zurück
Schwanfeld
Schwanfeld: Kirchenglocken sind deutlich lauter als erlaubt
Die Gemeinde muss handeln: Um 20 Dezibel werden nachts die Lärmgrenzwerte beim Schlagen der Kirchturmuhr überschritten. Warum der Gemeinderat noch keine Entscheidung traf.
Trügerische Idylle? Einige Bürger fühlen sich durch das nächtliche Schlagen der Kirchenglocken gestört. Weil die Lärmgrenzwerte teilweise überschritten werden, muss die Gemeinde nun handeln.
Foto: Anand Anders | Trügerische Idylle? Einige Bürger fühlen sich durch das nächtliche Schlagen der Kirchenglocken gestört. Weil die Lärmgrenzwerte teilweise überschritten werden, muss die Gemeinde nun handeln.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:03 Uhr

Da freute sich Bürgermeisterin Lisa Krein, "dass so viele zu meiner Sitzung gekommen sind". Das große Interesse der Schwanfelder an der Gemeinderatssitzung am Montagabend war dem nächtlichen Glockenschlagen geschuldet, über das im Dorf wegen der Lärmbelastung ein Streit entstanden ist. Der Gemeinderat steht unter Handlungszwang, weil die Lautstärke der Glocken die Lärmgrenzwerte überschreitet. Doch die interessierten Zuhörer wurden enttäuscht. Eine Entscheidung fiel nicht, das Thema wurde vertagt. 

Lange hatten die Bürger vor der Tür des Bürgerzentrums ausharren müssen, eine vorgeschobene nichtöffentliche Beratung hatte den Beginn der Sitzung um gut 20 Minuten verzögert. "Die beschließen jetzt alles und teilen es uns dann nur noch mit", befürchtete einer der Wartenden. Die Sorge war unbegründet. Der Gemeinderat hatte nichts beschlossen und tat es auch in öffentlicher Sitzung nicht, weil eine wesentliche Vorlage für die Entscheidungsfindung fehlte: ein Kostenangebot für die technische Umrüstung der Glockensteuerung. Bürgermeisterin Lisa Krein hofft, dieses zeitnah zu erhalten. Beraten und entschieden werden soll dann in der Sitzung des Bauausschusses am Montag, 26. Oktober. 

Zumindest das Gutachten des mit der Lautstärkemessung beauftragten Fachbüros lag vor. Es bestätigte, was man eigentlich schon wusste: Die Glocken schlagen nachts zu laut. An drei Stellen war in der Nacht auf den 24. September gemessen worden: am Rathausplatz 9, an der Alten Brauerei und am Raiffeisenplatz. Während an den beiden letzten Messstellen keine Überschreitungen der Immissionsrichtwerte für ein Misch-/Dorfgebiet festgestellt wurden, liegen am Rathausplatz die Werte deutlich darüber. Sowohl beim Beurteilungs- als auch beim Spitzenpegel. Gemessen wurden 65 beziehungsweise 84 Dezibel, erlaubt sind nachts 45 beziehungsweise 65 Dezibel in der Spitze. Letzteres entspricht dem Rattern einer Nähmaschine oder einem Fernseher in Zimmerlautstärke.

In Schwanfeld schlagen die Glocken zweimal

Nun gibt es in Schwanfeld die Besonderheit, dass die Kirchturmuhr doppelt schlägt. Zuerst erklingt eine höhere Glocke, dann eine tiefere. Um Mitternacht schlägt's also nicht nur zwölfmal, sondern 24-mal. Plus vorab die vier Viertelstundenschläge, was insgesamt 28 Glockenschläge ergibt. Und danach geht es weiter bis zur nächsten vollen Stunde mit je einem Glockenschlag zu jeder Viertelstunde. "Ich habe Verständnis dafür, dass jemand mit Schlafproblemen nicht alle Viertelstunde mit Glockenschlag daran erinnert werden will", sieht Bürgermeisterin Lisa Krein Handlungsbedarf, zumal die Gemeinde ja auch an die Lärmschutzverordnung gebunden ist.  

