
Noch zwei Jahre später nimmt das Erfahrene die junge Frau im Zeugenstand sichtlich mit. Einen Blick nach links, wo ihr ehemaliger Kumpel sitzt, vermeidet sie. "Wenn Sie jetzt an ihn denken oder ihn sehen ...", sagt die Richterin, und noch bevor sie ihren Satz zu Ende sagen kann, schüttelt die Frau den Kopf, verneint und weint. Die Richterin sagt schließlich, was sich jeder im Gerichtssaal denken kann: "… Dann sind Sie immer noch nicht damit durch."
Es war der 24. Juli 2021, als die junge Frau von dem Mann, der jetzt auf der Anklagebank im Schweinfurter Landgericht sitzt, vor ihrer Haustür angriffen worden sein soll. Er habe sie an den Haaren gezogen, auf den Boden geworfen, sie geschlagen und ihr ins Gesicht getreten, sagt sie vor Gericht aus. Der Beschuldigte habe mit ihr reden wollen, aber sie habe das nicht gewollt; dann sei er ausgerastet.
Beschuldigter soll Freundin monatelang terrorisiert haben
Seit Monaten habe der 25-Jährige, der nicht akzeptiert haben soll, dass sie keine Beziehung mit ihm führen wolle, sie terrorisiert. Mit Anrufen, Nachrichten, Besuchen an der Wohnung und der Arbeit. Schon einmal habe er ihre Wohnungstür eingetreten und sie angegriffen, erzählt die Frau. Im April 2021 hatte das Amtsgericht Schweinfurt sogar eine einstweilige Verfügung gegen den Mann erlassen, die eine Kontaktaufnahme verboten hatte.
Doch daran hielt sich der 25-Jährige nicht. Eine Freundin der jungen Frau, die an jenem Tag im Juli 2021 gerade mit ihr zu einem Möbelhaus fahren wollte, schildert, wie sie selbst schon zahlreiche Male versucht habe, dem Beschuldigten klarzumachen, dass er ihre Freundin in Ruhe lassen solle. Doch das sei ihm egal gewesen.
Beim Angriff dann habe sie nur zusehen können. "Ich habe unter Schock gestanden und geschrien", sagt die Zeugin vor Gericht. Ein Nachbar sei schließlich zur Hilfe geeilt – und der Beschuldigte geflüchtet. Die junge Frau kam mit einem Schädel-Hirn-Trauma, einer Handverletzung und zahlreichen Prellungen in ein Krankenhaus.
25-Jähriger leidet offenbar an paranoider Schizophrenie
Das Verfahren gegen den 25-Jährigen ist ein Sicherungsverfahren. Soll heißen: Der Beschuldigte muss nicht mit einer Geld- oder Haftstrafe rechnen, sondern es geht bei ihm um die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. In der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft ist die Rede davon, dass der junge Mann unter paranoider Schizophrenie leide und er die mutmaßlichen Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe.
Der Angriff gegen die junge Frau ist aber nicht das Einzige, das die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten vorwirft: Er soll auch seine Mutter beleidigt und beraubt sowie Mithäftlinge während eines früheren Gefängnisaufenthalts angegriffen haben. Vor Gericht muss er sich nun unter anderem wegen gefährlicher und fahrlässiger Körperverletzung, Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz, Beleidigung und Diebstahls verantworten.
Der 25-Jährige selbst kündigt zu Beginn des Prozesses an, nichts zu den Vorwürfen sagen zu wollen. Und überhaupt wirkt der junge Mann eher desinteressiert an dem Verfahren. Er kippelt mit seinem Stuhl, verschränkt die Arme, lächelt immer wieder. Einmal fragt ihn die Richterin: "Langweile ich Sie?" Er verneint und fragt, wie sie denn darauf komme.
Mutter nimmt Strafanträge gegen ihren Sohn zurück
Mehrere Zeuginnen und Zeugen beschreiben den Beschuldigten vor Gericht als aggressiv. "Er sagte, es sei noch zu wenig gewesen, was er ihr angetan hat", berichtet einer der Polizisten, der mit dem jungen Mann nach dem Angriff auf die Frau zu tun hatte. Auch in dem psychiatrischen Krankenhaus, in dem er sich gerade befindet, soll er einen Mitpatienten attackiert haben.
Schließlich gibt es für den 25-Jährigen aber auch eine glückliche Wendung: Seine Mutter nimmt die Strafanträge hinsichtlich der Beleidigung und des Diebstahls zurück; die Staatsanwaltschaft stellt schließlich den Antrag, das Verfahren in diesen beiden Punkten einzustellen. Die Entscheidung darüber soll am Donnerstag fallen und weitere Zeugen sowie ein Gutachter gehört werden.