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Schweinfurt
Psychiatrie-Patient attackierte Pfleger mit Messer und setzte damit sein Leben in Freiheit aufs Spiel
Im Sicherungsverfahren vor dem Landgericht räumt der Beschuldigte die Tat ein. Ein Motiv wie seines hört man nicht oft vor Gericht.
Das Amtsgericht in der Rüfferstraße 1 in Schweinfurt. 
Foto: Patty Varasano | Das Amtsgericht in der Rüfferstraße 1 in Schweinfurt. 
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 22.09.2024 02:28 Uhr

Fast zwei Jahre ist es her: Anfang Februar 2022 befindet sich der heute 41-jährige Schweinfurter im Raucherraum der geschlossenen Abteilung eines Bezirkskrankenhauses. Als ein 24-jähriger Pfleger hinzukommt und einem Patienten eine Zigarette anzünden will, nimmt ihn der 41-Jährige unvermittelt von hinten in den Schwitzkasten und schlägt ihm mit der rechten Hand mehrmals gegen Kopf und Nacken. Ein Buttermesser hatte der Angreifer nach den Worten des Staatsanwalts "so um seine Fingerknochen gebogen, dass es wie ein Schlagring fungierte".

Andere Patienten eilen dem 24-Jährigen zu Hilfe, einer holt einen weiteren Krankenpfleger dazu. Zu viert schaffen sie es, dem 41-Jährigen das gebogene Messer abzunehmen, ihn zu Boden zu bringen und zu fixieren. Zum Glück trägt der Attackierte keine schwerwiegenden Verletzungen davon. Laut Antragsschrift des Staatsanwalts waren es "Kratzer im Nacken- und Rückenbereich, eine Beule am Hinterkopf sowie Kopf- und Nackenschmerzen".

Er wollte von der Station ins Gefängnis

Warum ist der 41-Jährige an diesem Nachmittag derart ausgetickt? "Ja, es war eine Scheißaktion von mir", räumt er vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt ein. Er habe den Pfleger, der "ein Supertyp" sei, körperlich angegangen und sich dann bei ihm entschuldigt. Sein Motiv: "Ich war verzweifelt, ich wollte aus der Station weg und lieber in Haft." "Deutlich psychotisch" sei der 41-Jährige damals gewesen. Er habe sich "psychisch überwacht" gefühlt, so der Pfleger.

Laut Antragsschrift leidet der Mann an einer paranoiden Schizophrenie und war zur Tatzeit "nicht in der Lage, das Unrecht der Tat einzusehen", also schuldunfähig. Deshalb hat der 41-Jährige auch kein Strafverfahren am Hals, sondern ein Sicherungsverfahren, in dem ihm eine zeitlich unbefristete Unterbringung in der Psychiatrie droht.

"Von ihm sind erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, und er ist deshalb für die Allgemeinheit gefährlich", so der Staatsanwalt. Seit 2004 hat der Beschuldigte 14 Vorstrafen in großer Bandbreite gesammelt. Darunter Handeltreiben mit Betäubungs- und Arzneimitteln, versuchte räuberische Erpressung, tätliche Angriffe auf und Widerstand gegen Polizisten, Hausfriedensbruch, Körperverletzungen, Bedrohungen, Beleidigungen, Nötigung, Urkundenfälschung und ein Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz. Er war mehrfach in Haft oder im Maßregelvollzug.

Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt

Laut dem psychiatrischen Gutachter leidet der Beschuldigte mindestens seit 2019 an paranoider Schizophrenie mit Symptomen wie Verfolgungswahn. Zur Tatzeit sei er sicher psychotisch gewesen. In diesem Zustand sei er gefährlich, wie auch in jüngerer Zeit ein Angriff auf eine Krankenpflege-Schülerin und das Schubsen eines Mannes ins Gleisbett am Frankfurter Bahnhof zeigten.

Er empfahl die Unterbringung des 41-Jährigen in der Psychiatrie nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch, die unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Das beantragte auch der Verteidiger, der Staatsanwalt jedoch wollte die Unterbringung vollzogen wissen. Zu ungewiss sei, ob der Beschuldigte seine Medikamente verlässlich einnehme, zumal er sich zuvor verbal heftig gegen eine vom Sachverständigen empfohlene Depotspritze gewehrt hatte.

Die Große Strafkammer entschied am zweiten Verhandlungstag nach langer Beratung auf Unterbringung des Mannes in der Psychiatrie, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Seit eineinhalb Jahren habe er trotz eines Drogen-Rückfalls keine Straftaten mehr begangen, eine Arbeitsmaßnahme nehme er zuverlässig wahr und er sei sozial eingebunden. Er steht fünf Jahre unter Bewährung und Führungsaufsicht – und hat viele Auflagen zu erfüllen. Bei Verstößen droht der Widerruf. Das Urteil ist rechtskräftig.

 
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