Die Waldstücke zwischen Main und Steigerwald liegen wie kleine Flecken auf der Landkarte. Richtig groß ist keines von diesen. Umso wichtiger sind sie aber als Rückzugsorte fürs Wild, das ringsum oft nur freie Flur und Siedlungsflächen findet. Doch nicht nur Tiere, auch Menschen lieben den Wald, was zu manchen Konflikten führt. Mit einer Informationskampagne möchten die Jäger des Frankenwinheimer Jagdreviers dem gegensteuern. Ihr Ziel: Erholungssuchende und Freizeitsportler sollen die Natur genießen können, ohne dass das Wild unnötig darunter leidet.
Draußen sein, Sport treiben, sich den Wind um die Nase wehen lassen – "das ist gut so und geht uns nicht anders", heißt es in einer Mitteilung, die die Frankenwinheimer Revierjäger Michael Heßmann, Peter Mohr, Leander Müller, Roland Danzberger und Lajos Fürst unterzeichnet haben. Sie bezeichnen die Natur darin als "Kraftquell". Bewegung an der frischen Luft fördere Gesundheit und Zufriedenheit – dies möchten sie auch niemandem streitig machen.
QR-Code führt zu weiteren Informationen
Die Jäger verfolgen mit ihrer Aktion einen anderen Ansatz. Statt den allen offen stehenden Zugang zum Wald mit zusätzlichen Verboten einzuschränken, setzen sie auf Aufklärung. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Jagdverband haben sie entlang der Waldeingänge und an Blumenwiesen ihres Forstreviers, das im geografischen Dreieck zwischen Krautheim, Frankenwinheim und Lülsfeld liegt, Schilder aufgestellt. Diese enthalten Informationen dazu, wie Waldbesucher und Spaziergänger sich so verhalten, dass sie die Wildtiere dort nicht unnötig stören (siehe Infobox). Per eingescanntem QR-Code auf den Schildern lassen sich die Hinweise auch auf dem Smartphone anzeigen.
"Wir gehen die Situation proaktiv an", schildert Lajos Fürst das Anliegen, das er mit seinen Jagd-Kollegen teilt. "Wir möchten die Menschen nicht ermahnen, sondern informieren." Denn in einem Punkt sind sich die Frankenwinheimer Jäger einig: Absichtlich lässt niemand, der sich gerne in der Natur bewegt, Tiere und Pflanzen leiden. Doch nicht selten fehlt es bei Spaziergängern und Freizeitsportlern an Wissen, etwa darüber, wie wichtig der Wald als Schutz- und Rückzugsort für die Tiere ist. Wer sich dort, in deren "Wohnzimmer", wie die Jäger es beschreiben, aufhält, der müsse einiges wissen und beachten. Hierzu zählt unter anderem, dass Wildtiere, wie etwa Rehe, im Winter ihren Stoffwechsel herunterfahren. Werden sie jetzt aufgeschreckt, zehre das an deren lebensnotwendigen Energievorrat, erklärten die Jäger. Werden sie mehrfach zur Flucht getrieben, kann dies sogar tödlich enden.
Auf diese für die Wildtiere tödliche Gefahr, wenn sie die im Sommer und Herbst im Körper angelegten Fettreserven verbrennen, indem sie unnötigerweise von Menschen aufgescheucht werden, weist in einer aktuellen Pressemitteilung auch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hin. Sie ruft alle Erholungssuchende und Freizeitsportler zu Respekt und Rücksichtnahme gegenüber Wildtieren auf. "Gerade während der kalten Jahreszeit braucht unser heimisches Wild dringend Ruhe", stellt die Ministerin fest und bittet die Menschen darum, auf Wegen, Routen und Pisten zu bleiben und überflüssigen Stress für die Tiere zu vermeiden.
Besonders die Dämmerung ist für Äsung wichtig
Wolfgang Schmitt, Jagdfachberater der Unteren Jagdbehörde im Landratsamt Schweinfurt, bestätigt das besonders in den Wintermonaten gravierende Problem. Doch unabhängig von der Jahreszeit kämen Tiere vor allem in den für die Äsung wichtigsten Dämmerungszeiten am Morgen und abends oft nicht zur Ruhe, "weil zu viele Menschen unterwegs sind". Der Jäger aus Eßleben sieht darin ein Hauptproblem, mit dem die Wildtiere zu kämpfen haben. "Tiere haben auch einen Anspruch auf Ruhe", sagt er. Doch manche Menschen nähmen darauf keine Rücksicht.
Diejenigen, die sich nicht regelkonform in Wald und Flur bewegten und beispielsweise Hunde ohne Leine laufen lassen oder abseits von Wegen unterwegs sind, seien allerdings eine Minderheit, gibt der Jagdberater zu. Allerdings erkennt er, dass es in den vergangenen Monaten, wohl bedingt durch die Corona-Pandemie und den damit zusammenhängenden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, mehr Menschen vor der eigenen Haustür ins Freie zieht. So schön das in vielerlei Hinsicht auch sei – dies verursache für die heimische Tierwelt auch zusätzlichen Stress.
Rehe erkennen Gefahrenquellen
Wie die Frankenwinheimer Jäger respektiert Schmitt jedoch klar den Anspruch eines jeden auf den Genuss der Natur. Dem stimmt auch Stephan Thierfelder zu. Er leitet den Fachbereich Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt. Nicht jeder Mensch, der sich in Wald und Flur bewegt, stelle ein Problem für Wildtiere dar. Rehe könnten normalerweise genau ausmachen, ob von einem Menschen eine Gefahr ausgeht, oder nicht, sagt Thierfelder. "Wenn jemand ruhig auf einem Weg in einiger Entfernung vorbeigeht, dann verursacht das keinen höheren Puls beim Wild." An solche Situationen seien die Tiere schlichtweg gewöhnt.
Anders sehe es allerdings aus, wenn beispielsweise Hunde querfeldein rennen. Dies erkenne das Wild natürlich als direkte Gefahr und hetzt davon. Dasselbe gelte aber auch für Geocacher oder Mountainbiker, die teilweise sogar nachts mit Stirnlampen ausgerüstet durch den Wald laufen oder fahren. "Das muss nicht sein", macht Thierfelder klar. Auch der Frankenwinheimer Jäger Fürst berichtet von einer Situation, als er neulich früh um 6.30 Uhr auf der Jagd ansaß und ihm im Wald plötzlich Menschen mit Stirnlampen begegneten.
Jäger verstehen sich als Beschützer der Tiere
Um solchen und ähnlichen Stress-Situationen fürs Wild vorzubeugen, setzen die Jäger auf Rücksichtnahme und Verständnis im Umgang "mit unser aller wertvollstem Gut, der Natur", wie sie es formulieren. Sie betrachten es als eine ihrer Aufgaben als Jäger, ihre Reviere und die darin lebenden Tiere vor Gefahren zu schützen. Idealerweise, so heißt es in der Mitteilung der Frankenwinheimer Jäger zu ihrer jüngst gestarteten Infokampagne weiter, würden sie ihre Mitmenschen anregen, zu Naturverstehern und Artenschützern zu werden. Zumindest möchten sie ihre Mitmenschen auf die richtige Fährte setzen.
Aber wenn Stress gerade zu dieser Jahreszeit tödlich für Rehe sein kann, warum bitte setzen Jäger dann das Wild gerade mit Treibjagden so enorm zu. Irgendwie widerspricht sich das ganze.
"Bitte jagen (und erschießen) Sie keine Wildtiere: keiner mag es, erschossen zu werden – Wildtiere auch nicht.
Zudem schrecken Schüsse weitere Wildtiere auf."