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Schweinfurt
Prozess wegen versuchten Totschlags in Schweinfurt: Hat eine 29-Jährige versucht, ihren Ex-Mann zu erstechen?
In einer Wohnung in Bad Neustadt eskaliert ein Streit zwischen einem Ex-Ehepaar. Am Ende hat der Mann eine Stichwunde. Die Frau spricht von einem Unfall.
Eine junge Frau muss sich aktuell vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten, weil sie ihren Ex-Mann mit einem Messer angegriffen haben soll.
Foto: Anand Anders | Eine junge Frau muss sich aktuell vor dem Landgericht Schweinfurt verantworten, weil sie ihren Ex-Mann mit einem Messer angegriffen haben soll.
Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:17 Uhr

Bei dem, was sich am späten Abend des 13. April 2023 zwischen einem Ex-Ehepaar in einer Wohnung in Bad Neustadt abgespielt haben soll, gehen die Meinungen – zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt – weit auseinander. Man habe gefeiert und getrunken, mit einem gemeinsamen Bekannten. "Gechillt" sei es gewesen, so weit ist man sich einig. Dann sei ein Streit aufgekommen, an dessen Ende der Mann mit einer Stichverletzung unter der linken Achsel fluchtartig die Wohnung verließ.

Was dazwischen passiert ist, ist Gegenstand des Prozesses gegen eine junge Frau vor dem Schweinfurter Landgericht, die sich nun wegen versuchten Totschlags verantworten muss. Von dem "Dazwischen" gibt es mehrere Versionen; eine steht in der Anklageschrift: Die erheblich alkoholisierte Frau soll sich während eines Streits ein Messer gegriffen und auf ihren Ex-Mann eingestochen haben. 

Frau beteuert, der Mann sei "ins Messer gefallen"

Geht es nach der Frau, ist sie zuerst von ihrem Ex-Mann angegriffen, gewürgt und zu Boden gebracht worden. Anschließend habe sie sich ein Messer und das Stammbuch genommen und sei ihm ins Schlafzimmer gefolgt. Dort habe sie vor seinen Augen die Heiratsurkunde zerschneiden wollen. Als der Mann sie davon habe abhalten wollen, sei er über seine Hausschuhe gestolpert und "ins Messer gefallen", schildert die 29-Jährige vor Gericht. Im Anschluss an den Vorfall habe sie die Polizei verständigt. Sie sagt: "Ich würde niemals etwas tun, weshalb ich jahrelang von meinen Kindern getrennt bin."

Ihr Ex-Mann, selbst in Handschellen und Fußfesseln vorgeführt, möchte vor Gericht nichts sagen. Ob die Kammer seine Aussagen bei der Polizei verwerten dürfe, will die Vorsitzende Richterin wissen. Die, fragt er zurück, bei der ihm erzählt worden sei, dass er aus Versehen ins Messer gerannt ist? "Was soll ich dazu sagen?", fragt er schließlich und verneint. Beamte bringen ihn hinaus, er sitzt wegen einer anderen Sache in Haft.

Kumpel sagt, er habe die Frau abhalten wollen

Und dann ist da noch der Kumpel des Paares. Der habe zwar die Eskalation mit dem Messer nicht gesehen, sagt er, will aber von der Angeklagten gehört haben, wie sie "Ich stech' den ab" gesagt hat, nachdem sie sich ein Messer aus der Küche genommen habe. Der Kumpel will noch versucht haben, sie davon abzuhalten. Weil es ihm dann aber zu viel gewesen sei, sei er schließlich gegangen. Im Treppenhaus habe er den Verwundeten stehen sehen, anschließend den Krankenwagen gerufen.

Auch die Gerichtsmedizinerin kann nicht alle offenen Fragen klären, sagt aber: Es sei nicht auszuschließen, dass der Mann ins Messer gefallen sei, plausibler aber sei ein einfacher Messerstich. Was die Verletzungen der Frau angehe, könne ein vorangegangener Angriff des Mannes nicht ausgeschlossen werden. Die 29-Jährige habe Verletzungen an den Armen und Hautrötungen am Hals gehabt. Lediglich dass es keine Einblutungen gab, spreche gegen ein langes Würgen.

Unterschiedliche Schilderungen zum Ort des Geschehens

Es ist auch nicht klar, wo der Messerstich überhaupt stattgefunden haben soll. Die Angeklagte behauptet: im Schlafzimmer. Dort, wo die gemeinsamen Kinder schliefen. Ob diese dadurch nicht wachgeworden seien, will die Richterin von der Frau wissen, von dem Würgen durch den Mann, dem Messerstich. Sie verneint. Der Kumpel verortet den Vorfall im Flur, wo die Polizei auch Blutspuren fand. 

In seinem psychiatrischen Gutachten stellt der Sachverständige fest, dass "keine überdauernden psychischen Störungen" bei der Angeklagten vorliegen. Was die Tatnacht angehe, habe die 29-Jährige zwar unter Alkohol gestanden, könne sich aber an alles erinnern und sei in der Lage gewesen, die Situation zu realisieren. Es gebe keine Hinweise auf eine verminderte Steuerungsfähigkeit.

Staatsanwaltschaft fordert mehrjährige Haftstrafe

Für die Staatsanwaltschaft ist die Einlassung der Angeklagten "unplausibel" und "konstruiert". Ein Unfall sei auszuschließen, es habe einen "bewussten Stich" gegeben, sagt der Staatsanwaltschaft in seinem Plädoyer. Dennoch geht er von einem "strafbefreienden Rücktritt des versuchten Totschlags aus", da die Angeklagte nach dem ersten Stich nicht weiter auf ihren Ex-Mann eingestochen habe. Die 29-Jährige sei massiv einschlägig vorbestraft und habe zur Tatzeit unter Führungsaufsicht und doppelter Bewährung gestanden. Der Staatsanwalt fordert: vier Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe.

Die Verteidigerin der jungen Frau geht von einem Unfall aus. "Warum soll sie sich das ausdenken? Warum soll sie selbst die Polizei rufen?", fragt die Anwältin in ihrem Plädoyer. Aus ihrer Sicht habe die Staatsanwaltschaft es nicht geschafft, eine vorsätzliche Körperverletzung oder eine Tötungsabsicht nachzuweisen. Sie sehe lediglich eine fahrlässige Körperverletzung und beantrage eine Geldstrafe.

Ihr tue es "unendlich leid", sagt die Angeklagte schließlich. "Es war ein Unfall, und dabei bleibe ich auch." Das Urteil wird am Donnerstag, 10 Uhr, verkündet.

 
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