Letzteres liegt dann vor, wenn die letzte Zeile eines Absatzes den Blocksatz nicht abschließt, sondern in die nächste (Zeitungs-)Spalte hochrutscht und dort mutterseelenallein herumsteht. Beim Schusterjungen ist der vorherige Absatz beendet, der neue beginnt aber mit nur einer Zeile unten, ehe es mit diesem Absatz auf der nächsten Spalte oben weitergeht.
Denzer erklärt den Unterschied von Block- und Flattersatz, zeigt Beispiele schmerzender Trennungen (Spielau-tomaten, Spiel-automaten), warnt vor Wortungeheuern wie dem Sportlererholungsheim (besser zwei Worte). Ein Gebot widmet sich den Farben als Gestaltungsmittel, etwa Rot als warme oder Blau als kalte Farbe. Schließlich beschäftigt sich Denzer noch mit der richtigen Druckschrift und der Typografik, die ihre Grundelemente Quadrat, Dreieck und Kreis wiederum vom Bauhaus übernahm.
Die "Zehn Gebote" sind erhältlich bei Willy Denzer, Telefon (09721) 61066, beim nächsten Tag der offenen Türen im Gaden-Museum oder beim Johannisfest in der Disharmonie-Druckwerkstatt im Juni (zehn Euro). Dort sind mit Unterstützung von Werk-Druckleiter Werner Enke einige Seiten der Broschüre hergestellt worden, die Denzer vorher selbst in seiner Setzerei gesetzt hat.