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Schweinfurt
Richterin: "Krankheitseinsicht ist beim Beschuldigten eher ein Lippenbekenntnis"
Der an paranoider Schizophrenie erkrankte 35-Jährige mit gewalttätigen Ausrastern wird in der Psychiatrie untergebracht.
Die Große Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt entschied, dass ein an paranoide Schizophrenie erkrankte 35-Jähriger in der Psychiatrie untergebracht wird. 
Foto: Patty Varasano | Die Große Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt entschied, dass ein an paranoide Schizophrenie erkrankte 35-Jähriger in der Psychiatrie untergebracht wird. 
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 20.10.2024 02:28 Uhr

Drei Beamte habe es gebraucht, um den aggressiven 35-Jährigen in der Nacht des 10. Januar 2024 zu Boden zu bringen, sagt der damalige Einsatzleiter der Polizei als Zeuge am dritten Verhandlungstag vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt. Der psychisch kranke Mann hatte kurz davor in einem Dorf im Landkreis Bad Kissingen einen Nachbarn aus dem Bett geklingelt und mit einem Maurerhammer in der Hand wirre Drohungen gegen dessen Kinder ausgesprochen, "wenn sie damit nicht aufhören". Als die Polizei ihn zur Dienststelle mitnehmen will, habe er die vier Polizisten sofort übel beleidigt und gesagt, "wir sind nicht von der BRD, wir hätten hier gar nichts zu sagen", so der Beamte. Dann folgten Tritte und Schläge gegen die Polizisten und die Drohung: "Ihr werdet alle sterben, ihr werdet die Rache spüren."

Auch Onkel und Tante des 35-jährigen Beschuldigten sind auf ihre zweite Ladung hin nun als Zeugen erschienen. Bei ihnen hatte er eine Art "Todesanzeige für alle – uns, die Kinder und Enkelkinder – in elffacher Ausfertigung in den Briefkasten geworfen", sagt die Tante. Dazu einen derart wirren Text, mit dem sie gar nichts anfangen konnten. Extrem verunsichert und verängstigt habe sie das dennoch, weshalb sie umgehend Anzeige erstattet hätten. Die Drohung hätten sie ernst genommen.

Mit harter Faust und Vorschlaghammer

Zuvor war der Mann schon einmal auf zwei seiner Nachbarn losgegangen, hatte sie brutal mit der Faust geschlagen. Bei einem weiteren Vorfall lief er mit einem großen Vorschlaghammer durch die Straße und zertrümmerte zwei Autofenster. Eine Angestellte, die das mitbekam, sorgte sich um 15 Kinder im Proberaum der Musikschule. Wie krank und potenziell gefährlich ist der gelernte Verwaltungsfachmann eigentlich? Erheblich genug, um ihn nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, meint der Gutachter.

Seit 2013 sei bei dem Mann paranoide Schizophrenie diagnostiziert, die sich nach dem Tod seiner Mutter 2020 wohl noch deutlich verschlimmert habe. Bei allen Vorfällen sei die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten aufgehoben gewesen. Die Krankheit sei andauernd, der Beschuldigte sei diesbezüglich nicht einsichtig und lehne jede Medikation ab. In diesem Zustand in Freiheit bestehe die Gefahr, dass er erneut Straftaten begehe, auch Körperverletzungen. Die Wahrscheinlichkeit sei zehnfach höher als bei nicht erkrankten Personen. Eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung empfahl der Psychiater ausdrücklich nicht.

Bei allen Taten schuldunfähig

Genau in diesem Sinne plädierte die Staatsanwältin. Bei allen Taten habe der 35-Jährige mangels krankheitsbedingter Einsichtsfähigkeit ohne Schuld gehandelt. Er müsse untergebracht werden, weil bei ihm keine Krankheitseinsicht vorhanden und nicht sicher sei, dass er Medikamente nehme und sich an Weisungen halte. Die Verteidigung verwies auf keinerlei Vorstrafen bei ihrem Mandanten. "Ganz schlimme Delikte" habe er nicht begangen. Die Unterbringung solle zur Bewährung ausgesetzt, ein Bewährungshelfer bestellt und Arbeitsstunden verhängt werden.

Die Kammer entschied auf Unterbringung – ohne Bewährung. "Er ist paranoid schizophren", so die Vorsitzende. Und: "Manche Dinge von kranken Personen muss eine Gesellschaft aushalten, etwa Beleidigungen." Nicht aber gefährliche Körperverletzungen wie Faustschläge und Tritte ins Gesicht. "Krankheitseinsicht ist bei ihm eher ein Lippenbekenntnis." Er nehme keine Medikamente, für ihn sei nicht einmal ein richtiges Präparat gefunden ,und sein soziales Umfeld könnte ihn nicht auffangen. "Da ist Bewährung schwer vertretbar." Gegen das Urteil ist Revision möglich.

 
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