
Eine englische Freundin hat erstaunt auf die Nachricht reagiert, dass in Deutschland die Friseure am 1. März wieder aufmachen dürften. "Wir schneiden uns die Haare gegenseitig", sagt sie. Und ihre Nachbarin benutzt das Gerät, mit dem sie sonst Pferde schert, den horseclipper, jetzt auch in der Familie. Was die Friseur-Frage angeht, sind wir den Briten also voraus. Immerhin.
Aber zurück nach Schweinfurt. Der Andrang der Kunden war groß, sagt Innungs-Obermeisterin Margit Rosentritt. Sie ist mal kurz rausgegangen aus ihrem Salon "Extra Locke", am Telefon war kaum ein Wort zu verstehen, vor lauter Geföhne. Viele Kunden haben darauf gewartet, dass die Salons wieder aufmachen, sich rechtzeitig um einen Termin gekümmert. "Eine Kundin hat hat sich selber Farbe drauf gemacht. Die anderen haben gewartet", sagt sie. Wer erst am 1. März einen Termin in der Region ausmachen wollte, musste wohl ein bisschen Wartezeit in Kauf nehmen.
Eine Person pro zehn Quadratmeter
Pro zehn Quadratmeter Fläche darf sich eine Person im Geschäft aufhalten. Das ist jetzt die Regel für die Friseure. Das wirkt sich nicht nicht nur auf die Terminvergabe, sondern auch auf Berufsschul-Praktika aus. Praktika haben jetzt wenig Sinn, meint Rosentritt. "Die jungen Leute sollen ja etwas lernen und nicht nur Sessel desinfizieren." Im März soll es erst mal keine geben. Auch die Gesellenprüfungen wurden an die Situation angepasst. Die Theorie wird jetzt gemacht. "Das haben wir gut hingekriegt", weist Rosentritt auf das online-Angebot der Berufsschule hin. Der praktische Teil ist dann im Juni, damit Zeit ist, zu lernen, zu machen, zu schauen. "Wir wollen ja anständige Fachkräfte."

Die Salons waren lange coronabedingt geschlossen, vor den Lockdowns haben auch die Friseure viel in Hygienemaßnahmen investiert. In Luftreiniger, zum Beispiel. Oder in Spuckschutz, Desinfektionsmittel, Masken. Werden Betriebe das nicht überleben? "Ob eine Pleitewelle kommt, wird man erst in einem dreiviertel Jahr sehen", meint Rosentritt. Jetzt treffen die Abschlagszahlen für die Überbrückungshilfen ein. Man muss sehen, wie sich die Lage entwickelt. Rosentritt kann sich aber vorstellen, dass Kolleginnen und Kollegen, die älter sind, vielleicht schon mal an Aufhören gedacht haben, jetzt verstärkt überlegen, ihren Laden zuzumachen.
Rosentritt war in der Corona-Pause viel mit Innungsarbeit beschäftigt. Mitglieder informieren, beraten, Ansprechpartner vermitteln. Dabei hat ihr auch ihre jahrelange Erfahrung als ehrenamtliche Arbeitsrichterin geholfen. Außerdem wurde ein Projekt vorangetrieben: Die Innungsbetriebe sollen zertifiziert werden. Dabei geht es um Aspekte wie Umwelt, Miteinander, Tarifbezahlung. "Wir sind eine der wenigen Innungen, die Zuwachs hat, auch in der Corona-Zeit".
Hochsteck-Frisuren an Puppenköpfen geübt
Wer während des Lockdowns in der Segnitzstraße unterwegs war, hat oft Licht im Salon von Brigitte Halbig gesehen. Sie hat Hochsteck-Frisuren an Puppenköpfen geübt. Und auch ihre Auszubildende unterrichtet. Dauerwelle, hochstecken, eindrehen: was man halt so mit einem Puppenkopf machen kann. Online-Seminare standen auch auf dem Programm.
"Ich arbeite jetzt zehn, elf Stunden am Tag", sagt Brigitte Halbig. Sie hat gleich, nachdem bekannt wurde, dass die Friseure wieder öffnen können, ihre Stammkunden angerufen und Termine ausgemacht. "Wann geht's wieder los?" Die Frage hat Brigitte Halbig öfter gehört. Und wenn sie irgendwo Kunden getroffen hat, beim Einkaufen zum Beispiel, ist sie natürlich auch nach Terminen gefragt worden. Logisch.
Wobei es in den letzten Wochen im ersten Moment schon ein bisschen komisch war, seine Friseuse zu treffen, mit dem ganzen Grau und Wildwuchs. Und wer im ersten Lockdown den Fehler gemacht hat, sich die Haare selbst zu färben, hat wohl darauf geachtet, ihr auf keinen Fall zu begegnen.