Es war ein ohrenbetäubendes Hup- und Pfeifkonzert und ein beeindruckendes Bild: Vor dem Schaeffler-Werk in der Georg-Schäfer-Straße hatten sich Beschäftigte aufgereiht, corona-konform mit Abstand. Sie hielten Protestschilder hoch und schwenkten rote Fahnen. Ein Autokorso zog sich vom Eingang des Schaeffler-Werks über die komplette Georg-Schäfer-Straße hinweg. "Unser Herzstück wird herausgerissen", stand auf einem Banner, das aus dem Fenster hing. Oder: "Ohne Job keine Zukunft." Auf einer Motorhaube war ein Skelett drapiert.
Die IG Metall und die Betriebsräte hatten an allen deutschen Standorten des Automobil- und Industriezulieferers zu einem bundesweiten Aktionstag aufgerufen, um ihre Forderung nach Standorterhaltung und Arbeitsplatzsicherung zu untermauern. Zur Protestaktion in Schweinfurt waren auch Beschäftigte aus Eltmann, Höchstadt und Wuppertal gekommen, um draußen richtig Lärm zu machen, denn drinnen wurden die Verhandlungen zu den geplanten Werkschließungen in Eltmann und Wuppertal sowie die Abbaupläne für die Standorte Höchstadt und Schweinfurt fortgesetzt. Die Zwischenbilanz, die nach zwei Stunden Verhandlungen vorlag, schockierte. "Heute tun sich Abgründe für die Standorte Wuppertal und Eltmann auf", zeigte sich der zweite Bevollmächtige der IG Metall Schweinfurt, Thomas Höhn, erschüttert. Als "Entgegenkommen" habe der Arbeitgeber angeboten, den Standort Wuppertal mit 25 von den insgesamt 675 Arbeitsplätzen zu erhalten. "Das ist für alle ein Schlag ins Gesicht."
Noch vor zwei Wochen hatten die Arbeitnehmervertreter Hoffnung geschöpft. Das Management hatte zugesagt, das von Betriebsrat und Gewerkschaft erarbeitete Alternativkonzept zu prüfen. Es war mit dem arbeitnehmernahen Info-Institut erarbeitet worden, nachdem im September vergangenen Jahres der Schaeffler-Konzern mit dem Programm "Space" weitreichende Abbaupläne zur Verbesserung der Ertragslage angekündigt hatte. Schaeffler will in Deutschland 4400 Arbeitsplätze an 17 Standorten abbauen und sechs Standorte, darunter Eltmann und Wuppertal, schließen beziehungsweise verkaufen oder verlagern. Der IG Metall geht es vor allem darum, den Standort Eltmann mit seinen 450 Beschäftigten zu erhalten. Die Verlagerung von rund 280 Arbeitsplätzen aus dem Bereich Tonnenlager nach Schweinfurt ist für sie nicht akzeptabel. Das Gegenkonzept der Gewerkschaft sieht den Erhalt aller Standorte und einen deutlich geringeren Arbeitsplatzabbau vor.
"Die Integration von Eltmann in Schweinfurt können wir nicht mitgehen", machte der Vorsitzende des Konzernbetriebsrates, Salvatore Vicari, klar. Und das Angebot des Arbeitgebers für Wuppertal nannte er "völlig inakzeptabel". Clarissa Bader, die erste Bevollmächtigte der IG Metall Wuppertal, sagte es deutlicher: "Das ist eine Unverschämtheit." Man habe das Unternehmen und die Familie Schaeffler aufgefordert, ihrer sozialen Verantwortung für ihre Beschäftigten nachzukommen und die Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Der Protest werde weitergehen. "Wir werden jetzt aus allen Rohren schießen."
Tanyel Tas, Vertrauenskörperleiter der IG Metall Schweinfurt, heizte die Menge zwischen den Reden immer wieder an. "Macht richtig Lärm, dass sie rauskommen." Aber die Arbeitgebervertreter blieben drinnen. Mit Wut und Emotion trat der Betriebsratsvorsitzende aus Eltmann, Ulli Schoeplein, ans Mikrofon. Er bezeichnete die Bekundungen des Unternehmens zum Standort Deutschland als halbherzig. Schaeffler habe mit seinem Space-Programm endgültig den Pfad der Tugend verlassen. "Wir werden nicht klein beigeben. Wir werden für unsere Alternativen kämpfen."
Die Vertreter aller Standorte bekundeten ihre gegenseitige Solidarität. Alle Standorte sollen erhalten bleiben. Und sie kündigten an, dass diese Aktion erst der Auftakt sei. "Wir werden nicht aufhören zu kämpfen."