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Gerolzhofen
Risiko bei Streckenkauf ohne Betriebsabsicht
Der Förderverein Steigerwald-Express hat einen Plan B in der Tasche. Falls er nicht in den Besitz der Steigerwaldbahn kommt, will der Verein "sechsern".
Trotz vieler Hemmnisse und Widerstände will der Förderverein Steigerwald-Express wieder Verkehr auf die Steigerwaldbahn bringen. Er beteiligt sich sowohl am Bieterrennen beim Verkauf durch die Deutsche Bahn und strebt parallel dazu auch eine langfristige Betriebsgenehmigung an.
Foto: Barbara Herrmann | Trotz vieler Hemmnisse und Widerstände will der Förderverein Steigerwald-Express wieder Verkehr auf die Steigerwaldbahn bringen.
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:38 Uhr

In diesen Tagen soll der Verkauf der Steigerwaldbahn über die Bühne gehen. Dabei wird die Entscheidung zwischen mehreren Bietern fallen. Zu ihnen gehört auch der Förderverein Steigerwald-Express. Das hat der Verein jetzt bestätigt. Daneben sollen nach dem Kenntnisstand des Vereins noch zwei Bieter aufgetreten sein, die kein Interesse an einem Bahnbetrieb haben. Von einem weiteren Informanten ist zu hören, dass außer diesen Bewerbern auch noch ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) mit im Spiel ist.

Nun hofft man beim Förderverein, dass die Bahn bei ihrer Entscheidung auch denjenigen eine Chance gibt, die den Erhalt und die Reaktivierung der Strecke im Sinn haben. Vereinsmitglied Ricky Haubenreich glaubt, dass die Bahn an einen Bieter verkauft, der am wenigsten Arbeit macht. Er selbst ist der Ansicht, dass die DB die Strecke überhaupt nicht verkaufen sollte, weil Eisenbahninfrastruktur für ihn in staatliche Hände gehört.

Schutzgebot des Vereins

Um einen Aufkauf und Abriss durch Schrotthänder oder Immobilieninteressenten zu verhindern, hat der Förderverein Steigerwald-Express beschlossen, ein Schutzgebot abzugeben. Sollten das den Zuschlag bekommen, benötigt der Verein ein Menge Geld (die DB möchte für die Strecke mindestens 780 000 Euro haben). Die Summe soll über Kredite finanziert werden, für die an der Bahn Interessierte die Bürgschaft übernehmen. Eine weitere Einnahmequelle soll die Patenschaft für einzelne Streckenmeter bilden. Jeder hat die Chance, sich mit 25 Euro pro laufendem Meter Strecke am Kauf zu beteiligen. Wer das tun will, gibt zunächst eine unverbindliche Erklärung ab. Erst wenn der Verein die Strecke tatsächlich bekommen sollte, wird die Beteiligung verbindlich.

Ricky Haubenreich hält es aber für sehr gut möglich, dass die DB die Strecke vorzugsweise an Immobilienspekulanten und Schrotthändler abtreten wird, obwohl vom Landkreis Schweinfurt eine Reaktivierung der Strecke per Kreistagsbeschluss durch ein Gutachten der Bayerischen Eisenbahngesellschaft geprüft werden soll und ein langfristiges Verkehrsinteresse angemeldet wurde. Grundsätzlich hält Haubenreich Bieter mit Reaktivierungsabsichten für benachteiligt, denn diesen gewährte die Deutsche Bahn nur einen Frist von 14 Tagen bis zum 28. April, um sich über die genaue Sachlage zu orientieren. Der Verein hat zum Beispiel nicht einmal ein Betretungsrecht für die Strecke.

Mit im Spiel soll auch wieder die Bayerische Regionaleisenbahn (BRE) sein, die die Strecke bis 2016 gepachtet hatte. Sie soll dem Vernehmen nach allerdings kein Kaufgebot, sondern nur ein Betriebskonzept vorgelegt haben. Außerdem laufen auch im Landkreis Kitzingen Entwidmungsanträge weiter, obwohl sich der Kreistag ebenfalls mit großer Mehrheit gegen eine Entwidmung und den Abriss der Strecke ausgesprochen hat.

Online-Petition

"Ein Verlust der Bahninfrastruktur zwischen Kitzingen und Schweinfurt durch Verkauf und Entwidmung würde für die Reaktivierungsbemühungen der Landkreise Schweinfurt und Kitzingen untergraben und den ländlichen Raum in Bayern schwächen", schreibt der Förderverein Steigerwald-Express in einem Aufruf, eine Online-Petition an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zu unterschreiben. Durch Verkauf und Entwidmung würden vollendete Tatsachen geschaffen werden und bestehende Infrastruktur zerstört, die kommende Generationen im ländlichen Raum dringend benötigen würden.

Sollte nun ein Bieter die Strecke bekommen und sie abbauen wollen, könnte das riskant für ihn werden. So lange sie nämlich nicht entwidmet ist, kann jederzeit wieder der Betrieb aufgenommen werden. So ist das bei der Wiehltalbahn in Nordrhein-Westfalen passiert. Dort hatten Anliegergemeinden die Strecke für viel Geld gekauft und müssen jetzt für eher symbolische Pachtbeträge den wieder aufgenommenen Bahnbetrieb dulden. Eine Gemeinde hatte dabei sogar einen Kredit von 430 0000 Euro aufgenommen, ohne Genehmigung der Kommunalaufsicht.

