Die Strahlen der Maisonne, die vom Himmel lacht, lassen die glatten Oberflächen der Photovoltaikmodule glänzen. Reihe um Reihe erstrecken sie sich vor dem Auge des Betrachtenden und verschmelzen zu einer Fläche, die fast bis zum Horizont reicht, wo der Herlheimer Kirchturm hervorspitzt.
Wenn sich die einzelnen, zwei auf einen Meter großen Modul-Platten hin und her schaukeln könnten, würden sie an Wellen auf der Oberfläche eines Sees erinnern. Doch die Platten ruhen fest verschraubt auf Metallgestellen. Deren Pfosten sind 1,40 Meter tief in den Erdboden gerammt. Alles sitzt bombenfest an seinem Platz.
Noch vor gut zwei Monaten standen auf dem knapp 16 Hektar großen umzäunten Areal zwischen Brünnstadt und Herlheim die Ständerreihen als nackte Skelette da. Jetzt ist die Photovoltaik-Freiflächenanlage voll bestückt, so gut wie betriebsbereit und wartet nur noch darauf, dass sie Strom ins Netz einspeisen kann.
Exakt 31 704 Modulplatten wurden in den vergangenen Wochen auf der Baustelle installiert und verkabelt, sagt Baustellenleiter Sven Friedrich. Nebeneinander gelegt ergäben allein die Module eine Oberfläche von rund 6,3 Hektar – eine Fläche fast so groß wie neun Fußballplätze. Die Ständer, auf denen die Module befestigt sind, reichen von einem halben Meter bis 3,05 Metern über den Boden.
In einem Monat soll die Anlage ans Netz gehen
Jetzt, Anfang Mai, herrscht auf der Anlage Ruhe. Nicht einmal ein Jahr ist vergangen, seitdem das Kolitzheimer Unternehmen Belectric Solar & Battery GmbH begonnen hat, die Freiflächen-Photovoltaikanlage zu entwickeln. Anfang Januar starteten die Bauarbeiten. Anfang Juni soll die Anlage ans Netz gehen. Wenn die Sonne ordentlich scheint, dann werden die Solarzellen dort in der Spitze zusammengerechnet bis zu 13 Megawatt Strom produzieren.
Ingo Alphéus von Belectric nennt die Anlagengröße und die damit erzeugte Leistung als "groß für unsere Region". In den vergangenen Jahren seien kaum größere Anlagen in Deutschland entstanden, erst jetzt nehme das richtig Fahrt auf. Als Vorsitzender der Geschäftsführung von Belectric überblickt Alphéus den Markt der Solarstromerzeugung nicht nur in Deutschland. Das Unternehmen hat bereits gut 400 Photovoltaikanlagen in Betrieb genommen, weltweit.
In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel baut Belectric gerade ein mehr als zehnmal größeres Solarkraftwerk. Im Ausland sind die Dimensionen noch gewaltiger. In Indien etwa hat das Unternehmen eine 350-Megawatt-Anlage hingestellt, ebenso in Australien. In Israel konzipiert Belectric gerade eine 20-Megawatt-Photovoltaikanlage, die auf dem Wasser schwimmt (siehe Infobox). Da erscheint die Anlage bei Herlheim beinahe langweilig.
Sinkende Kosten beflügeln die Solartechnologie
Doch der Schein trügt etwas. Denn die hiesige Anlage steht auch für den Aufschwung, den Alphéus zufolge Photovoltaikstrom derzeit in Deutschland nimmt. Hintergrund des Ganzen ist die Energiewende mit dem Ziel, möglichst große Strommengen regenerativ zu erzeugen. Dem Sonnenstrom kommt dabei eine wichtige Rolle zu, meint der Belectric-Vertreter.
Denn seit etwa zwei, drei Jahren lassen sich Solaranlagen auch ohne staatliche Förderung gewinnbringend bauen; die Kosten für die Solartechnologie seien seit dem Jahr 2010 um über 80 Prozent gesunken. Der schnell wachsende Solarmarkt macht auch das Recyceln der Solarmodule billiger. Knackpunkt beim Bau großer Photovoltaikanlagen in Deutschland sei es eher, hierfür noch geeignete Flächen zu finden.
Anlagen wie die bei Herlheim sind also wirtschaftlich attraktiv. Dies erklärt auch, weshalb Belectric die Anlage zwar entwickelt hat und errichtet hat und als Dienstleister betreibt – der Strom allerdings einem anderen Auftraggeber gehört: den Stadtwerken Tübingen. Es ist die sechste Photovoltaikanlage, die Belectric für die Baden-Württemberger in Deutschland gebaut hat. Eine siebte soll dieses Jahr folgen. Ziel der Stadt Tübingen ist es, bis zum Jahr 2024 rund 75 Prozent des Strombedarfs mit Ökostrom aus eigenen Anlagen zu decken.
Herlheimer Sonnenstrom kommt Tübingen rechnerisch zugute
Doch wie muss man sich das vorstellen: Der bei Herlheim erzeugte Strom kommt in Tübingen aus der Steckdose? Mitnichten.
Alphéus erklärt das Prinzip, nach dem das Stromnetz funktioniert, vereinfacht gesagt wie folgt: Man stelle sich das Ganze wie einen großen Teich vor, mit vielen Zuflüssen (die Anlagen, die Strom erzeugen) und Abflüssen (den Stromverbrauchern). Wenn dem Teich Strom entnommen wird, muss gleichzeitig Strom hineinfließen – wo dies passiert, ist nicht so wichtig.
Das ist technisch zwar nicht ganz korrekt dargestellt und in den Details viel komplizierter, doch es zeigt das Prinzip. Der Sonnenstrom, der bei Herlheim erzeugt wird, kommt deshalb rein rechnerisch den Tübinger Stadtwerken zugute, doch genutzt wird er von Stromverbrauchenden in der Umgebung.
Die Photovoltaikanlage speist den Strom über das Umspannwerk, das an der Straße zwischen Brünnstadt und Zeilitzheim steht, ins Stromnetz ein. Dorthin wurde ein 2,6 Kilometer langes Stromkabel verlegt. Damit ist das Umspannwerk laut Belectric auch voll ausgelastet, mehr geht nicht. Deshalb war es auch nicht möglich, die Photovoltaikanlage bei Herlheim mit der ursprünglich geplanten 18-Megawatt-Leistung zu errichten.
Containermangel verzögerte Lieferung der Solarmodule
Der Bau der Anlage lief trotz Corona-Pandemie nicht nur rasch, sondern auch reibungslos, berichtet Steven Gerold, der Projektleiter von Belectric. Einzig die Lieferung der Module aus China hatte sich um zwei Wochen verzögert, weil freie Schiffscontainer auf dem Weltmarkt gerade Mangelware sind.
Was der Anlage noch fehlt, ist das grüne Kleid. Denn die Fläche wird nicht nur mit Hecken und Bäumen umpflanzt, die einen Sichtschutz bieten sollen. Zwischen und unterhalb der Reihen mit den Modulen soll eine Wiese sprießen. Als "Bienenweide" bezeichnet es Alphéus. Die Photovoltaikanlage soll Pflanzen und Lebewesen eine ökologische Nische bieten.
So würden auf den Flächen, die die Stadtwerke Tübingen übrigens für 30 Jahre gepachtet haben, auch keine Flächen versiegelt. Und falls die Anlage nach Ende der kalkulierten Betriebszeit verschwinden sollte, dann müssten dort nur die Module demontiert und die Metallpfosten der Stände aus dem Boden gezogen werden – und alle Spuren wären beseitigt.