Schüler, Eltern und Lehrer der Walther-Rathenau-Schulen können ihr Glück kaum fassen. Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres ist das Damoklesschwert der Gymnasiums-Schließung abgenommen worden. Oberbürgermeister Sebastian Remelé will die Rathenau-Schulen nun doch erhalten.
Kommentar : Rechtzeitige Kurskorrektur
Hauptgrund für die spektakuläre Kehrtwende in der Causa Rathenau ist die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung, ab dem Schuljahr 2018/19 in allen bayerischen Gymnasien eine so genannte Mittelstufe plus zuzulassen. Im Moment gibt es diese nur in 47 Pilotschulen, dort wählten 70 Prozent der Schüler den neunjährigen Weg zum Abitur und nicht das G8.
Ab übernächstem Schuljahr kann jedes Gymnasium selbst entscheiden, dieses Angebot zu machen. Da die bayerischen Eltern von Gymnasialkindern in Umfragen in deutlicher Mehrheit pro G9 sind, dürfte sich das auch signifikant positiv auf die Schülerzahlen in den vier Schweinfurter Gymnasien auswirken. Die mögliche Rückkehr zum G9 hat das Modus-Institut, das im Auftrag der Stadt Schweinfurt den Schulentwicklungsplan erstellt hat, mittelfristig zwar versucht zu berücksichtigen. „Eine solche Kehrtwende der Staatsregierung und die Veränderungen im bayerischen Bildungssystem, die durch die geplante Parallelstruktur bevorstehen, war so nicht vorherzusehen“, heißt es in einer Erklärung der Stadt.
Zukunftsfähige Schullandschaft
Der OB betonte, er stehe nach wie vor zu den Überlegungen bezüglich der Zukunft der Rathenau-Schulen. „Mein vorrangiges Ziel ist es, eine zukunftsfähige Schullandschaft für Schweinfurt und die Region zu schaffen. Jetzt haben wir die Chance, die Entwicklung der Rückkehr des G9 zu beobachten“, so Remelé. Er werde deswegen dem Stadtrat in dessen im Moment für den 18. November geplanten Sondersitzung zum Thema Schulentwicklungsplan vorschlagen, „die Rathenau-Schulen vorerst nicht zu schließen, die neuen Entwicklungen in der bayerischen Schullandschaft aber weiter zu beobachten.“
Zukunft der Schonunger Realschule?
Diese Entscheidung hat auch große Auswirkungen auf die Pläne des Landkreises, die Schonunger Realschule mit der Rathenau-Realschule in deren Räumen ab 2025 zu verschmelzen. Stand jetzt wird das nicht passieren. Neben der neuen Entwicklung in Sachen G9 weist die Stadt in ihrer Erklärung auch darauf hin, dass weiter unklar sei, wann und wie der Kreistag zum Thema Verlagerung der Schonunger Realschule entscheidet. Remelé dankte Landrat Florian Töpper ausdrücklich für die „vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit“.
Er sehe sich als Oberbürgermeister „in der Pflicht, Schweinfurt als Ganzes zu betrachten, Entwicklungen genau zu beobachten, um entsprechende Weichen für die Zukunft stellen zu können. Auch wenn dies bedeutet, dass ich Entscheidungen treffen muss, mit denen ich keine Wählerstimmen gewinne“, so Remelé in seinem Statement.
Landrat Florian Töpper (SPD) erklärt, er könne „die aktuellen Beweggründe der Stadt sehr gut nachvollziehen.“ In jeder Hinsicht wäre es eine schwere Entscheidung für Stadtrat und Kreistag geworden. Wie es mit der Schonunger Realschule jetzt weitergeht, da die Fusion mit der Rathenau-Realschule vom Tisch ist, ist noch offen. Töpper erklärt, „dass auch künftig interkommunale Zusammenarbeit, wann immer es angezeigt ist, stattfinden muss. Unser beider Bestreben ist und bleibt es, die Region zu stärken und dazu gehört selbstverständlich auch eine zukunftsfähige Schullandschaft.“
Vorschläge für andere Schularten
Die Schweinfurter Finanz- und Pressereferentin Anna Barbara Keck betont im Gespräch mit dieser Zeitung, dass sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zum Frühsommer gravierend geändert hätten. Man habe in der Sommerpause in der Verwaltung intensiv diskutiert, „es wäre aus unserer Sicht jetzt das falsche Signal, die Schulen zu schließen, denn die aktuelle Situation hat sich geändert.“ Finanzielle Gründe hätten, das hatte Keck auch schon mehrfach betont, ohnehin keine Rolle gespielt. Keck hob auch hervor, dass die Entscheidung pro Rathenau natürlich nicht den ganzen Schulentwicklungsplan obsolet mache. Dieser enthält neben den Empfehlungen zu Gymnasien und Realschulen auch Empfehlungen zur Zukunft der Grundschulen, der Schulsprengel, der Mittelschulen, der FOS/BOS und der Berufsschulen.
„Die Zielrichtung des Schulentwicklungsplanes ist grundsätzlich richtig“, so Keck. Die Verwaltung werde nun die Vorschläge zu den anderen Schularten vor allem unter finanziellen Gesichtspunkten bewerten und entsprechende Vorschläge für den Stadtrat und die Ausschüsse vorbereiten.
Schulleiter erleichtert
Die Erleichterung bei Schulleiter Ulrich Wittmann, als er die gute Nachricht bekam, war fast schon greifbar. „Für uns steht der reguläre Schulbetrieb im Vordergrund, wir wollen gemeinsam mit den Schülern gut ins neue Schuljahr starten“, so Wittmann. Er weiß natürlich auch, „dass wir als Schule jetzt besonders gefragt sind, das Vertrauen der Eltern wieder herzustellen.“ Zum neuen Schuljahr gibt es wie immer drei fünfte Klassen im Gymnasium mit 55 Schülern und vier fünfte Klassen in der Realschule mit 96 Schülern. Die Zahlen liegen nur leicht unter den Werten der Vorjahre, die im Juni befürchtete Abmelde-Welle hat es nicht gegeben.
Auch die Personalratsvorsitzende Jutta Rösch freut sich über die Entscheidung, „jetzt bleibt die Schullandschaft in Schweinfurt so vielfältig wie sie ist.“ Das Kollegium sei sich bewusst, „dass wir jetzt erst recht um jeden Schüler kämpfen und Vertrauen wieder aufbauen müssen.“