Vor knapp einem Jahr hat der Bundestag dasPflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG) auf den Weg gebracht. 13 000 zusätzliche Stellen, so der Plan, sollen auf diesem Weg in Pflegeeinrichtungen finanziert werden und entscheidend dazu beitragen die unübersehbaren Engpässe in der Pflege auszugleichen. Seit 1. Januar ist dieses Gesetz nun in Kraft, und die Pflegeeinrichtungen haben erste und nicht nur gute Erfahrungen damit gemacht.
Auch um zu erfahren, wie es aussieht wenn dieser an sich gute Plan auf die Wirklichkeit trifft, war der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, gemeinsam mit MdB Sabine Dittmar (SPD) in das AWO Seniorenzentrum nach Schwebheim gekommen. Gut eineinhalb Stunden nahm sich der Pflegebevollmächtigte Zeit, um mit den Führungskräften der Arbeiterwohlfahrt Unterfranken die Neuerungen und Probleme zu diskutieren. Seit 21. März 2018 hat Westerfellhaus dieses Amt inne, hat also den Werdegang des PpSG von Anfang an verfolgt. Außerdem ist der 62-jährige Westfale selber gelernter Krankenpfleger, Betriebswirt und ehemaliger Leiter einer Akademie für Berufe im Gesundheitswesen in Güterloh.
Nicht jammern, aber die Probleme konkret benennen
Ein Mann vom Fach also. Die richtige Adresse, "nicht um zu jammern, sondern die Probleme konkret zu benennen", wie AWO-Bezirksgeschäftsführer Martin Ulses zum Auftakt der Gespräche betonte. Und Probleme gibt es offenbar reichlich. Droht doch die an sich hochgelobte Idee, zusätzliche Kräfte in der Altenpflege zu finanzieren, zum bürokratischen Monster zu werden. "Von der Grundidee sehr gut, von der Ausführung her problematisch", so Thomas Fabiunke, Leiter Controlling beim AW-Bezirksverband in Unterfranken. Problematisch vor allen Dingen, weil alles mit sehr viel Verwaltungsaufwand verbunden ist, der personell von den Trägern der Einrichtungen kaum zu stemmen sei, und auch, weil auf Verwaltungsebene nur die direkten Personalkosten refinanziert werden.
Vorläufiges Fazit: Es klemmt an vielen Ecken und Enden. Unterfinanziert und in der Umsetzung auch wegen länderspezifischer bürokratischer Zwischenebenen viel zu kompliziert. Den Einrichtungen hat dies häufig zwar mehr Verwaltungsaufwand gebracht, aber nicht immer die personelle Entlastung. Die finanzielle Seite ist die eine, qualifiziertes Pflegepersonal überhaupt zu finden die andere Seite.Dafür brauche man das Einwanderungsgesetz und klare Richtlinien für den Fachkräftezuzug betonte MdB Sabine Dittmar. Um die Pflegeberufe insgesamt attraktiver zu machen sei es darüber hinaus enorm wichtig, dass der im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vereinbarte Tariflohn auch tatsächlich gezahlt werde.
Investitionen in die Mitarbeiter-Zufriedenheit
Bei der AWO hat man dieses Problem erkannt und investiert neben dem Tariflohn viel in die Mitarbeiterzufriedenheit. Martin Ulses stellte einige Beispiele vor, die es Mitarbeitern erleichtern sollen, zum Beispiel Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen gibt es eine Art Arbeitszeit-Girokonto, das es ermöglicht, Wertguthaben in Form von Zeit anzusparen. Guthaben, die zum Beispiel für den früheren Eintritt in den Ruhestand oder auch für ein Sabbatical genutzt werden können. "Wir tun viel, es reicht trotzdem nicht", so seine Einschätzung. Gute Mitarbeiter zu gewinnen oder Berufsaussteiger durch verbesserte Rahmenbedingungen zur Rückkehr in den Beruf zu motivieren, bleibt schwierig.
Wichtig sei auch, dass die Ausbildung wirklich Ausbildung ist und die Azubis nicht zum fest eingeplanten Teil der Wertschöpfung angesichts knapper Personaldecke werden, ergänzte Westerfellhaus. Wer den Beruf attraktiver gestalten wolle, dürfe nicht nur von Wertschätzung reden. Die Spirale, "Immer weniger Leute müssen immer mehr leisten", müsse durchbrochen werden. So wie es ist, werden die Leute entweder krank, gehen in Teilzeit oder ganz aus dem Beruf. Auf der anderen Seite gilt, "48 Prozent der Berufsaussteiger würden zurückkehren, wenn sie neben Tarifgehalt auch eine verlässliche Planung hinsichtlich von Arbeitszeit und Urlaub vorfinden würden".
Es sind noch dicke Bretter zu bohren
Es sind unterm Strich noch einige teils recht dicke Bretter zu bohren auf dem Weg zu mehr Wertschätzung für diesen Beruf. "Solange die Pflegeberufe im Zusammenhang mit dem Mindestlohn diskutiert werden ist dies ein fatales Zeichen", so Westerfellhaus. Weniger Bürokratie und weniger Misstrauen von Seiten der Verwaltung wünschen sich diejenigen, die täglich dafür sorgen, dass ältere Menschen sich in der Pflege gut aufgehoben fühlen.Schwer zu vermitteln sei auch, dass die Ausbildungsumlage ausgerechnet von den Einrichtungen entrichtet werden muss, die ausbilden – und die Ausbildungsumlage an ihre Klientel weitergeben müssen.
Für Laien ganz schön frustrierend
"Als Laie ist man da ganz schön frustriert", betonte Heimbeirats-Vorsitzender Hans Fischer. Denjenigen, die die Arbeit machen, würden da einige Knüppel in den Weg geschmissen. Ein Ausweg könnte sein, so eine gemeinsame Erkenntnis der Runde, endlich zu einer Gesamtbetrachtung der Versorgung zu kommen, die keine großen Unterschiede mehr macht zwischen stationärer oder ambulanter Pflege, die mehr Zeit für die Menschen hat und weniger Energie in überbordenden Energie stecken muss. Kommt jemand zum Beispiel zu früh aus dem Krankenhaus (Stichwort "Blutige Entlassung), braucht er einen Platz in der Tagespflege. Die Gefahr, dass er unzureichend therapiert (Stichwort "Drehtüreffekt") schnell wieder im Krankenhaus landet, ist groß. Sparen sieht anders aus, und auch den Patienten ist damit kein Dienst getan.