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Gerolzhofen
Bahn setzt Kaufinteressenten unter Druck
Die Deutsche Bahn versucht offensichtlich die Wiederinbetriebnahme der Steigerwaldbahn zu torpedieren. Sie stellt Kaufinteressenten unakzeptable Bedingungen.
Die Deutsche Bahn legt Kaufinteressenten für die Steigerwaldbahn viele Steine in den Weg. Im Bild die Konzernzentrale in Berlin.
Foto: Paul Zinken | Die Deutsche Bahn legt Kaufinteressenten für die Steigerwaldbahn viele Steine in den Weg. Im Bild die Konzernzentrale in Berlin.
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:35 Uhr

Die Deutsche Bahn hat es plötzlich sehr eilig mit dem Verkauf der Trasse der Steigerwaldbahn. Länger als zehn Jahre, nachdem der letzte Güterzug auf der Strecke gefahren war, tat sich nichts; die Strecke verfiel unter der "Obhut" des Pächters, der Bayerischen Regionaleisenbahn, und unter den Augen der Eigentümerin DB. Jetzt, da von politischer Seite Bewegung in Richtung auf eine Reaktivierung des Personenverkehrs kommt, will sich das Bundesunternehmen zumindest in puncto Verkauf keine Verspätung leisten.

Erst einmal sollten sich Interessenten an der für 780 0000 Euro ausgeschriebenen Strecke bis spätestens zum 14. März 2019 mit ihren Kaufangeboten bei der Bahn melden. Das war genau der Tag an dem sich der  Kreistag Schweinfurt mit einer Stellungnahme zu einer möglichen Reaktivierung der Bahnstrecke beschäftigte und mit 41:14 Stimmen formell sein langfristiges Interesse an der Steigerwaldbahn bekundete.

Zunächst fiel auf, dass das 576 665 Quadratmeter große und rund 42 Kilometer lange Bahngrundstück zwischen der Kitzinger Gemarkungsgrenze und Sennfeld unter DB Immobilien Gewerbe ausgeschrieben war, obwohl sie als Bahnlinie noch gar nicht entwidmet, das heißt von Bahnbetriebszwecken freigestellt ist. Auf diese Tatsache hat die Bahn allerdings in ihrem Exposé zur Strecke hingewiesen.

Kaufvertrag statt Betretungsrecht

Der Redaktion ist auch bekannt, wie es Kaufinteressenten mit der Deutschen Bahn ergeht, die sich zuvor eine örtliche Inspektion der Strecke wünschten. So wurde der "Steigerwaldbahn Betriebsgesellschaft" ein Begehungsverbot für die Strecke erteilt, was quasi einem Hausverbot gleichkommt. Solches Geschäftsgebaren ist absolut unüblich. Bereits in der Verkaufsanzeige hieß es, der Käufer müsse die Strecke nehmen, "wie sie steht und liegt", mithin wie besehen. Unterdessen werden jetzt bereits Vertragsentwürfe an Kaufinteressenten verteilt, mit der Aufforderung, selbige binnen 14 Tagen unterschrieben zurückzusenden.

Erst einmal wäre es aber erforderlich, den Kreistagen von Schweinfurt und Kitzingen, die sich per Beschluss die Option auf eine Reaktivierung der Strecke erhalten haben, überhaupt erst einmal die verschiedene Betreibermodelle für das Projekt im Detail vorzustellen. Um dies zu bewerkstelligen, wäre eine Verlängerung der 14-tägigen Frist und damit eine Abstimmung mit den Fristen der laufenden Freistellungsverfahren notwendig.

Übrigens: Bei derartigen Immobiliengeschäften haben kommunale Gebietskörperschaften im Normalfall ein Vorkaufsrecht. Eine Nachfrage am Landratsamt Schweinfurt ergab aber, dass dies für den Landkreis Schweinfurt nicht der Fall ist und der Kreis auch nicht beabsichtige, die Strecke "derzeit" zu kaufen. Die Verkaufsabsicht zum jetzigen Zeitpunkt kann trotzdem als Beeinträchtigung der Planungshoheit der beiden Landkreise Schweinfurt und Kitzingen gewertet werden, deren Vertreter jetzt herausgefordert sind.

Abschreckend für alle Mitbewerber dürfte indes sein, dass die Strecke noch nicht entwidmet ist und dass ein Käufer, der nichts mit Eisenbahnverkehr am Hut hat, die Grundstücke so lange nicht frei für andere Zwecke nutzen dürfte, bis sie tatsächlich von Eisenbahnbetriebszwecken freigestellt ist. Für einen "Erfolg" der Entwidmungsbemühungen, die von den Gemeinden längs der Strecke mit Ausnahme der Stadt Gerolzhofen ausgehen, will die Bahn keine Garantie übernehmen.

