Schweinfurt Die Jubiläums-Spielzeit zum 50. Geburtstag des Schweinfurter Theaters ist fast vorbei, die neue schon auf den Weg gebracht. Theaterchef Christian Kreppel erklärt, warum „My Sister Syria“ uns alle angeht.
Die neue Spielzeit steht unter dem Motto „5 vor 12“. Ist es wirklich so spät, was wollen Sie damit sagen?
Kreppel: Es ist zum einen der anstehenden Sanierung geschuldet, die für so ein Haus immer ein Einschnitt ist. Das andere Thema ist natürlich sehr ernst. Die positiven Schweinfurter Grundvoraussetzungen, in denen das Theater erblühen kann, das ist im deutschsprachigen Raum generell nicht so. Ganz vielen Theatern geht es schlecht. Darüber hinaus ändert sich unser Leben grundsätzlich in rasender Schnelligkeit, wie wir es nicht gewohnt sind. Da habe ich Stücke im Sprechtheater, wo man Stellung dazu bezieht. Ein Signaturstück für mich ist der fremdsprachige Abend „My Sister Syria“. Es ist eine Roadstory, es geht nach Syrien, der Weg über das Mittelmeer und dann nach Deutschland, was auch kein Glück ist. Für mich ist es ein wichtiges Stück. Wer weiß denn wirklich, wer hier gut und wer böse ist. In der Flüchtlingskrise haben manche Länder mit Nationalstaatlichkeit reagiert, Mauern gebaut und sich abgeschottet.
Deutschland hat einen anderen Weg gewählt. Aber die richtige Völkerwanderung steht uns ja erst bevor, wir wissen alle, was in Afrika los ist. Dann wird sich diese Gesellschaft noch mal verändern und dann sind wir richtig gefordert. Deswegen zeige ich auch ganz bewusst vom Schauspiel bis zum Tanz einen interkulturellen Spielplan, möchte den Blick weiten.
Ziel: Trotz Sanierung weiterspielen
Sie sind bekannt dafür, auf die politischen Entwicklungen weltweit zu schauen und das zu thematisieren. Haben Sie den Eindruck, dass das Publikum im Spielplan fordernde Stücke goutiert?
Kreppel: Es ist schon immer eine Tradition hier, war ja schon unter meinen Vorgängern Günther Fuhrmann und Rüdiger Nenzel so. Wenn ich mit dem Sprechtheater-Publikum spreche, wird das auch erwartet. Ja, es wird angenommen, auch durch Schulen. Theater, Kunst, Kultur kann dabei immer nur den Rahmen schaffen, immer wieder ein Angebot abliefern.
Der Weg ist also, Vielfalt und Unterschiedlichkeit anzubieten?
Kreppel: Ja, andere Blickwinkel erzeugen, erinnern. In „Maria Stuart“ wird ja ein menschlicher Grundkonflikt gezeigt. Der Klassiker hat deswegen auch immer eine Bedeutung, wenn er zeitgemäß gemacht wird. Ich bin kein Freund davon, Klassiker völlig umzudrehen, so dass man die Sachen gar nicht mehr wiedererkennt. Man kann auch einfach reagieren, zum Beispiel mit dem Gurlitt-Stück. Keiner weiß, wie der Mann das alles gesammelt hat. Wir haben die Tournee-Premiere des Stücks bei uns und es zeigt, wie weit ein Mensch gehen darf und warum.
Was gibt es im Schauspiel für Höhepunkte?
Kreppel: Sprechtheater ist die schwerste Übung, die man hat. Wir haben 20 bis 22 Stücke pro Jahr. Schön ist, dass sich bei uns in den letzten zwei Jahren die Auslastung wieder steigert, 75 Prozent haben wir immer. Wir haben „Geächtet“ von Ayad Akhtar oder „Die Netzwelt“, ein hochaktuelles und spannendes Stück, das die grundsätzliche Problematik unseres Seins anspricht. „Requiem für einen Spion“ von Tabori ist auch dabei. Ich habe jedes Jahr mindestens ein Stück dabei, das sich mit der jüdischen Frage beschäftigt.
