
Die drei Damen, die in der katholischen Kindertagesstätte Oberschwarzach zusammensitzen, sind ratlos und, zugegeben, auch leicht verzweifelt. Seit vielen Monaten suchen sie Fachpersonal für ihre Einrichtung. Sie haben alle Register gezogen, um Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen – ohne Erfolg. Wenn sich dieser nicht bald einstellt, dürften einschneidende Konsequenzen folgen.
Der Oberschwarzacher Kita fehlen zwei Erzieherinnen und eine Kinderpflegerin, sagt deren Leiterin, Heidrun Hertrich. Neben klassischen Stellenanzeigen hätten sie vieles probiert, ergänzt die Vorsitzende des Caritas-Vereins St. Johannes, Alexandra Brehm. Der Verein ist Träger der Kita und fürs Personal verantwortlich. Doch selbst kreative Aufrufe in Sozialen Medien und die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit führten letztendlich zu nichts.
Es gab zwar immer wieder mal Bewerbungen, selbst eine aus Afrika und eine aus Russland. Und auch die Agentur für Arbeit habe die Kita in Oberschwarzach immer wieder empfohlen, sagt Hertrich, "doch da gab es nicht mal eine Rückmeldung". Über zwei laufende Bewerbungen sei noch nicht entschieden.
Personalstand schaut nur auf dem Papier gut aus
70 Kinder besuchen die Kita in zwei Regel- und zwei Krippengruppen. Die Öffnungszeiten reichen von 6.45 bis 16 Uhr. 14 Mitarbeiterinnen, alle in Teilzeit, kümmern sich um die Kinder. Dies liest sich auf den ersten Blick gar nicht so schlecht, gibt die Leiterin zu. Doch der Teufel steckt im Detail, in mehrerlei Hinsicht.

Denn die Mitarbeiterinnenzahl enthält neben Erzieherinnen auch Kinderpflegerinnen und Zusatzkräfte. Dies sind Quereinsteigerinnen aus anderen Berufsfeldern, "die für uns eine Riesenunterstützung sind", wie Hertrich sagt. Doch diese zählten nicht, wenn es darum gehe, den geforderten Personalschlüssel zu erreichen. Hier muss die Fachkraftquote, das heißt der Anteil von Erziehern und Erzieherinnen, mindestens 50 Prozent betragen. Und diese wird die Oberschwarzacher Kita ohne Neueinsteiger ab Mai nicht mehr erreichen.
Denn da geht Kita-Leiterin Hertrich in den Ruhestand. Ihre Nachfolge wird Erzieherin Marion Schutzbier antreten, deren Stelle neu besetzt werden muss. Zumal eine Kita-Leiterin, wie Hertrich sagt, mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit für "den immens gestiegenen" bürokratischen Aufwand aufwenden muss, was im Personalschlüssel unberücksichtigt bleibt. Dort gilt eine Leiterin weiter als vollwertige Erzieherin.
Aufruf an die Eltern: Betreut eure Kinder daheim
Einen Vorgeschmack auf das, was droht, bot die Faschingswoche: Da musste die Kita die Eltern bitten, ihre Kinder möglichst zu Hause zu lassen. Sechs Mitarbeiterinnen waren laut Hertrich ausgefallen – zu viele, um alle vier Gruppen regulär zu betreuen. "So etwas wollen wir den Eltern nicht zumuten", sagt Vorsitzende Brehm. Die Eltern seien überhaupt "wahnsinnig toll" und zeigten großes Verständnis. "Sie erleben die Personalnot bei uns aber auch hautnah mit", sagt die Leiterin.

