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Schweinfurt
Schweinfurter Geheimnisse: Gesellschaftlicher Glanz in der Fichtelsvilla
Verwunschene Parkanlage mit einem Geheimnis: Der Fichtelsgarten in Schweinfurt und was es damit auf sich hat ist auch Teil des Buches 'Schweinfurter Geheimnisse'.
Foto: Fuchs-Mauder | Verwunschene Parkanlage mit einem Geheimnis: Der Fichtelsgarten in Schweinfurt und was es damit auf sich hat ist auch Teil des Buches "Schweinfurter Geheimnisse".
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:47 Uhr

Etwas versteckt liegt der verwunschen anmutende Treppenaufgang zwischen Bäumen und Büschen in der Parkanlage Fichtelsgarten und lässt nur vage vermuten, dass sich hier einst ein prunkvolles Herrenhaus befand, in dem die feine Schweinfurter Gesellschaft zusammenkam.

Karin Fuchs steht am historischen Springbrunnen in der grünen Oase und zeigt nach oben zur zweiarmigen, geschwungenen Freitreppe. Die Schweinfurter Architektin liebt alte Häuser und Relikte, die eine Geschichte erzählen: „Das ist für mich wie ein großer Schatz. Die Freitreppe führte zur Terrasse und zum Haupteingang der Villa von Hedwig Fichtel-Graetz. Über eine Diele ging es zum großen Festsaal, einem repräsentativen, mit Gobelins geschmückten Musiksaal mit einer Fläche von 120 Quadratmetern.“ Als Dame des Hauses sei Hedwig Fichtel-Graetz für alle gesellschaftlichen Aufgaben verantwortlich gewesen, so Fuchs.

„Sie stammte von der Industriellen-Dynastie Sattler ab, auch ihr erster Mann, Karl Fichtel, kam aus einer wohlhabenden Schweinfurter Kaufmannsfamilie und war ein Urenkel Sattlers.“ Fichtel war es, der am 2. August 1895 zusammen mit Ernst Sachs die „Schweinfurter Präzisions-Kugellager-Werke Fichtel & Sachs“ gegründet hatte. Just während der Planungen zur Traumvilla seiner Frau am Kornmarkt 19 – auch „Hohe Chance“ oder „Fichtelsschanze“ genannt –, starb er im Jahr 1911. Doch seine Witwe Hedwig Fichtel blieb nicht lange allein. Noch bevor die Villa am Kornmarkt 19 im Jahr 1915 fertiggestellt war, heiratete sie den leitenden Arzt des Städtischen Krankenhauses, den Königlichen Hofrat Dr. Hans Graetz.

Carl Sattler plante das Herrenhaus in der Nähe des Schweinfurter Kornmarkts

Mit der Planung dieses Herrenhauses, das übrigens nahe des alten Wohnhauses (Kornmarkt 17) der Familie Fichtel entstand, war Carl Sattler betraut. „Nicht verwunderlich“, findet Karin Fuchs, denn es hätten ja verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. „Ein alter Garten war der Bauplatz, der in früheren Jahren von der alten Stadtmauer in die Festungswerke angelegt war“, so beschrieb eben dieser Carl Sattler die Situation vor Ort.

In diese alte Schanzenanlage aus dem 17. Jahrhundert mussten Haus und Garten eingepasst werden. „Die höchste Stelle, eine Bastion“, so hatte Carl Sattler weiter berichtet, „wurde für das Haus bestimmt und so ergab sich der eigenartige Grundriss.“ Mit den hohen Mansardendächern ließ der Außenbau der Villa Fichtel-Graetz fränkischen Barock spüren. Aber auch im Inneren, so weiß Fuchs, schuf Carl Sattler Stuckornamente an Decken und Wänden, und die Einrichtung wurde dem fränkischen Rokoko zugeordnet.

Ersten Personenaufzug in der Region Schweinfurt eingebaut

„Es war ein Gesamtkunstwerk. Die Dame des Hauses hatte mit mehreren Töchtern, vielen Bediensteten und den zahlreichen gesellschaftlichen Aufgaben bestimmt viel zu tun“, taucht die Architektin in das Flair der 1920er-Jahre ein. „Es war ein hochherrschaftliches Haus, und es gab hier den allerersten Personenaufzug in der Region.“ Die Auffahrt zur Villa erfolgte über einen Abhang und den einstigen Geschützstand südlich der Bastion, heißt es in "Der Architekt Carl Sattler - Leben und Werk." Dieses Gelände hatte Carl Sattler zu einem herrschaftlichen Garten mit Springbrunnen und Grotte gestaltet. Im Gartenareal zeugt noch eine Steinfigur von dieser Zeit.

Doch keine 30 Jahre lang habe die Villa an ihrem Ort gestanden, sagt Karin Fuchs bedauernd. „Beim Einmarsch der amerikanischen Truppen zu Ende des Zweiten Weltkrieges im April 1945 wurden die Villa und die Parkanlagen leider fast völlig zerstört.“ Das alte Wohnhaus am Kornmarkt 17 überdauerte dagegen den Krieg, aber ein dort ebenfalls von Sattler erbautes neues Ökonomiegebäude wurde 1944 durch einen Bombeneinschlag zerstört.

Warum die Villa komplett zerstört wurde, sei nicht ganz klar: „Ich vermute, dass die Amerikaner dachten, der Feind hätte sich hier versteckt“, sagt Karin Fuchs. Auf die einst so herrschaftliche Auffahrt deutet nur noch ein Gehweg im Fichtelsgarten hin. Das einzige übrig gebliebene Relikt ist die einstige Freitreppe, die heute ins Nichts führt. Ins Nichts? Nein, denn wer beim Spaziergang durch den Fichtelsgarten die Augen schließt und tief einatmet, spürt den Glanz vergangener Tage.

So geht’s zum Treppenaufgang

Von der Neuen Gasse in den Fichtelsgarten einbiegen. An dem Platz mit dem alten Springbrunnen befindet sich auch die Freitreppe.

Das Buch „Schweinfurter Geheimnisse“ ist in Kooperation zwischen der Main-Post und dem Bast Medien Verlag erschienen. Das Buch (Hardcover) kostet 19,90 Euro, hat 192 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag: bestellungen@bast-medien.de (versandkostenfrei). ISBN: 978-3-946581-81-9

 
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