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Schweinfurt
Passionierter Böller-Bastler
Wollte der Mann, bei dem im März 2018 zum Bombenbau geeignete Chemikalien gefunden wurden, einen Anschlag verüben? Nein. Doch eine gelagerte Substanz war hochgefährlich.
Polizei- und SEK-Einsatz nach dem Chemikalienfund in der Euerbacher Straße am 26. März letzten Jahres. Nun muss sich der Hauptangeklagte vor dem Schöffengericht verantworten.
Foto: Gerd Landgraf | Polizei- und SEK-Einsatz nach dem Chemikalienfund in der Euerbacher Straße am 26. März letzten Jahres. Nun muss sich der Hauptangeklagte vor dem Schöffengericht verantworten.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:39 Uhr

Am 26. März letzten Jahres ist ein Teil im Schweinfurter Westen, Bereich Bellevue, komplett abgeriegelt. Ein Großaufgebot von Polizei und Rettungsdiensten ist im Einsatz. Etwa 100 Bewohner eines U-förmigen mehrgeschossigen Wohnkomplexes in der Euerbacher Straße, neben der Obdachlosenunterkunft, werden evakuiert und verbringen die folgende Nacht in einer Turnhalle oder bei Bekannten.

Das Meiste über Amazon besorgt

Die Rettungs- und Einsatzmaschinerie war angelaufen, nachdem ein Gerichtsvollzieher im Rahmen einer Zwangsräumung im Haus Nummer 23 Chemikalien entdeckt hatte, die er für gefährlich hielt. Tatsächlich entdecken Experten des Bayerischen Landeskriminalamtes eine erhebliche Menge Chemikalien, von denen die meisten zwar frei verkäuflich, aber auch zum Bombenbau geeignet sind. Vier Menschen werden festgenommen, darunter ein 36-jähriger Staplerfahrer, der sich all die Stoffe beschafft hatte – das meiste übers Internet, bei Amazon.             

Angeklagter: "Bin kein Terrorist"

Was hatte er damit vor? Zunächst ist ihm eines wichtig: "Ich bin kein Terrorist und hatte nie einen Anschlag geplant." Seit seinem 15. Lebensjahr habe er sich mit dem Böllerbau und Sprengmitteln beschäftigt, Silvesterkracher aufgeschnitten, das Pulver zusammengeschüttet und neue Böller gebastelt, die eine größere Wirkung hatten: Bastel- und Experimentier-Leidenschaft also. Ein Münchener Ermittler bestätigt: "Wir haben alle Handy- und Computer-Kontakte und sein persönliches Umfeld überprüft. "Alle sagen, er ist ein lieber, netter Mensch, ich denke, er war sich nicht bewusst, was er da lagerte."

Auf politische oder extremistische Motive sei man nicht gestoßen. "Ich denke, das war seiner Bastelleidenschaft geschuldet", sagt der Polizist. Die Computerauswertung habe eine "starke Affinität zur Sprengstoffherstellung", etwa mit etlichen Bauanleitungen ergeben. Drei grundsätzlich erlaubnisfreie Waffen werden bei dem Staplerfahrer auch gefunden. Eine aber habe er aufgebohrt – mit dem Ergebnis, dass sie nicht mehr erlaubnisfrei war.           

TATP: "Auch beliebt bei Attentätern"

Zwei Chemikalien will sich der Angeklagte nur als Reinigungsmittel besorgt haben: Salzsäure zum Kloputzen, "sehr gut gegen Urinstein", und Wasserstoffperoxid für Schimmelentfernung. Extrem gefährlich ist laut dem LKA-Gutachter aber das hochexplosive Acetonperoxid (APEX) oder TATP, auch "Blitzknallsatz" genannt, von dem der 36-Jährige 750 Gramm teils in Einmachgläsern im Keller gelagert hatte. Damit könne man ein Haus in die Luft jagen, sagt der Chemie- und Sprengstoffexperte aus München. Zum Bau von Leuchtraketen, wie vom Angeklagten beabsichtigt, sei TATP eher nicht geeignet, "jedoch beliebt als Sprengstoff, auch bei Attentätern".      

Er habe die hochgefährliche Substanz auf einem nahen Acker mittels einer Zündschnur durch Abbrennen vernichten wollen, sagt der 36-Jährige. Auch das wäre ohne Abdeckung und großen Sicherheitsabstand lebensgefährlich, so der Sachverständige. Steine könnten als tödliche Geschosse kilometerweit fliegen. Die 31-jährige Mitangeklagte wird wegen des unerlaubten Besitzes zweier geschenkter Böller und weniger Gramm Betäubungsmittel zu einer Geldstrafe von 2250 Euro verurteilt. Der Prozess gegen den Hauptangeklagten wird am Montag, 13. Mai, 9 Uhr, fortgesetzt.   

 
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  • a.genser@freenet.de
    Lieber Herr Sauer, wie wäre es, wenn Sie neben der Nennung der verwendeten Sprengstoffgrundstoffe gleich noch die Bauanleitung mitliefern würden. Welchen journalistischen Wert hat es die Chemikalien zu nennen. Heutzutage findet man zwar so ziemlich alles im Internet. Sie sollten aber nicht noch zusätzliche Anreize für solche „Bastler“ liefern. Immer wieder findet man in Presseartikeln unnötige Details für gefährlichen Unfug ( … stahlschrauben in Maisfelder usw.).
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