Moment, da habe ich noch was“, ruft Aribert Elpelt und ist schon wieder die Treppe hochgeeilt. Diesmal kommt er mit einer Vase aus Messing zurück, ganz hübsch, ein bisschen Retro-Flohmarktlook. Erst auf den zweiten Blick sieht man: Das Teil ist aus einer Granatenhülse gefertigt, darauf steht „Verdun 1917“.
Genau, das Verdun, wo 1916 bei einer der größten Schlachten des Ersten Weltkriegs in einem ergebnislosen Stellungskampf etwa 800 000 Menschen ihr Leben verloren. Auch 1917 wurde dort noch gekämpft. Da saß also einer im Schützengraben, um ihn herum Tod und Verderben, und dann schreibt er diesen Ort auch noch auf ein hübsches Väslein für die Lieben daheim. Solch ein Teil bringt die Absurdität des Krieges auf den Punkt – und deshalb sammelt Aribert Elpelt so was.
Kaiser Wilhelm schaut mürrisch ins Wohnzimmer
Überall in der Wohnung des Waigolshäusers und in mehreren Lagerräumen sind Stücke seiner Sammlungen verteilt. Im Wohnzimmer von Aribert Elpelt ticken alte Uhren, aus der Vitrine blickt Kaiser Wilhelm von einem Motivteller mürrisch ins Zimmer. Alte Bierkrüge hängen in der Küche, in einer original Munitionskiste wurden einst Haubitzenzünder aus dem Kugelfischer-Werk transportiert. In der Kiste liegt eine Backform mit Patronen-Verzierung.
Zum Glück hat Elpelts Frau auch eine Sammelleidenschaft, die antike Puppenküche, die auf dem Wohnzimmertisch steht, war ein Weihnachtsgeschenk. Viele kennen Aribert Elpelt übrigens als schottlandbegeisterten Chieftain des Clan McEl aus Waigolshausen.
Nicht nur aus dem Ersten Weltkrieg stammen die vielen Stücke, auch wenn das der Schwerpunkt von Elpelts Hobby ist, vor allem mit dem Thema Frauenarbeit. Wer weiß schon, dass hier das Thema Arbeitsschutz seinen Anfang nahm? Als die Frauen während des Krieges in die Fabriken mussten, trugen sie ihre Zivilkleidung – und gerieten mit Zöpfen und Schürzen in die Maschinen. Bis die Arbeitskleidung eingeführt wurde, gab es viele Unfälle.
Gewerkschaftler mit Leib und Seele
Der Gewerkschaftler hat zu dem Thema viele Seltenheiten zusammengetragen. „Die Nazis haben viel darüber vernichtet“, sagt der überzeugte Gewerkschaftler. Frauen sollten zuhause bleiben, Kinder gebären und nicht in der Fabrik stehen. Elpelt macht seine Stücke gerne zugänglich, er hat schon eine Ausstellung mit Bildern aus der Schweinfurter Industrie bestritten, eine weitere soll folgen. Auch Museen leihen regelmäßig seine Stücke aus.
Wie sich die Suche nach einem neuen Stück für die Sammlung anfühlt? „Das ist wie eine Jagd!“ Elpelt kennt viele Händler, die bieten ihm zwar auch Dinge an, aber er stöbert ständig auf Ebay und auf Flohmärkten. Manchmal bietet jemand ein interessantes Stück in einer Facebook-Gruppe an, oder Elpelt hält einfach „die Augen und Ohren auf“. Aber man müsse auch aufpassen, dass man sich nicht verzettelt, weiß der Sammler. Einfach alles horten, das bringt nichts.
Die Sammelleidenschaft liegt offenbar in der Familie, schon Vater und Onkel haben einiges zusammengetragen. Elpelt ist damit aufgewachsen. „Ich war schon immer geschichtlich unterwegs“, sagt er. Von seinem ersten Lohn, das waren damals 175 D-Mark, hat er noch jeden einzelnen Schein. Er betont: „Ich bin kein Militaria-Sammler, sondern ein Sammler der Geschichte.“
Die wichtigste Fragen: Wie gestalte ich etwas interessant?
Elpelt könnte stundenlang immer wieder hinauslaufen und neue Stücke bringen. Nach der absurden Verdun-Vase kommt ihm weitere sogenannte „Grabenkunst“ in den Sinn, ein Armreif aus der Scheibe einer Granathülse, ein Brieföffner aus einem Granatsplitter. Er stellt sich immer die Frage: Wie gestalte ich etwas interessant für Menschen? In der Patronen-Backform hat er schon mal ein Rezept aus dem „Sparkochbuch“ für entbehrungsreiche Kriegszeiten nachgebacken. „War sehr lecker, der Kuchen“, sagt Elpelt und lacht.
Bei ihm darf man alles anfassen. „Ich möchte Geschichte mit der Hand fühlen“, sagt Elpelt. Wer den Granatsplitter mit seinen zerklüfteten, scharfen Kanten in der Hand hält begreift, welch Wunden er reißen kann. Die alten Bilder sortiert er – anders als die meisten Sammler – bewusst in alte Alben. Auch wenn dann keine Plastikfolie drüber ist.