Vor gut einem Jahr hat Pia Jost Berlin den Rücken gekehrt, ist mit ihrer Familie nach Franken gezogen, zunächst einmal des Jobs wegen. Aber auch, weil die Stadt, in der sie geboren wurde und aufgewachsen ist, in deren Einzugsbereich sie gearbeitet hat, so anders geworden ist. Kälter, abweisender, aggressiver. Franken dagegen hat die 47-Jährige, die vor gut einem Jahr den Job als Leiterin des Amtes für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften angetreten hat, gut aufgenommen. Von Anfang an haben sie und ihre Familie sich hier wohlgefühlt. Schon der erste Eindruck von Schweinfurt, das sie bis zur Stellenausschreibung zwar dem Namen nach über SKF kannte, war "toll". Die Menschen – viel freundlicher, entspannter. Auch die Stadt gefällt ihr, und die Umgebung. Heute wohnt Pia Jost mit ihrer Familie in Gochsheim, wo sie ein Haus gekauft haben. Wohl fühlen sie sich hier, sagt Jost.
Gereizt hat sie allerdings nicht allein Schweinfurt, es war der Job, für den Pia Jost brennt. Das merkt man schnell im Gespräch und auch, dass sie schon vorher 15 Jahre im Bereich Wirtschaftsförderung Erfahrungen gesammelt hat. Viele davon in der damaligen Innovationsagentur der Technologiestiftung Berlin – und damit in einem Themenfeld, das, wie sie sagt, heute darüber bestimmt, wie erfolgreich die Wirtschaft einer Stadt ist. Was im 21. Jahrhundert zählt ist nicht nur die Infrastruktur. Es ist eine weitere Stärke, die Jost in Schweinfurt sieht: dass hier Wirtschaft und Wissenschaft aufeinander treffen, im Austausch stehen.
An der Schwelle zu einem neuen Abschnitt der Industriegeschichte
Mit dem Ausbau des Hochschulstandorts Schweinfurt, der i-Factory und dem Angebot neuer Studiengänge werde das einen neuen Schub bekommen. Und damit auch die schon jetzt sehr innovativen und innovationsfreudigen Unternehmen der Stadt. Das gelte nicht nur für die Industrie, die mit ihren insgesamt über 20 000 Arbeitsplätzen Schweinfurt zu einem der bedeutendsten Industriestandorte Bayerns macht. Auch der Mittelstand ist stark, sagt Jost.
Die Wirtschaft stehe an der Schwelle zu einem neuen Abschnitt der Industriegeschichte, so Jost. Stichwort Digitalisierung, E-Mobilität. Die Herausforderung sei nun, mit neuen Produkten in neue Märkte vorzustoßen. Ob es den Schweinfurter Unternehmen gelingen wird? Ja, sagt die Wirtschaftsförderin der Stadt, daran gibt es für sie keinen Zweifel. Und genau so fällt ihre Antwort auf die Frage aus, wo Schweinfurts Wirtschaft in fünf Jahren stehen wird? Ganz vorne, sagt Jost. Schweinfurter Unternehmen würden zu den führenden ihrer Branche gehören, mit den Ton angeben, seien zukunftsorientiert, innovationsgetrieben. Und profitierten von der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft vor Ort. In Zukunft mehr denn je.
Auch Schweinfurt selbst wird sich verändern, ein sichtbares studentisches Leben haben, ist Jost überzeugt. Denn mit dem Ausbau des FH-Standorts werden mehr Studenten in die Stadt kommen. Und mit ihnen Potenzial für Gründungen. Bisher eher eine Schwäche der Stadt. Woher sie rührt? Es sind einfach zu wenige Studenten da, und damit zu wenige potenzielle Gründer, meint Jost.
Die Stadt, sagt sie, kann Türöffner sein, kann unterstützen, alle Seiten zusammenführen, Netzwerke mit knüpfen, informieren, eine Plattform sein, ein Kümmerer. Letztere Rolle will Pia Jost in Zukunft stärker spielen, ist es doch die, die ihr am meisten liegt. Mit der Amtsleitung ist sie mit ihren zwölf Mitarbeitern auch für die Liegenschaften der Stadt zuständig. Ein weites und für sie neues Feld, das im ersten Jahr ihrer Amtszeit viel Zeit gekostet habe. Für ihren Vorgänger Hans Schnabel war sie ein Schwerpunkt, auch angesichts der Konversion. Ein Thema ist der Umbau der ehemaligen Liegenschaften der US-Streitkräfte bis heute, doch der Freiraum für anderes wird größer. Die klassische Wirtschaftsförderung.
Und weil die Stärke einer lokalen Wirtschaft nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen liegt, wie Jost betont, gibt es auch Projekte wie das KreativZentrum Firstfloor im Rückertbau, wo sich Kreative zu günstigen Konditionen einmieten können – vom Webdesigner bis zum Fotografen. Es soll eine Keimzelle sein für Ideen, beschreibt es Jost. Zwei Mieter gibt es bereits, um weitere will man werben. Ebenso wie für die Idee von Gründershops: Sind genug Interessenten da, will die Stadt Läden an- und zu einem günstigen Preis an Gründer weitervermieten.
Ihr Blick in die Zukunft: Optimistisch, sagt Wirtschaftsförderin Pia Jost. Und das aus gutem Grund. "Schweinfurt ist sehr gut aufgestellt, es liegt an uns, wie wir das Potenzial gemeinsam ausschöpfen."