Durch die zeitlichen Verzögerungen bei der Erschließung des Neubaugebiets "Am Nützelbach II" sind einige Bauherren finanziell in schwieriges Fahrwasser geraten. Im Gegensatz zum Jahr 2020, als man sich erfolgreich um eines der begehrten städtischen Grundstücke bemüht hatte, haben sich die Rahmenbedingungen nun im Herbst 2022 deutlich verschlechtert. Ist es besser, jetzt vernünftigerweise die Reißleine zu ziehen, statt später vielleicht von der Zwangsversteigerung bedroht zu sein? Kann man sein Grundstück einfach an die Stadt zurückgeben? Welche finanziellen Auswirkungen hat es für die Bauherren, dass die Stadt die Pflicht zum Anschluss an die Kaltwärme-Versorgung und auch die Pflicht für den Energieeffizienz-Standard "KfW 55" zurückgenommen hat?
Bis vor nicht allzu langer Zeit gab es noch ungewöhnlich billiges Baugeld. Die Darlehenszinsen lagen bei rund einem Prozent. Da war es auch für die Bezieher von nur mittleren Einkommen machbar, ihren Traum von einem großzügig geschnittenen Eigenheim zu verwirklichen. Für Darlehenszinsen in der Höhe der bislang gezahlten Miete bekam man bei der Bank eine ordentliche Summe Geld geliehen, mit der man den Hausbau auch bei nur geringen Eigenmitteln für die nächsten Jahre finanzieren konnte.
Die Darlehenszinsen ziehen deutlich an
Dies ist inzwischen Schnee von gestern. Inzwischen ziehen die Zinsen deutlich an, von der Bundesregierung wurde die Energieeffizienz-Förderung gestrichen, die Preise für das Baumaterial sind erheblich teurer geworden und man muss als Bauherr sich glücklich schätzen, unter den völlig ausgelasteten Baufirmen und Handwerksbetrieben überhaupt noch jemand zu finden, der die Kapazitäten hat, am und im Haus zu arbeiten. Die Handwerker rufen teils astronomische Preise auf, weil sie es momentan einfach nicht nötig haben, sich bei Ausschreibungen einen Bieterkampf zu liefern.
Bislang, so gibt Bürgermeister Thorsten Wozniak auf Anfrage bekannt, sei ein Grundstück in "Nützelbach II" wieder an die Stadt zurückgegeben worden. Weitere Eigentümer würden über diesen Schritt intensiv nachdenken, lauten unbestätigte Gerüchte in der Stadt. Auch im Stadtrat wurde darüber schon gesprochen. Für diejenigen Bauherren, die ihren Traum vom Eigenheim jetzt erst einmal zurückstellen oder gar aufgeben müssen, solle die Stadt möglichst "Wege suchen und Entgegenkommen zeigen", war kürzlich im Gremium zu hören.
Doch wie kann das konkret aussehen? Die Main-Post fragte deshalb beim Gerolzhöfer Notar Dr. Felix Wobst nach.
Rückgabe des Grundstücks (Möglichkeit 1)
In den Verträgen, mit denen die Bauherren ihren Baugrund von der Stadt kauften, ist auch eine Pflicht zur zeitnahen Bebauung des Grundstücks verankert. Dies ist nicht ungewöhnlich und schon länger üblich, wenn die Stadt Gerolzhofen eigene Flächen verkauft, weil man dadurch später brach liegende Baulücken vermeiden möchte. Die Frist, innerhalb derer der Rohbau fertiggestellt sein muss, beträgt bei "Nützelbach II" nach einem entsprechenden Beschluss des Stadtrats 18 Monate.
Wer sein Grundstück zurückgeben möchte, könnte diesen Bauzwang ignorieren und die Frist einfach verstreichen lassen. Dann kann die Stadt die Rückgabe der Fläche verlangen. Da in diesem Fall allerdings eine Pflichtverletzung des Bauherren vorliegt, hat er alleine die entstehenden Kosten für Notar und Grundbuch zu tragen. Ein "Entgegenkommen" der Stadt, wie im Stadtrat andiskutiert, sei hier nicht möglich, betont Notar Wobst, weil es sich sonst quasi um ein "Geschenk" der Stadt handeln würde, das kommunalrechtlich nicht erlaubt ist.
