Ein Tierorakel durfte nicht fehlen bei der Europameisterschaft, kurz vor dem ersten Public Viewing im Sachs-Stadion: Die Katze eines Finanzamt-Mitarbeiters soll kühn auf "Unentschieden" getippt haben für das Auftaktspiel Schottland gegen "Schland", laut dessen Oberwerrner Kollegen. Für schottisches Wetter war in jedem Fall gesorgt, als sich am Freitagabend die Blicke auf die LED-Videowand und manche Wolke über dem Eingangstor richteten.
An die 400 Besucherinnen und Besucher zählten die Security-Mitarbeiter aus Höchberg und die Ordner des FC Schweinfurt. Viel zu tun hatten aber weder die Aufsicht noch die Rotkreuzsanitäter. Die Stimmung war gelöst und friedlich, selbst das Wetter hielt beim anfangs leicht unterkühlten Frühsommermärchen.
Als statt Regenschauern die Torschüsse des Nagelsmann-Teams prasselten, wurden die Fans regelrecht temperamentvoll, warfen Becher nach oben und stimmten "Major Tom"-Gesänge an: Rund zwei Stunden lang durften sich die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Stadtrandarena wie auf dem Deck eines entrückten Raumschiffs fühlen. Die Katz war sowieso gebläut mit ihrer Pfotenprognose. Nach den zügigen Treffern von Wirtz und Musiala kam das Publikum auf Betriebstemperatur, spätestens nach dem 3:0 vor der Halbzeitpause war das Stadion völlig losgelöst von der Erde.
Trikot von Manuel Neuer verlost
Fußballspieler Moritz Rottmann, beim TSV Ettleben/Werneck bekannt als "Megaphon-Mann", übernahm souverän Mikro und Moderation: Vom Stadionsprecher gab es Werbung für die Verlosung, bei der als Hauptgewinn ein spielbewährtes Trikot von Manuel Neuer winkte. Der Claim "Schweinfurt ist bunt" stimmte auch hier wieder einmal wirklich: Viele Deutschlandfans besaßen ebenso Migrationshintergrund wie Begeisterung. Allein die vietnamesische Community der Stadt war gut vertreten, ein kleines Mädchen aus dem "Land des Lächelns" schwenkte eifrig Schwarz-Rot-Gold.
Schüler aus Szczecin (alias Stettin) jubelten bei jedem Treffer der bundesdeutschen Elf mit. Die polnischen Jugendlichen waren Gast des Regiomontanus-Gymnasiums in Haßfurt. New Yorker Touristen wurden im "Pig Apple" Schweinfurt ebenfalls gesichtet. Zwei junge Deutsch-Syrer und ihr amerikanischer Kumpel hätten gerne eine namentliche Erwähnung in der Zeitung. Voila – Ahmad Akhmad Alhajji, Mohammad Aldnifat und Mikel Kasa waren ebenfalls auf der Fanmeile dabei.
Stichwort Fußballnation Syrien: Der letzte große internationale Erfolg war, immerhin, die WAFF-Meisterschaft der Westasiatischen Fußballföderation 2012, mit einem 1:0 gegen den Irak, im "Freundschaft & Frieden-Stadion" von Kuwait. Mainstrom-Uranwohnerinnen und -anwohner feierten natürlich auch reichlich mit, meist in weißen statt pinken Trikots, dazu gesellten sich zahlreiche Kinder.
Verpflegung passend zu den EM-Kontrahenten
Etwaig vorhandene Schottland-Fans in der Partnerstadt von Motherwell durften sich am Würstchenstand des Hambacher "Food Warriors" Ansgar Zänglein trösten. Dessen Grillware bestand nicht etwa aus Haggis, sprich Schafsschnickerli, sondern feinstem "Duke of Berkshire"-Schwein, wenn auch in kleinerer Größe als üblich: "Schotten sind geizig", flachste Dorfwirt Zänglein. Beim nächsten Spiel soll eine größere Wurst nach ungarischem (Geheim-)Rezept brutzeln, gefolgt von Schweizer Würstli mit Käse. Ansonsten stehen noch die heimische XL Kebap Lounge sowie Wein und Bier der kulinarischen Lokalmatadore Dahms und Roth bereit.
Das mit dem schottischem Geiz ist natürlich Klischee, die Schotten geizten an diesem Abend nur mit Toren. Sogar nach dem "Oh, wie ist das schön" der Besucherinnen und Besucher zum scheinbar finalen 4:1, sorgten die Nagelsmänner mit einem weiteren Treffer für tosenden Jubel, dank Emre Can. Am Mittwoch wird sich zeigen, ob in der Gruppe A auch noch der Puszta die Puste ausgeht, wenn ab 18 Uhr Deutschland auf Ungarn trifft. Die Schweizer schwitzen am folgenden Sonntag, ab 21 Uhr, gegen die DFB-Elf, der kostenlose Einlass ins Stadion beginnt jeweils eine Stunde früher.