Ganz ehrlich: Wer von uns ist nicht schon selbst einmal über eine Mail gestolpert, eine von "Apple" zum Beispiel, eine, bei der man einen Kauf bestätigen sollte und dafür über einen Link auf eine Seite gelotst wurde, die täuschend echt nach dem Apfelgiganten aussah. Ein Klick vom Einloggen entfernt, ereilt einen dann doch ein komisches Gefühl, das sich Sekunden später bestätigt. Kurz gegoogelt, die Mail ist ein Fake, eine Täuschung, ein Nachbau, warnt Apple selbst. Neben Kleinigkeiten wie der fehlenden Adresse ist es vor allem der Link, der uns stutzig machen sollte und letzten Endes unsere Anmeldedaten stehlen soll, sagt Tom Funke.
Der Polizeibeamte ist neben Alex Kaiser einer von zwei Spezialisten für Cyberkriminalität in der Ermittlungsgruppe der Polizeiinspektion (PI) Schweinfurt. 27 Beamte und zwei Angestellte arbeiten hier, ihr Aufgabenfeld ist breit aufgestellt: von häuslicher Gewalt über Einbrüche bis hin zur Kriminalität im Netz. 1000 angezeigte Fälle von Cyberkriminalität verzeichneten die Ermittler im vergangenen Jahr – ein siebtel aller Fälle, an denen sie arbeiten. Und der Trend geht, wie seit Jahren, weiter nach oben. Nicht nur in Schweinfurt, bayernweit – und wohl auch international. In den meisten Fällen geht es um Warenbetrug. Der Online-Handel wird immer größer, das Geld fließt digital. Das Netz ist zum zweiten Wohnzimmer geworden, wo wir Bankgeschäfte machen, einkaufen, Freunde treffen. Oder solche, die angeblich welche sind.
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Genauso international sind nicht nur die Geld- und Warenströme, sondern auch die Täter, was es nicht einfacher macht, sie zu schnappen. Die Aufklärungsquote der Ermittlungsgruppe der PI im Bereich Cyberkriminalität liegt bei 34,6 Prozent. Das ist, verglichen mit anderen Bereichen, ein eher mäßiger Wert. Und doch Spiegel dafür, wie leicht es ist, im Netz Menschen um ihr Geld zu bringen und dabei die Spuren zu verwischen. Wer es darauf anlegt, kann sich in der digitalen Welt sehr gut anonym bewegen, falsche Mail-Accounts generieren, bei manchen Banken sogar Konten unter erfundenem Namen anlegen, Handynummern kaufen oder Fakeshops erstellen."Für findige Täter ist das einfach", dessen ist sich nicht nur Tom Funke bewusst. Ein Großteil derjenigen, die sie schnappen, gehört nicht gerade zu den schlauesten, sagt er. Betrüger zum Beispiel, die Ware verkaufen, nicht liefern, aber das Geld auf ihr eigenes Konto fließen lassen. Herauszubekommen, wer hinter einer bestimmten Kontonummer steckt, ist für die Ermittler einfach.
Wann die Ermittler nicht weiterkommen
Schwieriger bis aussichtslos wird es dann, so Alex Kaiser, wenn das Geld ins Ausland fließt. Oder wichtige Stellen – von Banken bis hin zum Versandhändler, über den jemand geprellt worden ist – die Auskunft verweigern, auf den Datenschutz verweisen. Wenn die Ermittler wochenlang auf eine staatsanwaltliche Verfügung warten müssen, damit man ihnen die nötigen Informationen gibt. Wenn ein einfacher Abgleich mit Fällen in anderen Bundesländern allein schon wegen der unterschiedlichen EDV-Programme der Polizei in den einzelnen Ländern scheitert, der Beamte überall anrufen müsste, der Aufwand zu groß ist. Oder Daten einfach nicht mehr vorhanden sind. Beispiel Mobilfunkanbieter. Wer hinter der Nummer steckt, über die ein Betrüger einen Geschädigten kontaktiert hat, ist nach wenigen Wochen schlicht nicht mehr herauszufinden. Die Daten werden gelöscht; wann, das entscheiden Mobilfunkanbieter. Die umstrittene Datenvorratsspeicherung würde oft helfen, Betrüger auffliegen zu lassen, sagt Matthias Wehner, stellvertretender Leiter der PI Schweinfurt.
Viele lehnen sie ab, und doch geben etliche von uns im Netz mehr preis als gut ist. Da werden Kredit- oder EC-Karten fotografiert, um vermeintlich bequem Kontodaten weiterzugeben, sogar Ausweise. "Würden Sie in der analogen Welt in einem Geschäft ihren Ausweis liegen lassen oder dem Verkäufer eine Kopie in die Hand drücken?" Nein, würden wir nicht, sagt Detlef Schrenk, Leiter der Ermittlungsgruppe. Sein Tipp: Sich im Netz so zu bewegen wie in der Wirklichkeit. Nicht jedem alles erzählen, kritisch hinterfragen, mit wem man es zu tun hat, immer wieder einmal aufs Konto schauen – wie in den Geldbeutel auch.
Ob es um 17 Euro geht oder um Tausende: Melden soll sich jeder
Würden wir das tun, würde mancher Betrugsversuch scheitern. Doch längst nicht alle. Daten werden gestohlen, auch die von Kreditkarten, ganze Identitäten. Versandhändler akzeptieren ohne großen Nachweis eine Anmeldung, der Betrüger kauft unter anderer Identität großzügig ein, die Rechnung bekommen andere. Zum Beispiel die Geschädigten, die bei der PI Schweinfurt Anzeige erstatten. Inzwischen ist das auch online möglich. Die Polizei ermittelt in jedem Fall, egal, um welche Summe es geht, ob um 17 Euro oder um mehrere tausend. Weil die Polizei dazu verpflichtet ist – und weil hinter der vermeintlichen Bagatelle auch mehr stecken kann. Abzocke im großen Stil.
Dann geht der Fall auf Anordnung des Staatsanwalts an die Kriminalpolizei, die Spezialisten des K 11, zu denen auch Informatiker gehören. Ab 25 000 Euro Betrugssumme ist die Kripo zuständig; außerdem für Fälle, in denen Computer gehackt, Viren gestreut oder Phishing-Mails verschickt werden, um Daten zu ergaunern. Sie sind die eigentlichen Cybercops, sagen die Ermittler der Polizei, die jedem Geschädigten raten, sich unter Tel.: (09721) 2020 zu melden. Schämen muss sich keiner. Denn Opfer von Cyberkriminalität kann jeder werden – und wurde es auch schon, sagen die Ermittler: vom Arbeiter bis hin zum Rechtsanwalt.