Werden Anlagen abgebaut?

Hinter vorgehaltener Hand wird von einem weiteren großen Stein berichtet, den die DB einem potenziellen Käufer und Reaktivierer der Strecke in den Weg legen könnte. Gemeint ist der Abbau von Schalt- und Sicherungsanlagen sowie Steuerungskabeln an mehreren Stellen. Diese Streckeninfrastruktur soll nach Informationen dieser Redaktion nicht mitverkauft werden. Regelrecht dreist erscheint die Bedingung, die Kosten für diesen Abbau auch noch dem Käufer aufzuerlegen. Und die Bahn würde, so heißt es, nicht einmal eine Summe nennen, die auf einen Käufer zukäme. Sollte das stimmen, würde die DB nicht nur ohne Not Einrichtungen abbauen, die einst mit Steuermitteln bezahlt worden waren. Schlimmer noch: Wollte einer der Kaufinteressenten wieder Verkehr auf die Strecke bringen, müsste er die zuvor zwangsweise auf seine Kosten beseitigten Anlagen wieder einbauen, was noch einmal mit Kosten und Arbeiten verbunden wäre.

Kritiker werfen der Bahn vor, ihre Immobilie jetzt in großer Eile verkaufen zu wollen, ohne das Ergebnis des politischen Prozesses abzuwarten. Der Käufer solle die Katze im Sack kaufen und werde nur mit Pflichten, aber keinerlei Rechten belegt. Und die Bahn wolle Teile der Strecke ohne Entwidmung zurückbauen. Die mit diesen Vorwürfen konfrontierte Pressestelle der Deutschen Bahn in München hüllt sich wie fast immer bei Anfragen dieser Redaktion weitgehend in Schweigen. Immobilien wie die Steigerwaldbahn werden von der Deutschen Bahn grundsätzlich als Gewerbe-Immobilien angeboten, hieß es lediglich. Ansonsten bittet der Bahnsprecher um Verständnis, dass sich die Bahn zu Vertragsverhandlungen grundsätzlich nicht öffentlich äußert.

Wortkarge DB

Dabei hatte der Fragenkatalog dieser Redaktion eigentlich wenig mit den Vertragsverhandlungen zu tun, sondern bezog sich auf das Verhalten der DB. Es ging unter anderem lediglich darum, warum es die Bahn plötzlich so eilig mit dem Verkauf hat und warum sie Streckeninfrastruktur abzubauen gedenkt, obwohl die Strecke noch für Bahnbetriebszwecke gewidmet ist.

Noch besteht die Möglichkeit, dass interessierte Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen Einwende gegen die von den Anliegergemeinden angestrebte Entwidmung der Strecke bei den zuständigen Behörden (Regierung von Mittelfranken und Eisenbahnbundesamt) einlegen, was nach unserer Information auch geschehen soll. Wenn ernst zu nehmendes Interesse an der Strecke vorhanden ist, kann sie nicht entwidmet werden. So steht es in Paragraf 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. "Die zuständige Planfeststellungsbehörde stellt (...) die Freistellung von den Bahnbetriebszwecken fest, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist."

Die Entscheidung der Kreistage Kitzingen und Schweinfurt, eine Potenzialanalyse erstellen zu lassen, ist bereits ein Schritt, zumindest bis zum Vorliegen der Analyse eine Entwidmung zu verhindern. Nun kommt es darauf an, ob die Bahn ihre Liegenschaft an einen Bewerber verkauft, der die Strecke wieder nutzen möchte. Fällt die Strecke in andere Hände, müsste der neue Eigentümer wohl rein rechtlich einem Bahnbetrieb zustimmen. Praktisch könnte er aber Bemühungen zur Modernisierung und Reaktivierung erschweren oder gar verhindern.

 
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  • J. B.
    Schon Interessant. Aus einem Verkehrsmittel mache ich drei.
    Ich muss von einer umliegenden Gemeinde mit einem Zubringer-Bus nach Gerolzhofen gefahren werden, fahre dann mit dem Zug weiter zum Bahnhof in SW, um dann wieder am Bahnhof mit dem Stadtbus weiter zum Ziel fahren zu können ??? Was bringt mir denn der Zug ???
    Auch die Schüler kommen nach GEO ohne Zug und die weiterführenden Schulen befinden sich nicht an der Bahnlinie.
    Wir haben wahrlich ganz andere Probleme in Gerolzhofen als eine Bahnreaktivierung die keinen Nutzen sondern nur Kosten erzeugt.
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  • N. K.
    "Gutachten von unabhängigen Fachleuten" - so überschrieben ist ein weiterer Leserbrief zum Thema Steigerwaldbahn, der heute (15. April) hier in der Gerolzhöfer Ausgabe der MAIN-POST zu lesen ist.