Öffentliches Recht geht vor

Am 26. Januar 2007 entschied das Verwaltungsgericht Köln zugunsten der RSE Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH. Das Land Nordrhein-Westfalen wurde verurteilt, eine längerfristige Betriebsgenehmigung zu erteilen, unabhängig vom Bestehen eines Pachtvertrags. Das Gericht betonte in seiner Urteilsbegründung, dass das öffentliche Recht (hier: Erteilung der Betriebsgenehmigung) höher anzusehen sei als das Zivilrecht (hier: ausgelaufener Pachtvertrag).

Auch im Wiehltal gab es einen Förderkreis für die Bahn. Auch er wollte die Strecke kaufen, bekam sie aber nicht. Das Geld, das der Verein dadurch gespart hatte, benutzte er, um die eisenbahnrechtliche Sicherung der Strecke zu erreichen und eine Betriebsgenehmigung zu erhalten. Bedingung für die Unternehmensgenehmigung ist entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben nicht das Eigentum der Strecke, sondern es sind lediglich Fähigkeiten nachzuweisen, um die Betriebspflicht zu erfüllen. Das ergibt sich aus Paragraf 6 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG).

Dieses Vorgehen wird in der Reaktivierungsszene deshalb "Sechsern" genannt. An diese Praxis denkt auch der Förderverein Steigerwald-Express als Parallel-Strategie zum Streckenkauf. Nötig dazu ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU). Der Verein könnte das aber auch selbst leisten, indem er zwei Eisenbahnbetriebsleiter engagiert, also Ingenieure, die nach der Eisenbahnbetriebsleiter-Prüfungsverordnung zur Leitung eines Bahnbetriebs ausreichend Erfahrung mitbringen. Wenn die dem Verein zugesagten finanziellen Ressourcen zum Kauf der Strecke nicht mehr benötigt werden, kann er damit die in Paragraf 6 geforderte "finanzielle Leistungsfähigkeit" erbringen. Diese Fähigkeit muss vorhanden sei, um jederzeit Schäden und Probleme zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur zu beheben.

Symbolische Pachtsumme

Insofern geht jeder Käufer, der keine eisenbahnrechtliche Nutzung beabsichtigt, das Risiko ein, sehr viel Geld auszugeben, dafür bestenfalls eine symbolische Pachtsumme zurückzuerhalten und nichts gegen den Eisenbahnbetrieb auf seinen Liegenschaften unternehmen zu können.

 
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Kommentare
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  • G. E.
    Egal wie es ausgeht, ein Betretungsverbot für alle etwaigen Interessenten:.... "Kunden"-Nähe schaut anders aus....
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  • F. R.
    Die Berlin-affine DB mit ihren sinnlosen Milliarden-Projekten, wie der "Erfurter Beule" (Umweg der Schnellfahrstrecke BA-Berlin durch den Thüringer Wald, mit 1 Mrd. Mehrkosten und 1/2 h Zeitverlust!) und ihr Generalbevollmächter für Bayern Klaus Dieter Josel sollten sich schämen: für den Versuch, demokratische & rechtsstaatliche Regeln zu brechen.

    Nur ein Depp (vielleicht findet sich ja einer) würde die Strecke ohne Nutzungsabsicht kaufen, denn:

    "So ist das bei der Wiehltalbahn in Nordrhein-Westfalen passiert. Dort hatten Anliegergemeinden die Strecke für viel Geld gekauft und müssen jetzt für eher symbolische Pachtbeträge den wieder aufgenommenen Bahnbetrieb dulden [...]
    Insofern geht jeder Käufer, der keine eisenbahnrechtliche Nutzung beabsichtigt, das Risiko ein, sehr viel Geld auszugeben, dafür bestenfalls eine symbolische Pachtsumme zurückzuerhalten und nichts gegen den Eisenbahnbetrieb auf seinen Liegenschaften unternehmen zu können."
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  • N. K.
    Hoffentlich sind sich dieser Tatsache jene "Schrotthändler" bewusst, die ein Auge auf die Strecke mit dem Gedankenspiel auf schnellen Reibach gemacht haben.

    Weiter stellt sich für mich die Frage: wenn diese Strecke weit unter Wert (allein der Schrottwert der Schienen liegt nach glaubhaften Schätzungen bei rund 600.000 €) verkauft werden sollte, ob dies nicht strafrechtlich als Untreue im Sinn des § 266 Strafgesetzbuch zu werten ist. Dies sei den Verantwortlichen der Bahn ins Stammbuch geschrieben.
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  • F. R.
    Wenn man bedenkt, dass die Steigerwaldbahn 50 km lang ist, zudem an zahlreichen Bahnhöfen mit verbreiterten Gleisanlagen. Oftmals in direkter Nachbarschaft von Gewerbe- und Neubaugebieten. Dann wäre es wohl am besten, wenn der Förderverein ggf. Strafanzeige gegen die Bahn wegen Untreue stellt und die Staatsanwaltschaft sich mit der Sache beschäftigt.
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