Anfang März, abends, in einer Gemeinde nahe Schweinfurt: Vor der beliebten Pizzeria in der Dorfmitte sieht ein Polizeihauptmeister der Inspektion Schweinfurt eine Bedienung ohne Mund-Nasen-Schutz im Freien servieren – und drinnen auch beim Abkassieren. Der Beamte kontrolliert die 52-Jährige und macht sie auf den Verstoß gegen die Infektionsschutzverordnung aufmerksam.
Die Kellnerin erklärt ihm daraufhin, dass sie selbst ja nicht so an die Corona-Sache glaube. Außerdem legt sie ihm ein Attest vor, das sie vom Tragen der Maske befreien soll. Es ist das Gesundheitszeugnis einer Ärztin aus dem Baden-Württembergischen Weinheim, 225 Kilometer vom Wohnort der Kellnerin entfernt, ausgestellt ein Dreivierteljahr davor. Darin steht schlicht, für die 52-Jährige sei "das Tragen eines Mundschutzes aus medizinischen Gründen kontraindiziert".
Eine Diagnose geht aus diesem "Gesundheitszeugnis" nicht hervor. Es ist auch eines ohne Wert, denn – so wird der Amtsrichter in Schweinfurt wie schon in so vielen Fälle davor urteilen – es ist ein "unrichtiges". Und dessen Gebrauch ist strafbar. Der Verteidiger beteuert vor dem Amtsgericht, seine Mandantin sei davon ausgegangen, "dass dieses Attest ordnungsgemäß zustande gekommen ist". Dem widerspricht die Staatsanwältin energisch. Die Angeklagte habe zuvor von ihrer Ärztin vor Ort gehört, dass sie keine Maskenbefreiung ausstellen könne und die Frau an einen Lungenfacharzt verwiesen. "Dann lässt sie sich ein Attest von einer Ärztin aus Baden-Württemberg kommen."
Ärztin aus Weinheim ist nicht nur der Polizei, sondern auch dem Gericht bekannt
Woher hatte die Angeklagte die Adresse dieser Ärztin? Aus der Gastwirtschaft, räumt die Kellnerin ein. Problemlos sei das Attest mit der Post gekommen. Sie habe nicht einmal eine Gebühr dafür bezahlt. Dem Beamten, bei der Polizei spezialisiert auf die Fälle mit Pseudo-Attesten, war diese Ärztin dafür längst bekannt. Der Richter sagt, gegen sie liefen längst etliche Ermittlungsverfahren. Auch hiesige Amtsrichter haben bislang mehrere "Kunden" der Weinheimer Ärztin wegen des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse zu mehreren hundert Euro Strafe verurteilt.
Der Verteidiger beantragt, die Weinheimer Ärztin als Zeugin zu laden, was der Richter ablehnt, weil dies für das Verfahren nicht erforderlich sei. Schließlich sei geklärt, dass die weit entfernt praktizierende Frau Doktor die Kellnerin nicht untersucht habe, und darauf komme es an. Für die Staatsanwältin kommt eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage nicht in Betracht. Für sie ist der Tatvorwurf klar erwiesen. Sie plädiert für eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen à 15 Euro, der Verteidiger auf Freispruch.
Am Ende kostet das Fake-Masken-Attest der Bedienung 600 Euro
40 Tagessätze à 15 Euro urteilt der Amtsrichter – macht 600 Euro. Diese Ärztin sei "bekannt dafür, dass sie in großem Umfang falsche Gesundheitszeugnisse ausstellt", so der Vorsitzende. In diesem Fall sogar an die Bedienung einer Gaststätte mit jeder Menge Kundenkontakt. Gegen das Urteil ist Berufung oder Revision möglich. Strafmildernd hatte das Gericht anerkannt, dass die Frau tatsächlich gesundheitliche Probleme hat und sich nach der Anzeige um ein echtes Attest bemüht hatte.
Wie verbreitet sind eigentliche derlei Pseudo-Atteste von weit entfernten Ärzten, die auch Unterfranken vom Maskentragen befreien, ohne sie je gesehen zu haben? "Nach einer groben Abschätzung seitens des Amtsgerichts Schweinfurt dürfte es insgesamt ca. 15 derartige Verfahren gegeben haben", teilt der Schweinfurter Gerichtssprecher auf Anfrage mit. In der Regel würden in Strafbefehlsverfahren häufig Geldstrafen im Bereich 30 bis 40 Tagessätze verhängt.
Den Artikel haben wir ergänzt um den Satz, der klarstellt, dass die Angeklagte tatsächlich gesundheitliche Probleme hat.
Mir scheint, wir sind drauf und dran, zu einer Pippi-Langstrumpf-Gesellschaft zu werden …
„Nimm‘ einen Schirm mit, draußen regnet es!“ ... „Ich brauch‘ keinen Schirm … ich glaube nicht so an diese Niederschlags-Sache …“ …
Herr, lass‘ Hirn vom Himmel fallen! Oder Steine! Hauptsache, Du triffst!