    Nur am Rande: Die sogenannte 1.000er-Grenze ist nun erfreulicherweise auf dem Prüfstand. Die Befürworter der Fuchstalbahn bei Schongau haben dafür gesorgt, dass sich die Freien Wähler des Themas annehmen. Es wird also noch spannend (bei der Steigerwaldbahn wäre diese Grenze ohnehin überschritten).
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  • J. B.
    Recht hat die DB. Steuerverschwendung vermeiden. Es kommen hohe Kosten auf die Gemeinden und den Steuerzahler zu. Es sollen die Leute mit Zubringerbussen nach Gerolzhofen gekarrt werden, um dann mit dem Zug weiterzufahren und dann wieder in den Stadtbus zu steigen um ans Ziel zu kommen. Wer macht denn sowas?
    Wo Zeit das knappste Gut heutzutage ist.
    Wir haben eine intakte Buslinie und die durch die Bahnlinie zu ersetzten ist doch Wahnsinn und bringt keinem einen Vorteil!
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  • F. R.
    Und wie kommt der Bus über die Maxbrücke, wenn sie 2022 abgerissen wird? Und wenn die neue Brücke wieder steht, wird die Hahnenhügelbrücke in zwei Etappen abgerissen und wieder aufgebaut. Alles bei ständig kreuzenden Schiffsverkehr, ggf. Hochwasser & Eisgang. Und wenn nach langer Zeit beide Brücken fertig sind, ist es immer noch zu wenig für heutige Verhältnisse! Der Verzicht auf die "Dritte Mainbrücke" rächt sich! Zudem bleibt auch bei einer neuen, ggf. vierspurigen, Maxbrücke das zweispurige Nadelöhr Ludwigsbrücke & SWer Straße. Keine Busspur möglich, der Bus steht da heute schon im Stau! Das ist doch keine Option für die Zukunft! Wir brauchen deshalb die Gerolzhöfer Eisenbahnbrücke als "Dritte Mainbrücke".

    Vom Sennfelder Bf. ist man zu Fuß in 10 Minuten in der City. Die Parkplätze am Wasserwerk sind immer belegt!

    Die Bahn bringt eine elegante, zukunftstaugliche Lösung - i. Ggs. zum hausbackenen, provinziellen, kurzsichtigen Geo-Bus. Andere, konkurierende Regionen schlafen nicht!
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  • M. S.
    Stadtbus? Das sieht man wie kleinräumig sich denken.
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  • F. R.
    Dem Konzernbevollmächtigten der DB für den Freistaat Bayern Klaus-Dieter Josel schrieb ich eine E-Mail zum Verkaufsangebot der DB der Steigerwaldbahn.

    Seine Antwort: "Die BEG [Bayerische Eisenbahngesellschaft] trägt dafür Sorge, dass der Nahverkehr die steigenden Mobilitätsanforderungen unserer Gesellschaft erfüllt. Sie plant, finanziert und kontrolliert somit den Schienenpersonennahverkehr in ganz Bayern. Dazu gehört auch die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die BEG ein verkehrliches Bedürfnis erkennt. Uns wurde seitens der BEG bisher nicht signalisiert, dass sie eine Reaktivierung der Steigerwaldbahn in Erwägung zieht."

    Darauf antwortete ich, dass der Kreistag des LA SW sich mehrheitlich gegen eine Entwidmung der Steigerwaldbahn aussprach und die DB gewählten Volksvertretern nicht in den Rücken fallen sollte. Bis heute erhielt ich dazu von Klaus Dieter Josel keine Antwort.
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  • N. K.
    Es stellt sich für mich die Frage, ob da nicht irgendwelche Politgrößen ihre Finger mit im Spiel haben. Dass sich die Bahnoberen so einlullen lassen...?
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  • T. V.
    Jahrzehntelang hat die DB nichts getan, jetzt plötzlich will sie das Staatseigentum verramschen???
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  • G. E.
    Kaum zu glauben! Jahrelang geht nix (anderes Thema aber siehe auch Interessent Blum, ihm wurden viel Steine in den Weg gelegt....) und jetzt geht's der DB nicht schnell genug.....
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