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Zwei Möglichkeiten gibt es nun, die Lautstärke der Glocken zu reduzieren. Ganz Abschalten in der Nacht scheidet aus, das hatte der Gemeinderat bereits im Juli mit Verweis auf die dörfliche Tradition beschlossen. Am einfachsten und schnellsten wäre eine Kürzung der Seile der Schlaghämmer, die von außen auf die Glocke schlagen und so den Schall erzeugen. Die Lautstärke des liturgischen Läutens bliebe davon unberührt, weil hier ein Klöppel von innen gegen die in Bewegung versetzte Glocke stößt und diese so zum Klingen bringt. Nachteil der Seilkappung: Der Glockenschlag ist dauerhaft leiser, also auch tagsüber, wo 15 Dezibel mehr erlaubt sind.

Am liebsten wäre es dem Gremium aber, dass am Tag alles so bleibt wie es ist und nur nachts die Glocken leiser schlagen. Das könnte man zum Beispiel dadurch erreichen, dass die Lautstärke der Viertelstundenschläge reduziert und eine der beiden Stundenglocken abgeschaltet wird. Die erste ist nämlich 8-10 Dezibel lauter als die zweite. Für das Ausschalten einer Glocke müssen aber Motoren und Steuerungen ausgetauscht werden. "Das ist ein größerer Aufwand", verdeutlichte Bürgermeisterin Lisa Krein.

Ohne vorliegendes Kostenangebot wollte das Gremium deshalb darüber nicht entscheiden. Die Hoffnungen von zweitem Bürgermeister Kurt Eichelbrönner, dass sich die Kirchengemeinde an den Kosten beteiligen könnte, machte die Rathauschefin gleich zunichte. Das Geläut wurde erst umfangreich überarbeitet, hier stünden in nächster Zeit keine Reparaturen an.    

"Wir sind auf einem guten Weg", signalisierte die Bürgermeisterin den etwas enttäuschten Zuhörern, die nun bis zum 26. Oktober auf die Entscheidung des Bauausschusses warten müssen. Die Sitzung ist öffentlich.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schwanfeld
Irene Spiegel
Enttäuschung
Fernsehgeräte
Instandhaltung
Lärmgrenzwerte
Lärmschutzverordnungen
Motoren
Nähmaschinen
Seile
Stadträte und Gemeinderäte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. H.
    Schön dass sich da jemand darum kümmert -

    vielleicht wird dann ja auch bald ein Nachtfahrverbot für (zu) laute Autos und Motorräder verhängt und durchgesetzt...

    Oder träume ich da jetzt etwa?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. B.
    Könnte man nicht lediglich die vollen Stunden schlagen - und dann nur ein einziges mal die entsprechende Anzahl der Schläge
    - und möglichst noch in der zulässigen Lautstärke.
    So hätte am Ende jeder seine Ruhe - und die Tradionalisten hätten zumindest einen Teil der Traditon bewahrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • D. B.
    ..ich würde ein Abschalten sehr schade finden..und es wäre kein gutes Signal
    ...weil es ist Tradition.!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. M.
    Genau! Und aus diesem Grund muss auch noch in 1000 Jahren die Bevölkerung mit 28 völlig überflüssigen Glockenschlägen zu Mitternacht genervt werden...weil es Tradition ist! Achtung: könnte Sarkasmus enthalten!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. M.
    Dann kann man ja gleich aus Tradition wieder Verbrecher auf dem Marktplatz hängen und Hühner gegen Lederwaren handeln statt mit diesem modernen sinnlosen Zeug... äh diesem geld zu bezahlen grinsen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. A.
    Da sieht man wie viele Langweile die Leute heutzutage haben. Bei uns sind die Kirchenglocken Nachts schon seit mehrere Jahrzehnte aus und das ganz ohne großes Tamtam oder Medienecho, ausnahmen bilden an Ostern und Weihnachten die Metten und das Glockengeläut an Silvester nachts zum Jahreswechsel. Nach 23 Uhr muss keine einzige Kirchturmuhr schlagen, da braucht mir auch niemand mit irgendwelcher Tradition oder lebendigen Ort zu kommen. Nachts schläft die Mehrheit, sowohl Mensch als auch Tier, mit einem lebendigen Ort hat das um die Zeit nichts mehr zu tun, sondern um zur Ruhe zu kommen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten