
Am 10. Januar dieses Jahres, kurz nach Mitternacht, klingelt's an der Haustür. Der 51-jährige Bauingenieur, Vater zweier Söhne, öffnet im Schlafanzug. Vor ihm steht der 35-jährige Nachbar. "Meine Jungs sollen aufhören", habe er gesagt – aber nicht womit. Seine Kinder hätten mit ihm praktisch nichts zu tun.
Zur Unterstreichung seiner Forderung habe der Nachbar ihm im Lauf des Gesprächs einen Maurerhammer unter die Nase gehalten. "Innerlich wirkte er angespannt", sagt der 51-Jährige über den nächtlichen Besucher, "ich hatte Angst in diesem Moment." Erhoben habe der 35-Jährige den Hammer aber nicht.
Etwa 20 Minuten später stehen zwei Streifenbesatzungen der Inspektion Bad Kissingen vor dem Haus des 35-Jährigen. Sein Vater öffnet Hoftor und Tür, dann kommt auch der Sohn heraus auf das Treppenplateau des Anwesens und beginnt unverzüglich mit Beschimpfungen der Beamten: Sie seien "Wichser, Schwuchteln, Arschlöcher, Idioten, Mörder, Affen, Piraten". Was die Liste der üblichen Unverschämtheiten gegen Polizisten hergibt, führt die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft auf. Drei beteiligte Einsatzkräfte bestätigen es als Zeugen am zweiten Verhandlungstag im Sicherungsverfahrens gegen den 35-jährigen Rentner aus einer Gemeinde im Landkreis Bad Kissingen.
Polizisten seien "nicht von Deutschland"
Dazu kommt ein Reichsbürgerspruch: "Wir sind nicht von Deutschland und sollen uns verpissen", zitiert eine Polizistin den Beschuldigten. Weil er verbal immer aggressiver wird und erst kurz davor mit einem Hammer unterwegs war, beschließen die Beamten, von der "Gefährderansprache" zur Festnahme des Mannes überzugehen. Dagegen wehrt er sich aber heftig, zwei Polizisten verletzt er dabei so gravierend, dass sie zur Abklärung ins Krankenhaus müssen. All dies kommt in den Zeugenaussagen ausführlich zur Sprache.
Gefesselt an Händen und Füßen, wird der 35-Jährige in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht, in dem er bis heute einstweilig untergebracht ist. Nun hat die Große Strafkammer des Landgerichts über seine mögliche dauerhafte Unterbringung zu entscheiden. Dass der Mann an paranoider Schizophrenie leidet und alle ihm zur Last gelegten Straftaten "im Zustand der Schuldunfähigkeit" begangen haben soll, davon geht die Staatsanwaltschaft aus.
Säumigen Verwandten droht Ordnungsgeld
Eine Angestellte der Musikschule berichtet, wie sie den Beschuldigten am Tag vor Heiligabend 2022 mit einem großen Vorschlaghammer über den Parkplatz laufen sah, nachdem sie über zwei demolierte Autos informiert worden war – und Angst um ihre 15 Kinder im Probenraum bekam. Sie habe ihn angesprochen, doch er "wirkte eher neben sich". Verabschiedet habe er sich mit "Tschüss, ihr Nazischweine".
Der für den 35-Jährigen zuständige Psychologe in der Forensik sagt, der Beschuldigte habe ihn als Behandler loswerden wollen und lehne jede Medikation ab. Es laufe ein Antrag auf Zwangsmedikation, über den noch nicht entschieden sei. Seine paranoide Schizophrenie zeige einen chronischen Verlauf mit phasenweise Verbesserungen und Verschlechterungen.
Das Gericht nimmt auch "Beileidskarten" in Augenschein, abgeschickt und signiert vom Beschuldigten, adressiert an Verwandte: Onkel und Tante sowie deren Kinder, die er als "Verstorbene" bezeichnet. Onkel und Tante sind als Zeugen geladen, aber unentschuldigt nicht erschienen. Die Staatsanwältin beantragt deshalb, ein Ordnungsgeld gegen sie zu verhängen, "ersatzweise Ordnungshaft". Sie werden zum nächsten Termin erneut geladen – am 15. Oktober, 9.20 Uhr.