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Schweinfurt
Schwere räuberische Erpressung: Prozess  nimmt unerwartete Wendung
Das Landgericht Schweinfurt hält es für unerlässlich, zwei wichtige Zeugen zu vernehmen. Wo die sind, ist unbekannt. Warum der Angeklagte profitiert.
Der Prozess gegen einen 30-Jährigen vor dem Landgericht, dem schwere räuberische Erpressung vorgeworfen wurde, ist überraschend ausgesetzt worden.
Foto: rclassenlayouts (iStockphoto) | Der Prozess gegen einen 30-Jährigen vor dem Landgericht, dem schwere räuberische Erpressung vorgeworfen wurde, ist überraschend ausgesetzt worden.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 22:05 Uhr

Der 30-jährige Angeklagte soll im November letzten Jahres versucht haben, unter Einsatz eines Messers von einem Mitbewohner seiner Unterkunft im Landkreis Schweinfurt Geld zu erpressen. Er will beobachtet haben, dass dieser aus dem Fundus eines anderen 26-jährigen Mitbewohners 525 Euro gestohlen habe – und soll sich dem Dieb als "Fake-Zeuge" angeboten haben: Gegen 100 Euro werde er aussagen, dass nicht er der Dieb sei, sondern ein anderer.

Als der Bedrohte darauf nicht einging, soll der 30-Jährige ihm wenig später eben dieses "Angebot" noch einmal unter Einsatz eines von ihm zuvor spitz angeschliffenen Essmessers gemacht und ihm mit "Abstechen" gedroht haben.

Angeklagt ist dies vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung, auf die mehrere Jahren Haft stehen können. Hinzu kommen mehrere Beleidigungen und Bedrohungen von Mitbewohnern, er werde sie "abstechen".

Am schwerwiegendsten bezüglich der Straferwartung ist der Vorwurf der räuberischen Erpressung – und dazu sieht die Kammer am zweiten Verhandlungstag ein erhebliches Beweisproblem: Ausgerechnet das mutmaßliche Opfer der "Erpressung" ist seiner Ladung als Zeuge schon am ersten Verhandlungstag nicht gefolgt und bis zu diesem zweiten ebenfalls nicht greifbar gewesen. Er soll offiziell an einem anderen Ort gemeldet sein, dort aber selten gesehen werden, hat der Staatsanwalt ermittelt. Wo er sich derzeit aufhält, ist unbekannt. Dies gilt auch für einen weiteren Tatzeugen.

Verständigung zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft kommt nicht zustande

Von beiden gibt es zwar Protokolle ihrer polizeilichen Vernehmung im November 2023, doch die allein könnten nicht Grundlage eines Urteils zu dem angeklagten Sachverhalt sein, sagte die Kammervorsitzende nach längerer Beratung. Nach derzeitigem Stand der Verhandlung sehe sich das Gericht auch nicht in der Lage, zu einer "Verständigung" zu kommen. Die bisher gehörten Zeugen hätten den Haupttatvorwurf nicht bestätigt. Die Kammer sei auch gehalten, ein Geständnis auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen, was anhand der bislang gehörten Zeugen und verlesenen Protokolle nicht möglich sei.

Eine "Verständigung" hatte zuvor der Verteidiger angeregt mit einer Freiheitsstrafe "im bewährungsfähigen Bereich" – also maximal zwei Jahre. Dagegen hatte der Staatsanwalt Bedenken angemeldet. Er plädierte für Fortsetzungstermine, doch die dürfen nicht weiter als drei Wochen auseinanderliegen. Der Verteidiger sagte: "Ich kann keinen anbieten, ich bin zugekleistert ohne Ende."

Und: Niemand weiß, wie viel Zeit die "Aufenthaltsermittlung" der beiden Zeugen in Anspruch nimmt. Der Anklagevertreter plädierte für die Fortsetzung des Prozesses und sah in einer Aussetzung "keine erhöhte Chance", die Zeugen beizubringen.

Die Vorsitzende Richterin aber setzte das Verfahren aus – und hob auch den Haftbefehl auf. Begründung: Derzeit liege kein dringender Straftatbestand vor, der Freiheitsentzug über die bereits erlittene rund achtmonatige Untersuchungshaft hinaus rechtfertigen würde. Nach den bisherigen Aussagen liege kein Tatverdacht bezüglich der angeklagten versuchten schweren räuberischen Erpressung vor. Der 30-Jährige konnte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen – und sein Glück kaum fassen.

 
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