Rückgabe des Grundstücks (Möglichkeit 2)
Wenn die Frist zur Bebauung noch nicht abgelaufen ist, könnte im gütlichen Miteinander von Bauherr und Stadt der bestehende Kaufvertrag wieder aufgehoben werden. In diesem Fall sei es zwischen Stadt und Käufer frei verhandelbar, so Wobst, wer die Notarkosten und die Gebühren der Grundbuch-Änderung bei der Rückübereignung trägt. Hier bestünde also rechtlich tatsächlich die Möglichkeit, dass die Stadt einen Teil der Kosten übernimmt, wie es in der jüngsten Stadtratssitzung vorgeschlagen worden ist.
Wird der Vertrag tatsächlich aufgehoben, ist für die Berechnung der neu anfallenden Gebühren der aktuelle Grundstückwert maßgeblich. Eine Vertragsaufhebung sei grundsätzlich aber etwa ein Drittel günstiger als der eigentliche Vertragsabschluss, sagt der Notar.
Fragen zum Kaltwärme-Anschluss
In den Kaufverträgen war neben dem Bauzwang bislang auch die Pflicht zum Anschluss an eine Kaltwärme-Versorgung der ÜZ Mainfranken beziehungsweise zur Erreichung des Energie-Effizienzstandards "KfW 55" festgeschrieben. Dadurch wurden die Grundstücke, so war im Stadtrat zu hören, um 11.350 Euro netto (das sind im wesentlichen die Bohrkosten) teurer. Nachdem der Stadtrat - wie berichtet - jetzt aber entschieden hat, beide Verpflichtungen aufzuheben, können die Käufer, wenn sie möchten, auf die Kaltwärme beziehungsweise auf den Standard "KfW 55" verzichten.
Dann werden auch die 11.350 Euro nicht fällig. Das heißt aber im Umkehrschluss: Wer keine Kaltwärme-Bohrungen braucht, hat sein Grundstück von der Stadt "zu teuer" gekauft. Kann dies nachträglich korrigiert werden? Und welche Auswirkungen hat das auf die Grunderwerbssteuer, die Notar- und die Grundbuchkosten?
Korrektur bei der Messungsanerkennung
Eine nachträgliche Korrektur erfolgt im Notariat bei der so genannten Messungsanerkennung. Zur Erklärung: Bis vor kurzem waren im Baugebiet die einzelnen Parzellen noch nicht herausgemessen worden, das Baugebiet war noch ein einziges großes Grundstück. Zur Sicherung der Rechte an den einzelnen Baugrundstücken waren für die Bauherren aber bereits Auflassungsvormerkungen vom Notar im Grundbuch eingetragen worden.
Erst mit der Vermessung wird das Baugebiet in einzelne Flurstücke mit Nummern unterteilt. Ist die Vermessung abgeschlossen, wird bei einem weiteren Notartermin im Rahmen der Messungsanerkennung die endgültig ermittelte Größe des Baugrundstücks festgestellt und, falls nötig, im notariellen Kaufvertrag korrigiert. Mit der Auflassung ist der Grundstücksverkauf schließlich besiegelt.
Auswirkungen auf den Kaufpreis
Bei der Messungsanerkennung im Notariat kann aber nicht nur die Grundstücksgröße korrigiert werden, sondern bei Bedarf auch die Höhe des Kaufpreises - also auch bei dem Fall, dass sich wegen des Wegfalls des Kaltwärme-Anschlusses der Kaufpreis des Grundstücks verringert hat. Wenn der Notar den Kaufvertrags geändert hat, kann der Käufer dann von der Stadt als Verkäuferin den zu viel gezahlten Betrag zurückfordern.
Auswirkungen auf die Steuer
Das Ergebnis der Messungsanerkennung werde vom Notariat automatisch dem Finanzamt mitgeteilt, erklärt Felix Wobst. Das Finanzamt berechnet bei einem verminderten Kaufpreis die Grunderwerbssteuer neu und erstattet zu viel gezahlte Steuer zurück. Beim Verzicht auf die Kaltwärme dürfte seitens des Finanzamtes eine Rückzahlung in Höhe von rund 470 Euro in Betracht kommen, hat der Notar errechnet.
Keine Auswirkungen auf die Grundbuch- und Notarkosten
Die Gebühren, die das Notariat und das Grundbuchamt erheben, richten sich nach einer gesetzlichen Tabelle und sind abhängig vom Wert des Grundstücks. Dabei gilt das Stichtagsprinzip. Das heißt: Entscheidend für die Gebührenrechnung war der Grundstückspreis am Tag der Beurkundung des Kaufvertrags. Dass das Grundstück nun nachträglich möglicherweise günstiger geworden ist, hat deshalb keinen Einfluss auf diese Kosten.