Für mich ist es ein zentrales Thema. Exemplarisch ist auch der Schlussabend im Schauspiel „Morgen muss ich fort von hier“ mit Cornelius Obonya, einem der besten österreichischen Schauspieler. Er singt die verfemten Lieder der 1930er und 1940er Jahre. Natürlich gibt es auch Unterhaltungsstücke, wie zum Beispiel die „Känguru-Chroniken“. Es ist wunderbar, hat viel Hintersinn.
Das Tanzabo ist nach wie vor ein Publikumsrenner. Was gibt es da Besonderes?
Kreppel: Wir machen sechs bis zehn Mal Tanz im Jahr, das Herzstück ist die Tanzreihe. Jeder Abend ist anders. Ob es gefällt, ist nicht der alleinige Punkt, man darf auch überfordern, man soll nur nie langweilen. Es muss immer Qualität haben und ich suche immer Themen, bei denen man vielleicht auch ein bisschen überfordert.
Sie sind ein großer Opernfreund. Worauf darf man sich da freuen?
Kreppel: Das ist jetzt eine Spielzeit, in der wieder ein bisschen mehr dabei ist. Es freut mich sehr, dass es mit „Hoffmanns Erzählungen“ aus Prag/Liberec und auch „Macht des Schicksals“ aus Augsburg geklappt hat, dass „Barbier von Sevilla“ kommt, „Zar und Zimmermann“ da sein wird. Dann haben wir auch besondere Abende wie die Farinelli-Produktion der Münchner Kammeroper, top-besetzt mit dem genialen Countertenor Thomas Lichtenecker. Dessau wird eine große Opern-Gala zeigen. Ich versuche immer, Nischen zu besetzen, alte Musik und alte Oper wird ganz selten gemacht, deswegen ist Farinelli so eine Besonderheit. Ich möchte das Genre Oper ein bisschen anders zeigen, nicht immer nur das Traditionelle. Zum Beispiel Dominique Horwitz mit „Me and the Devil“, ein ganz, ganz schräger Abend mit viel Freischütz drin.
Traditioneller Partner im 71. Jahr sind die Bamberger Symphoniker. Gab es da noch einmal einen weiteren Schritt mit dem neuen Dirigenten?
Kreppel: Als Jonathan Nott das letzte Mal hier war, war der Auftrittsapplaus ja quasi ein Schlussapplaus. Er hatte eine wahnsinnige Power und man merkte, dass zwischen Dirigent und Orchester die Energien geflossen sind. Jakub Hrùša ist auch so einer, er ist sicher die richtige Entscheidung für diesen Klangkörper. Es wird ganz spannend werden zu beobachten, wie sich das entwickelt, wenn die ein paar Jahre zusammenarbeiten. Dazu versuche ich in den großen Ringen im kammermusikalischen Bereich sinnvolle Qualität zu bringen. Eine besondere Freude sind für mich die Foyerkonzerte. Ein toller Abend wird der mit Nora Gomringer mit „Peng Peng Peng“. Das Konzertpublikum ist sehr anspruchsvoll. Klassische Konzerte laufen gut, die Auslastung liegt bei über 90 Prozent.
Abos für 2017/18 ab 24. Juni: Die Einschreibung für Neuabonnenten findet am Samstag, 24. Juni, von 9.30 bis 12.30 Uhr und von 26. Juni bis 30. Juni jeweils von 9.30 Uhr bis 12.30 Uhr und 14 bis 17 Uhr (nicht Freitagnachmittag) im Theaterfoyer statt. Telefonische Anmeldungen ab 26. Juni zu den Öffnungszeiten unter Tel. (0 97 21) 51 49 52. Schriftliche Anmeldungen werden ab 26. Juni bearbeitet.