Deren Ausfall-Liste ist eine Woche später noch immer prekär: Eine Kinderpflegerin ist seit Dezember schwanger, eine Erzieherin seit Januar. Eine Kinderpflegerin hat sich krankgemeldet, ebenso eine Zusatzkraft. Eine Erzieherin ist zur Reha. Macht in Summe fünf Ausfälle.
Sollte die Kita die Fachkraftquote und den Personalschlüssel dauerhaft nicht erfüllen, könnte ihr grundsätzlich der Wegfall von monatlich 35.000 Euro drohen, die der Staat zu den rund 50.000 Euro Personalkosten pro Monat zuschießt, schildert Hertrich. Als Konsequenz daraus, Betreuungszeiten einzuschränken, kommt für die Verantwortlichen nicht infrage. Dies sei den Eltern nicht zumutbar.
Leiterin: "Bildungsauftrag so nicht zu erfüllen"
Sollten, was Hertrich für nicht sehr wahrscheinlich hält, Zuschüsse wegfallen, bliebe am Ende nur ein Ausweg: Der Trägerverein müsste Rücklagen aufbrauchen, um den Ausfall auszugleichen. Dass dies über einen längeren Zeitraum nicht funktioniert, sei klar, meint Andrea Lechner, die Kassiererin des St.-Johannes-Vereins. Ganz abgesehen davon, dass eine Kita mit derart ausgedünntem Personalstand Kinder nur irgendwie betreuen könnte. "Unser eigentlicher Bildungsauftrag wäre so nicht zu erfüllen", sagt die Leiterin.
Dies frustriert nicht nur sie, sondern auch die Spitze des Kita-Vereins. "Wir sind immer nur am Lösen von Problemen und stopfen die ganze Zeit Löcher", sagt Lechner. Dies belaste alle sehr.

Gründe für die Personalsorgen gibt es mehrere. Die nicht ausreichende Zahl an Bewerbungen begründet Vorsitzende Brehm etwa auch damit, dass Oberschwarzach geografisch abseits liegt, "am letzten Zipfel von drei Landkreisen". Dies bringe schnell weite Fahrtstrecken fürs Personal mit sich.
Hausgemachte Probleme durch politisches Versagen
Dann gibt es noch die Probleme, die die ganze Branche treffen, in der Fachkräfte auf breiter Front fehlen. Hertrich spricht von langen Ausbildungszeiten für Erzieherinnen und Erzieher, die anschließend im Job auch noch vergleichsweise schlecht entlohnt würden. Beim Ausbau des Kinderbetreuungsangebots hätte die Politik "das Pferd von hinten aufgezäumt", bemängelt die Kita-Leiterin: Erst sei ein gesetzlicher Anspruch geschaffen worden, und dann habe man geschaut, ob das dafür notwendige Personal überhaupt vorhanden ist.
Eine Folge daraus sei der Wettstreit um vorhandenes Personal. Teils würden Träger von Einrichtungen Bonuszahlungen ausloben, in Großstädten sogar Wohnungen stellen, um Erzieherinnen zu finden. Wer die Stelle wechselt, hinterlässt zwangsläufig eine schwer zu schließende Lücke.
Kleinere Einrichtungen, deren Träger oft mit Ehrenamtlichen besetzt sind, haben das Nachsehen. Sie können sich üppige Bonuszahlungen gar nicht leisten. "Das schaukelt sich immer weiter hoch", stellt Hertrich fest. Einrichtungen dürften sich das Personal nicht streitig machen, fordert sie. Auch deshalb nicht, weil häufige Wechsel der Bezugspersonen den betreuten Kindern schadeten.
Angesichts der Probleme für Kitas – in Oberschwarzach und generell – hat Brehm, die selbst andernorts als Erzieherin arbeitet, einen großen Wunsch: Die eigentlich so schöne Arbeit mit Kindern möge endlich wieder im Mittelpunkt aller Anstrengungen stehen. Sie wünscht sich einen Ausweg aus dem "Teufelskreis", als den sie das zermürbende Abarbeiten des Betreuungspersonals wahrnimmt. "Das möchte ich hier in Oberschwarzach auch nicht. Wir möchten den Kindern gerecht werden."