
Bei der Ansage "Ich spiel mit der Alt!" wissen Schafkopf-Spieler gleich Bescheid: Das Eichel-Ass ist gerufen. Das traditionelle Kartenspiel, das einst in jedem Wirtshaus gepflegt wurde, hat es jedoch immer schwerer. Viele junge Leute können damit nichts mehr anfangen. Beim Stammtisch "Alter Knochen" in Oberwerrn ist Schafkopf aber seit nunmehr 60 Jahren Trumpf.
Konzentriert, aber dennoch locker ist die Atmosphäre an den Kart-Tischen im Nebenzimmer des SVO-Sportheims. An diesem Samstagabend geht es schließlich um die Vereinsmeisterschaft. Je vier Männer sitzen zu einer Kartrunde zusammen. "Das wurde vorher ausgelost", erklärt Stammtisch-Vorsitzender Norbert Hart.
Norbert Hart: "Ich hoffe, ich werde heute abgesägt".
Seit 38 Jahren zählt der Oberwerrner zur Schafkopftruppe und steht seit 16 Jahren dem "illustren Haufen" vor, wie er schmunzelt. Und er ist auch amtierender Vereinsmeister. "Ich hoffe, ich werde heute abgesägt", hat er in seiner Ansprache während des vorhergehenden Essens mit den Partnerinnen erklärt. Etliche Gelegenheiten nutzen die Schafkopfer, um die Gemeinschaft zu pflegen. Und immer wieder kommt der Erlös aus der Kartrunde einem sozialen Zweck zugute.

Geselligkeit, Zeitvertreib, aber auch Konzentrationssport ist das Schafkopfen für die 18 Stammtischbrüder und eine –schwester. "Seit 2020 können auch Frauen bei uns mitkarten", erklärt Hart eine Satzungsänderung beim "Alter Knochen". Aktuell spielt mit Mechthild Kuhn eine Frau leidenschaftlich gern und gut mit, heute ist sie allerdings verhindert.
Auch wenn beim Stammtisch die älteren Männer in der Überzahl sind: Mit den "alten Knochen" habe der oft belächelte Name gar nichts zu tun, klärt Hart auf. Vielmehr bestand bei der Gründung 1965 ein Mitglied, ein Metzgermeister, auf ein Symbol für die neue Vereinigung und schlug die Schulter eines Ochsen vor. Der besondere Knochen ist daher auf Anstecknadeln oder dem Stammtisch-T-Shirt verewigt.
Gezählt wird ein Spiel mit fünf Cent
Natürlich braucht es Regeln für die Gruppe, die sich jeden ersten Samstag im Monat zum Karten trifft. "Wir spielen ganz normalen Bauernschafkopf, nur Rufspiel, Solo und Bettel", erklärt der Sprecher, "bei der Vereinsmeisterschaft allerdings keinen Bettel". Gezählt wird ein Spiel mit fünf Cent, ein Einsatz, der sich je nach Spielart verdoppeln, verdreifachen oder vervierfachen kann.
Kleine Münzen in einem "Schüssele" hat auch an diesem Abend jeder Spieler vor sich liegen. "Heute bei der Meisterschaft geht es aber nur um Punkte", verweist Hart auf seine mitgebrachten Tabellen, in denen er die jeweiligen Verlust- oder Gewinnpunkte einträgt.

Es wird gemischt, die 32 Karten werden ausgegeben. Die Spieler stecken sich ihr Blatt auf, meist in der Reihenfolge der Farben Eichel, Grün, Herz, Schell und der Trumpffarbe. "Weg", sagt der erste nach dem Kartengeber, "weiter", der zweite, der dritte und auch der Austeiler. "Wir spielen jetzt überkreuz", erklärt Norbert Hart. Angesichts des offenbar schlechten Blatts aller vier Spieler wird im Verlauf des Spiels immer wieder gejammert. "Schneiderfrei" ruft Hart nach dem letzten Stich. Also immerhin mehr als 30 Punkte.
"Es gibt bei uns super Spieler und normale Spieler", erklärt er. Also solche, die mit fotografischem Gedächtnis genau verfolgen, wie viele Trümpfe bereits gefallen sind und die, die Punkte im Kopf gleich mitzählen. Und jene, die diese Gabe (noch) nicht haben, aber mit Begeisterung dabei sind.
Mit 29 Jahren ist Peter Haase der Jüngste beim Stammtisch. Vom Opa, mit 81 Jahren der älteste Stammtischbruder, hat er das Kartenspiel gelernt. "Ich wollte regelmäßig spielen und mir gefällt die Gemeinschaft hier", meint er. Bedauernd weiß er, dass viele junge Leute zu Hause das Schafkopfen nicht mehr lernen und dieser Freizeitvertreib immer mehr abnimmt. "Heute daddeln sie ja nur noch", meint Georg Pfennig. "Und es fehlen jetzt auch die Gaststätten im Dorf", ergänzt Mitspieler Rudolf Hofmann.
Früher gab es auch die Karten als Geschenk von jeder Brauerei
An einem Tisch sitzt mit Roland Hümmer auch der Wirt der Gaststätte "Zur Eisenbahn". Dort wurde jahrelang gekartet, jetzt ist sie geschlossen, weshalb das Sportheim nun das Zuhause der Schafkopfer ist. "Früher gab es auch die Karten als Geschenk von jeder Brauerei", weiß Hümmer. Das ist vorbei.
Um Schafkopfen als ein Stück deutsches Kulturgut zu erhalten, gibt Norbert Hart immer wieder Kurse an der Volkshochschule. Mit einigem Erfolg. Auch beim Oberwerrner Sportverein wird er jungen Leuten jetzt das Kartenspielen beibringen.
Die Vereinsmeisterschaft hat nach drei Stunden Spiel übrigens Roland Hümmer für sich entschieden. Der Preis: Eine Flasche Wein und das Gefühl, einen spannenden und schönen Abend erlebt zu haben.